Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861.Alte nannte Sie "Junker," ich vermuthe daraus, daß "Weshalb nicht gar Freiherr!" lachte Oswald, "Das ist eine sonderbare alte Frau," sagte der "Wie eine alte, alte Frau aus irgend einem Grimm'¬ "Ja, ganz recht -- sie hat ein wunderbares Feuer "So ist es auch," sagte Oswald, und er erzählte F. Spielhagen, Problematische Naturen. I. 19
Alte nannte Sie „Junker,“ ich vermuthe daraus, daß „Weshalb nicht gar Freiherr!“ lachte Oswald, „Das iſt eine ſonderbare alte Frau,“ ſagte der „Wie eine alte, alte Frau aus irgend einem Grimm’¬ „Ja, ganz recht — ſie hat ein wunderbares Feuer „So iſt es auch,“ ſagte Oswald, und er erzählte F. Spielhagen, Problematiſche Naturen. I. 19
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0299" n="289"/> Alte nannte Sie „Junker,“ ich vermuthe daraus, daß<lb/> ich in Zukunft Herr von Stein werde ſagen müſſen.“</p><lb/> <p>„Weshalb nicht gar Freiherr!“ lachte Oswald,<lb/> dem die Weiſe ſeines neuen Bekannten ſehr gefiel.<lb/> „Nein, ich bin eben ſo wenig adlig, als Mutter Clauſen,<lb/> die, ich weiß nicht weshalb? möglicherweiſe durch Re¬<lb/> miniscenzen ihrer Jugend verleitet, mich durchaus zu<lb/> ihrem Junker haben will, eine Königin iſt.“</p><lb/> <p>„Das iſt eine ſonderbare alte Frau,“ ſagte der<lb/> Doctor. „Sehen Sie, wie ſchön der Mond ſich dort<lb/> über dem Waldrand erhebt, und wie duftig der Nebel<lb/> über den Wieſen liegt! — eine ſonderbare Frau. Ich<lb/> erinnere mich jetzt, daß ſie mir auch ſonſt ſchon auf¬<lb/> gefallen iſt, ſie ſieht aus wie — nun, wie nur gleich?“</p><lb/> <p>„Wie eine alte, alte Frau aus irgend einem Grimm’¬<lb/> ſchen Märchen, die ſich gelegentlich in die allerſchönſte<lb/> Prinzeß von der Welt verwandelt.“</p><lb/> <p>„Ja, ganz recht — ſie hat ein wunderbares Feuer<lb/> in ihren alten Augen. Es iſt einem, als ob das alte<lb/> Geſicht nur eine Maske für eine noch immer jugend¬<lb/> liche Pſyche ſei.“</p><lb/> <p>„So iſt es auch,“ ſagte Oswald, und er erzählte<lb/> dem Doctor die ſonderbare Unterhaltung, die er mit<lb/> Mutter Clauſen geſtern Morgen auf der Haide ge¬<lb/> habt, und wie ihm die Rede der alten Frau ſo natür¬<lb/> <fw place="bottom" type="sig">F. Spielhagen, Problematiſche Naturen. I. 19<lb/></fw> </p> </div> </body> </text> </TEI> [289/0299]
Alte nannte Sie „Junker,“ ich vermuthe daraus, daß
ich in Zukunft Herr von Stein werde ſagen müſſen.“
„Weshalb nicht gar Freiherr!“ lachte Oswald,
dem die Weiſe ſeines neuen Bekannten ſehr gefiel.
„Nein, ich bin eben ſo wenig adlig, als Mutter Clauſen,
die, ich weiß nicht weshalb? möglicherweiſe durch Re¬
miniscenzen ihrer Jugend verleitet, mich durchaus zu
ihrem Junker haben will, eine Königin iſt.“
„Das iſt eine ſonderbare alte Frau,“ ſagte der
Doctor. „Sehen Sie, wie ſchön der Mond ſich dort
über dem Waldrand erhebt, und wie duftig der Nebel
über den Wieſen liegt! — eine ſonderbare Frau. Ich
erinnere mich jetzt, daß ſie mir auch ſonſt ſchon auf¬
gefallen iſt, ſie ſieht aus wie — nun, wie nur gleich?“
„Wie eine alte, alte Frau aus irgend einem Grimm’¬
ſchen Märchen, die ſich gelegentlich in die allerſchönſte
Prinzeß von der Welt verwandelt.“
„Ja, ganz recht — ſie hat ein wunderbares Feuer
in ihren alten Augen. Es iſt einem, als ob das alte
Geſicht nur eine Maske für eine noch immer jugend¬
liche Pſyche ſei.“
„So iſt es auch,“ ſagte Oswald, und er erzählte
dem Doctor die ſonderbare Unterhaltung, die er mit
Mutter Clauſen geſtern Morgen auf der Haide ge¬
habt, und wie ihm die Rede der alten Frau ſo natür¬
F. Spielhagen, Problematiſche Naturen. I. 19
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |