Ich sah deshalb ein, daß es eine Barbarei sein würde, ihm die Sorge für meinen jüngsten Bruder, der jetzt auf die Schule kam, zuzumuthen, zumal dieser ein sehr schwächlicher Knabe war -- er ist jetzt ein kräftiger Bursche von zwanzig Jahren, ein braver, fleißiger Junge, der nächstens sein erstes theologisches Examen machen wird -- ja, wollte ich sagen? richtig: er war damals ein schwächlicher, kränklicher Knabe, und be¬ durfte größerer Pflege. Für Beide aber das Nöthige herbeizuschaffen --"
"Und für Sie selber," schaltete Oswald ein.
"Nun, das war das wenigste; aber ich sah ein, daß es so nicht länger ging, und da kam mir denn die Hauslehrerstelle in Berkow, die mir zu der Zeit angeboten wurde, gerade recht. Vollkommen freie Station, ein fabelhafter Gehalt -- ich war überglück¬ lich. Jetzt hatte ich beide Arme frei, und konnte end¬ lich wirklich einmal etwas für die Familie thun."
"Ich dächte, Sie hätten das stets nach Kräften, oder über ihre Kräfte gethan," sagte Oswald.
"Ach, Spaß," sagte der Andere; "die Luft war groß, aber die Kraft gering, und jetzt war die Unter¬ stützung nöthiger, wie je. Meine gute Mutter hatte schon lange gekränkelt, jetzt verfiel auch mein Vater in eine schwere Krankheit, die seine eiserne Natur so
Ich ſah deshalb ein, daß es eine Barbarei ſein würde, ihm die Sorge für meinen jüngſten Bruder, der jetzt auf die Schule kam, zuzumuthen, zumal dieſer ein ſehr ſchwächlicher Knabe war — er iſt jetzt ein kräftiger Burſche von zwanzig Jahren, ein braver, fleißiger Junge, der nächſtens ſein erſtes theologiſches Examen machen wird — ja, wollte ich ſagen? richtig: er war damals ein ſchwächlicher, kränklicher Knabe, und be¬ durfte größerer Pflege. Für Beide aber das Nöthige herbeizuſchaffen —“
„Und für Sie ſelber,“ ſchaltete Oswald ein.
„Nun, das war das wenigſte; aber ich ſah ein, daß es ſo nicht länger ging, und da kam mir denn die Hauslehrerſtelle in Berkow, die mir zu der Zeit angeboten wurde, gerade recht. Vollkommen freie Station, ein fabelhafter Gehalt — ich war überglück¬ lich. Jetzt hatte ich beide Arme frei, und konnte end¬ lich wirklich einmal etwas für die Familie thun.“
„Ich dächte, Sie hätten das ſtets nach Kräften, oder über ihre Kräfte gethan,“ ſagte Oswald.
„Ach, Spaß,“ ſagte der Andere; „die Luft war groß, aber die Kraft gering, und jetzt war die Unter¬ ſtützung nöthiger, wie je. Meine gute Mutter hatte ſchon lange gekränkelt, jetzt verfiel auch mein Vater in eine ſchwere Krankheit, die ſeine eiſerne Natur ſo
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Ich ſah deshalb ein, daß es eine Barbarei ſein würde,
ihm die Sorge für meinen jüngſten Bruder, der jetzt
auf die Schule kam, zuzumuthen, zumal dieſer ein ſehr
ſchwächlicher Knabe war — er iſt jetzt ein kräftiger
Burſche von zwanzig Jahren, ein braver, fleißiger
Junge, der nächſtens ſein erſtes theologiſches Examen
machen wird — ja, wollte ich ſagen? richtig: er war
damals ein ſchwächlicher, kränklicher Knabe, und be¬
durfte größerer Pflege. Für Beide aber das Nöthige
herbeizuſchaffen —“
„Und für Sie ſelber,“ ſchaltete Oswald ein.
„Nun, das war das wenigſte; aber ich ſah ein,
daß es ſo nicht länger ging, und da kam mir denn
die Hauslehrerſtelle in Berkow, die mir zu der Zeit
angeboten wurde, gerade recht. Vollkommen freie
Station, ein fabelhafter Gehalt — ich war überglück¬
lich. Jetzt hatte ich beide Arme frei, und konnte end¬
lich wirklich einmal etwas für die Familie thun.“
„Ich dächte, Sie hätten das ſtets nach Kräften,
oder über ihre Kräfte gethan,“ ſagte Oswald.
„Ach, Spaß,“ ſagte der Andere; „die Luft war
groß, aber die Kraft gering, und jetzt war die Unter¬
ſtützung nöthiger, wie je. Meine gute Mutter hatte
ſchon lange gekränkelt, jetzt verfiel auch mein Vater
in eine ſchwere Krankheit, die ſeine eiſerne Natur ſo
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische01_1861/256>, abgerufen am 16.07.2024.
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