"Nein, und ich finde den Weg wirklich nicht inter¬ essant genug, um ihn zweimal an einem Tage zu gehen. Hier ist ein anderer, der uns aus dem Walde herausführt und dann immer am Rande hin bis bei¬ nahe nach Hause; wollen wir den nicht einschlagen?"
"Meinethalben," sagte Oswald, sogleich wieder in seinen bösen Traum zurückfallend. "Also wirklich von ihr! Doch das ist ja nicht möglich! Warum nicht mög¬ lich? ""Ein rollend Rad des Weibes Brust hat ge¬ drechselt; die Lilienhöhen decken, was wankt und wechselt"" -- das kann der Baron so gut wie Du in der Fritjofssage gelesen haben. Er ist ja auch ein Schriftgelehrter und dabei Baron und reich. -- Dem Manne kann es ja gar nicht fehlen; aber Melitta soll mir Rede stehen; sie soll mir sagen, daß ich Ursache habe, den Mann zu hassen, wie ich ihn hasse."
Bruno war, durch die Breite des Weges von ihm getrennt, schweigend neben Oswald hergegangen. Er bemerkte wohl dessen Aufregung; er sah, wie sein Ge¬ sicht sich immer mehr verdüsterte, wie schmerzlich seine Lippen zuckten, wie seine Hand sich krampfig ballte; er sah, daß sein Freund nicht glücklich war. Mehr bedurfte es bei dem großmüthigen Knaben nicht, um alle seine persönliche Empfindlichkeit, seine eignen
„Nein, und ich finde den Weg wirklich nicht inter¬ eſſant genug, um ihn zweimal an einem Tage zu gehen. Hier iſt ein anderer, der uns aus dem Walde herausführt und dann immer am Rande hin bis bei¬ nahe nach Hauſe; wollen wir den nicht einſchlagen?“
„Meinethalben,“ ſagte Oswald, ſogleich wieder in ſeinen böſen Traum zurückfallend. „Alſo wirklich von ihr! Doch das iſt ja nicht möglich! Warum nicht mög¬ lich? „„Ein rollend Rad des Weibes Bruſt hat ge¬ drechſelt; die Lilienhöhen decken, was wankt und wechſelt““ — das kann der Baron ſo gut wie Du in der Fritjofsſage geleſen haben. Er iſt ja auch ein Schriftgelehrter und dabei Baron und reich. — Dem Manne kann es ja gar nicht fehlen; aber Melitta ſoll mir Rede ſtehen; ſie ſoll mir ſagen, daß ich Urſache habe, den Mann zu haſſen, wie ich ihn haſſe.“
Bruno war, durch die Breite des Weges von ihm getrennt, ſchweigend neben Oswald hergegangen. Er bemerkte wohl deſſen Aufregung; er ſah, wie ſein Ge¬ ſicht ſich immer mehr verdüſterte, wie ſchmerzlich ſeine Lippen zuckten, wie ſeine Hand ſich krampfig ballte; er ſah, daß ſein Freund nicht glücklich war. Mehr bedurfte es bei dem großmüthigen Knaben nicht, um alle ſeine perſönliche Empfindlichkeit, ſeine eignen
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„Nein, und ich finde den Weg wirklich nicht inter¬
eſſant genug, um ihn zweimal an einem Tage zu
gehen. Hier iſt ein anderer, der uns aus dem Walde
herausführt und dann immer am Rande hin bis bei¬
nahe nach Hauſe; wollen wir den nicht einſchlagen?“
„Meinethalben,“ ſagte Oswald, ſogleich wieder in
ſeinen böſen Traum zurückfallend. „Alſo wirklich von
ihr! Doch das iſt ja nicht möglich! Warum nicht mög¬
lich? „„Ein rollend Rad des Weibes Bruſt hat ge¬
drechſelt; die Lilienhöhen decken, was wankt und
wechſelt““ — das kann der Baron ſo gut wie Du
in der Fritjofsſage geleſen haben. Er iſt ja auch ein
Schriftgelehrter und dabei Baron und reich. — Dem
Manne kann es ja gar nicht fehlen; aber Melitta ſoll
mir Rede ſtehen; ſie ſoll mir ſagen, daß ich Urſache
habe, den Mann zu haſſen, wie ich ihn haſſe.“
Bruno war, durch die Breite des Weges von ihm
getrennt, ſchweigend neben Oswald hergegangen. Er
bemerkte wohl deſſen Aufregung; er ſah, wie ſein Ge¬
ſicht ſich immer mehr verdüſterte, wie ſchmerzlich
ſeine Lippen zuckten, wie ſeine Hand ſich krampfig
ballte; er ſah, daß ſein Freund nicht glücklich war.
Mehr bedurfte es bei dem großmüthigen Knaben nicht,
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische01_1861/277>, abgerufen am 25.11.2024.
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