"Weshalb nicht? Es würde mir ja doch keine Menschenseele glauben."
"Da haben Sie freilich Recht; und nun?"
"Nun habe ich noch weniger Lust, als vorhin. Ich wünsche nicht, die alberne Geschichte der Liebschaft eines Hauslehrers mit der Tochter des hochadligen Hauses, eine Geschichte, die ich mir schon in so und so vielen Romanen zum Ekel gelesen habe, an mir selbst zu wiederholen. Und wenn das Mädchen wirk¬ lich so schön und liebenswürdig ist, daß --"
"Daß selbst das dürre Holz frische Blätter treibt, was da am grünen geschehen soll?" unterbrach mich lachend Berger. "Nun wohl! verlieben Sie sich! weshalb nicht! Lieber Freund, das Buch des Lebens für Leute unseres Schlages führt denselben Titel, wie einer der Romane Balzac's: Illusions perdues. Jeder Tag schreibt nur ein neues Kapitel hinein, und je kürzer das Buch, desto besser und interessanter ist es. Aber da es nun einmal geschrieben werden muß und nicht anders geschrieben werden kann, so ist es auch im Grunde gleichgültig, ob wir nach Westen gehen oder nach Osten. Wir machen dieselben Erfahrungen hier wie dort. Darum sage ich noch einmal: gehen Sie nach Grenwitz!"
Was sollte ich thun. Es erschien mir als eine
„Weshalb nicht? Es würde mir ja doch keine Menſchenſeele glauben.“
„Da haben Sie freilich Recht; und nun?“
„Nun habe ich noch weniger Luſt, als vorhin. Ich wünſche nicht, die alberne Geſchichte der Liebſchaft eines Hauslehrers mit der Tochter des hochadligen Hauſes, eine Geſchichte, die ich mir ſchon in ſo und ſo vielen Romanen zum Ekel geleſen habe, an mir ſelbſt zu wiederholen. Und wenn das Mädchen wirk¬ lich ſo ſchön und liebenswürdig iſt, daß —“
„Daß ſelbſt das dürre Holz friſche Blätter treibt, was da am grünen geſchehen ſoll?“ unterbrach mich lachend Berger. „Nun wohl! verlieben Sie ſich! weshalb nicht! Lieber Freund, das Buch des Lebens für Leute unſeres Schlages führt denſelben Titel, wie einer der Romane Balzac’s: Illusions perdues. Jeder Tag ſchreibt nur ein neues Kapitel hinein, und je kürzer das Buch, deſto beſſer und intereſſanter iſt es. Aber da es nun einmal geſchrieben werden muß und nicht anders geſchrieben werden kann, ſo iſt es auch im Grunde gleichgültig, ob wir nach Weſten gehen oder nach Oſten. Wir machen dieſelben Erfahrungen hier wie dort. Darum ſage ich noch einmal: gehen Sie nach Grenwitz!“
Was ſollte ich thun. Es erſchien mir als eine
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„Weshalb nicht? Es würde mir ja doch keine
Menſchenſeele glauben.“
„Da haben Sie freilich Recht; und nun?“
„Nun habe ich noch weniger Luſt, als vorhin. Ich
wünſche nicht, die alberne Geſchichte der Liebſchaft
eines Hauslehrers mit der Tochter des hochadligen
Hauſes, eine Geſchichte, die ich mir ſchon in ſo und
ſo vielen Romanen zum Ekel geleſen habe, an mir
ſelbſt zu wiederholen. Und wenn das Mädchen wirk¬
lich ſo ſchön und liebenswürdig iſt, daß —“
„Daß ſelbſt das dürre Holz friſche Blätter treibt,
was da am grünen geſchehen ſoll?“ unterbrach mich
lachend Berger. „Nun wohl! verlieben Sie ſich!
weshalb nicht! Lieber Freund, das Buch des Lebens
für Leute unſeres Schlages führt denſelben Titel, wie
einer der Romane Balzac’s: Illusions perdues. Jeder
Tag ſchreibt nur ein neues Kapitel hinein, und je
kürzer das Buch, deſto beſſer und intereſſanter iſt es.
Aber da es nun einmal geſchrieben werden muß und
nicht anders geſchrieben werden kann, ſo iſt es auch
im Grunde gleichgültig, ob wir nach Weſten gehen oder
nach Oſten. Wir machen dieſelben Erfahrungen hier
wie dort. Darum ſage ich noch einmal: gehen Sie
nach Grenwitz!“
Was ſollte ich thun. Es erſchien mir als eine
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische01_1861/37>, abgerufen am 16.07.2024.
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