sich vor einem Gewitter nicht mehr fürchten, wie ich -- oder fürchten Sie sich vor einem Gewitter?" --
Oswald lächelte.
"So soll uns das wahrlich nicht abhalten. Uebri¬ gens sehe ich vom Gewitter keine Spur;" sagte sie schon in der Thür des Gartensaales.
In diesem Augenblick zog ein blauer Schatten über den Garten, und eine Schaar Schwalben schoß zirpend und schreiend, dicht über die Erde streifend, an der Thür vorbei.
"Wollen wir doch lieber bleiben?" sagte Melitta, die schon den Fuß über die Schwelle gesetzt hatte, zu Oswald zurückgewandt.
"Ich fürchte mich nicht vor dem Gewitter," ant¬ wortete Oswald, nicht nach dem Himmel, sondern in ihre Augen blickend.
"Und im Walde ist es gerade am schönsten im Sturm und Gewitter!" rief Melitta. "Adieu, Bau¬ mann! Wenn der Wagen von Grenwitz kommt, schicke Er ihn nach der Försterei. Der Kutscher soll sich im Waldhäuschen melden."
Baumann schaute den Enteilenden nach, bis Melitta's weißes Kleid zwischen den Büschen verschwunden war.
Wer ihn so auf der Schwelle des Hauses stehen sah, den alten, hohen Mann, mit dem weißen Bart
ſich vor einem Gewitter nicht mehr fürchten, wie ich — oder fürchten Sie ſich vor einem Gewitter?“ —
Oswald lächelte.
„So ſoll uns das wahrlich nicht abhalten. Uebri¬ gens ſehe ich vom Gewitter keine Spur;“ ſagte ſie ſchon in der Thür des Gartenſaales.
In dieſem Augenblick zog ein blauer Schatten über den Garten, und eine Schaar Schwalben ſchoß zirpend und ſchreiend, dicht über die Erde ſtreifend, an der Thür vorbei.
„Wollen wir doch lieber bleiben?“ ſagte Melitta, die ſchon den Fuß über die Schwelle geſetzt hatte, zu Oswald zurückgewandt.
„Ich fürchte mich nicht vor dem Gewitter,“ ant¬ wortete Oswald, nicht nach dem Himmel, ſondern in ihre Augen blickend.
„Und im Walde iſt es gerade am ſchönſten im Sturm und Gewitter!“ rief Melitta. „Adieu, Bau¬ mann! Wenn der Wagen von Grenwitz kommt, ſchicke Er ihn nach der Förſterei. Der Kutſcher ſoll ſich im Waldhäuschen melden.“
Baumann ſchaute den Enteilenden nach, bis Melitta's weißes Kleid zwiſchen den Büſchen verſchwunden war.
Wer ihn ſo auf der Schwelle des Hauſes ſtehen ſah, den alten, hohen Mann, mit dem weißen Bart
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0198"n="188"/>ſich vor einem Gewitter nicht mehr fürchten, wie ich —<lb/>
oder fürchten Sie ſich vor einem Gewitter?“—</p><lb/><p>Oswald lächelte.</p><lb/><p>„So ſoll uns das wahrlich nicht abhalten. Uebri¬<lb/>
gens ſehe ich vom Gewitter keine Spur;“ſagte ſie<lb/>ſchon in der Thür des Gartenſaales.</p><lb/><p>In dieſem Augenblick zog ein blauer Schatten über<lb/>
den Garten, und eine Schaar Schwalben ſchoß zirpend<lb/>
und ſchreiend, dicht über die Erde ſtreifend, an der<lb/>
Thür vorbei.</p><lb/><p>„Wollen wir doch lieber bleiben?“ſagte Melitta,<lb/>
die ſchon den Fuß über die Schwelle geſetzt hatte, zu<lb/>
Oswald zurückgewandt.</p><lb/><p>„Ich fürchte mich nicht vor dem Gewitter,“ ant¬<lb/>
wortete Oswald, nicht nach dem Himmel, ſondern in<lb/>
ihre Augen blickend.</p><lb/><p>„Und im Walde iſt es gerade am ſchönſten im<lb/>
Sturm und Gewitter!“ rief Melitta. „Adieu, Bau¬<lb/>
mann! Wenn der Wagen von Grenwitz kommt, ſchicke<lb/>
Er ihn nach der Förſterei. Der Kutſcher ſoll ſich im<lb/>
Waldhäuschen melden.“</p><lb/><p>Baumann ſchaute den Enteilenden nach, bis Melitta's<lb/>
weißes Kleid zwiſchen den Büſchen verſchwunden war.</p><lb/><p>Wer ihn ſo auf der Schwelle des Hauſes ſtehen<lb/>ſah, den alten, hohen Mann, mit dem weißen Bart<lb/></p></div></body></text></TEI>
[188/0198]
ſich vor einem Gewitter nicht mehr fürchten, wie ich —
oder fürchten Sie ſich vor einem Gewitter?“ —
Oswald lächelte.
„So ſoll uns das wahrlich nicht abhalten. Uebri¬
gens ſehe ich vom Gewitter keine Spur;“ ſagte ſie
ſchon in der Thür des Gartenſaales.
In dieſem Augenblick zog ein blauer Schatten über
den Garten, und eine Schaar Schwalben ſchoß zirpend
und ſchreiend, dicht über die Erde ſtreifend, an der
Thür vorbei.
„Wollen wir doch lieber bleiben?“ ſagte Melitta,
die ſchon den Fuß über die Schwelle geſetzt hatte, zu
Oswald zurückgewandt.
„Ich fürchte mich nicht vor dem Gewitter,“ ant¬
wortete Oswald, nicht nach dem Himmel, ſondern in
ihre Augen blickend.
„Und im Walde iſt es gerade am ſchönſten im
Sturm und Gewitter!“ rief Melitta. „Adieu, Bau¬
mann! Wenn der Wagen von Grenwitz kommt, ſchicke
Er ihn nach der Förſterei. Der Kutſcher ſoll ſich im
Waldhäuschen melden.“
Baumann ſchaute den Enteilenden nach, bis Melitta's
weißes Kleid zwiſchen den Büſchen verſchwunden war.
Wer ihn ſo auf der Schwelle des Hauſes ſtehen
ſah, den alten, hohen Mann, mit dem weißen Bart
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische01_1861/198>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.