einen Bruder liebte und wie ihren Herzallerliebsten, der ihr schwur, er wollte sie zur gnädigen Frau machen, so bald er einmal der Herr sei in Grenwitz. Damals war sie jung gewesen und er war jung gewesen; und die Sonne hatte in jener alten Zeit so warm und mild geschienen in ihr junges, morgenfrisches Herz, und die Lerchen hatten so lieblich ihr Triliri gesungen und der Mondschein war auf so leisen Füßen im Park herumgeschlichen, daß er nicht einmal die Nachtigall störte, die in dem Gebüsche so klagte und schluchzte, als ob ihr das kleine volle Herz brechen wolle vor Liebessehnsucht und Liebespein -- denn ach! der Junker war dann fortgereist, weit, weit fort -- übers Meer, von seinen Eltern nach Schweden geschickt zu seinen Verwandten, damit die dumme Geschichte mit der Liese ein Ende nehme; und er sandte ihr kein Wort, keinen Gruß ein, zwei, drei Jahre lang, und als er wieder kam von Schweden -- da, heiliger Gott! war er nicht allein -- eine schöne junge Frau saß bei ihm im Wagen, und die alten Herrschaften waren glücklich, und die Dienerschaft schrie Hurrah -- und sie tanzten und jubelten. -- Aber in dem dichtesten Gebüsch des Schloßgartens hatte sich ein Mädchen versteckt, die hübscheste von allen Dirnen weit und breit, und die schluchzte leise, leise vor sich hin, wie Thräne auf
einen Bruder liebte und wie ihren Herzallerliebſten, der ihr ſchwur, er wollte ſie zur gnädigen Frau machen, ſo bald er einmal der Herr ſei in Grenwitz. Damals war ſie jung geweſen und er war jung geweſen; und die Sonne hatte in jener alten Zeit ſo warm und mild geſchienen in ihr junges, morgenfriſches Herz, und die Lerchen hatten ſo lieblich ihr Triliri geſungen und der Mondſchein war auf ſo leiſen Füßen im Park herumgeſchlichen, daß er nicht einmal die Nachtigall ſtörte, die in dem Gebüſche ſo klagte und ſchluchzte, als ob ihr das kleine volle Herz brechen wolle vor Liebesſehnſucht und Liebespein — denn ach! der Junker war dann fortgereiſt, weit, weit fort — übers Meer, von ſeinen Eltern nach Schweden geſchickt zu ſeinen Verwandten, damit die dumme Geſchichte mit der Lieſe ein Ende nehme; und er ſandte ihr kein Wort, keinen Gruß ein, zwei, drei Jahre lang, und als er wieder kam von Schweden — da, heiliger Gott! war er nicht allein — eine ſchöne junge Frau ſaß bei ihm im Wagen, und die alten Herrſchaften waren glücklich, und die Dienerſchaft ſchrie Hurrah — und ſie tanzten und jubelten. — Aber in dem dichteſten Gebüſch des Schloßgartens hatte ſich ein Mädchen verſteckt, die hübſcheſte von allen Dirnen weit und breit, und die ſchluchzte leiſe, leiſe vor ſich hin, wie Thräne auf
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einen Bruder liebte und wie ihren Herzallerliebſten,
der ihr ſchwur, er wollte ſie zur gnädigen Frau machen,
ſo bald er einmal der Herr ſei in Grenwitz. Damals
war ſie jung geweſen und er war jung geweſen; und
die Sonne hatte in jener alten Zeit ſo warm und
mild geſchienen in ihr junges, morgenfriſches Herz,
und die Lerchen hatten ſo lieblich ihr Triliri geſungen
und der Mondſchein war auf ſo leiſen Füßen im Park
herumgeſchlichen, daß er nicht einmal die Nachtigall
ſtörte, die in dem Gebüſche ſo klagte und ſchluchzte,
als ob ihr das kleine volle Herz brechen wolle vor
Liebesſehnſucht und Liebespein — denn ach! der Junker
war dann fortgereiſt, weit, weit fort — übers Meer,
von ſeinen Eltern nach Schweden geſchickt zu ſeinen
Verwandten, damit die dumme Geſchichte mit der Lieſe
ein Ende nehme; und er ſandte ihr kein Wort, keinen
Gruß ein, zwei, drei Jahre lang, und als er wieder
kam von Schweden — da, heiliger Gott! war er nicht
allein — eine ſchöne junge Frau ſaß bei ihm im
Wagen, und die alten Herrſchaften waren glücklich,
und die Dienerſchaft ſchrie Hurrah — und ſie tanzten
und jubelten. — Aber in dem dichteſten Gebüſch des
Schloßgartens hatte ſich ein Mädchen verſteckt, die
hübſcheſte von allen Dirnen weit und breit, und die
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische01_1861/290>, abgerufen am 25.11.2024.
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