Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861.ich möchte mir den Eindruck dieses letzten Gedichtes "Nur dieses Eine müssen Sie mir noch erlauben. "Bitte!" "An einen Maikäfer, der auf dem Rücken lag." O Du Bacchant der lust'gen Maiennacht!Hast Du geschwelget in den Blüthendüften, Hast Du gebadet in den weichen Lüften, Vom Abend bis der neue Tag erwacht? Und hast des Lebens Kürze nicht bedacht? Nicht: wie so bald in dunklen Grabesgrüften Ruhn zarte Knöchel, ach! und üpp'ge Hüften, Und Lippen, die nur eben keck gelacht? Jetzt liegst Du matt auf Deinem Flügelschild. Ich lese stumm in Deinen ernsten Zügen, Und dunkle Runen seh' ich dort geschrieben. Ach! nur ein Taumel war Dein bestes Lieben! Drum, die Du liebtest, mußten Dich betrügen, Des Maies Käfer, falscher Liebe Bild. Die schöne Vorleserin war zu Ende. Da tönte in ich möchte mir den Eindruck dieſes letzten Gedichtes „Nur dieſes Eine müſſen Sie mir noch erlauben. „Bitte!“ „An einen Maikäfer, der auf dem Rücken lag.“ O Du Bacchant der luſt’gen Maiennacht!Haſt Du geſchwelget in den Blüthendüften, Haſt Du gebadet in den weichen Lüften, Vom Abend bis der neue Tag erwacht? Und haſt des Lebens Kürze nicht bedacht? Nicht: wie ſo bald in dunklen Grabesgrüften Ruhn zarte Knöchel, ach! und üpp'ge Hüften, Und Lippen, die nur eben keck gelacht? Jetzt liegſt Du matt auf Deinem Flügelſchild. Ich leſe ſtumm in Deinen ernſten Zügen, Und dunkle Runen ſeh’ ich dort geſchrieben. Ach! nur ein Taumel war Dein beſtes Lieben! Drum, die Du liebteſt, mußten Dich betrügen, Des Maies Käfer, falſcher Liebe Bild. Die ſchöne Vorleſerin war zu Ende. Da tönte in <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0137" n="127"/> ich möchte mir den Eindruck dieſes letzten Gedichtes<lb/> nicht gern verwiſchen laſſen. Was auch noch kommen<lb/> mag, dies war die Grenze des Erreichbaren.“</p><lb/> <p>„Nur dieſes Eine müſſen Sie mir noch erlauben.<lb/> Es bildet mit den beiden andern gleichſam eine Tri¬<lb/> logie, ein Summarium deſſen, was ich den Thieren<lb/> abgelauſcht. Darf ich beginnen?“</p><lb/> <p>„Bitte!“</p><lb/> <lg type="poem"> <head>„<hi rendition="#g">An einen Maikäfer</hi>, <hi rendition="#g">der auf dem Rücken lag</hi>.“</head><lb/> <l>O Du Bacchant der luſt’gen Maiennacht!</l><lb/> <l>Haſt Du geſchwelget in den Blüthendüften,</l><lb/> <l>Haſt Du gebadet in den weichen Lüften,</l><lb/> <l>Vom Abend bis der neue Tag erwacht?</l><lb/> <l>Und haſt des Lebens Kürze nicht bedacht?</l><lb/> <l>Nicht: wie ſo bald in dunklen Grabesgrüften</l><lb/> <l>Ruhn zarte Knöchel, ach! und üpp'ge Hüften,</l><lb/> <l>Und Lippen, die nur eben keck gelacht?</l><lb/> <l>Jetzt liegſt Du matt auf Deinem Flügelſchild.</l><lb/> <l>Ich leſe ſtumm in Deinen ernſten Zügen,</l><lb/> <l>Und dunkle Runen ſeh’ ich dort geſchrieben.</l><lb/> <l>Ach! nur ein Taumel war Dein beſtes Lieben!</l><lb/> <l>Drum, die Du liebteſt, mußten Dich betrügen,</l><lb/> <l>Des Maies Käfer, falſcher Liebe Bild.</l><lb/> </lg> <p>Die ſchöne Vorleſerin war zu Ende. Da tönte in<lb/> das entzückte Schweigen, in welches Oswald verſunken<lb/> ſchien, und Primula jedenfalls verſunken war, das<lb/> Rollen eines Wagens, der denn auch alsbald vor dem<lb/> Hauſe ſtill hielt.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [127/0137]
ich möchte mir den Eindruck dieſes letzten Gedichtes
nicht gern verwiſchen laſſen. Was auch noch kommen
mag, dies war die Grenze des Erreichbaren.“
„Nur dieſes Eine müſſen Sie mir noch erlauben.
Es bildet mit den beiden andern gleichſam eine Tri¬
logie, ein Summarium deſſen, was ich den Thieren
abgelauſcht. Darf ich beginnen?“
„Bitte!“
„An einen Maikäfer, der auf dem Rücken lag.“
O Du Bacchant der luſt’gen Maiennacht!
Haſt Du geſchwelget in den Blüthendüften,
Haſt Du gebadet in den weichen Lüften,
Vom Abend bis der neue Tag erwacht?
Und haſt des Lebens Kürze nicht bedacht?
Nicht: wie ſo bald in dunklen Grabesgrüften
Ruhn zarte Knöchel, ach! und üpp'ge Hüften,
Und Lippen, die nur eben keck gelacht?
Jetzt liegſt Du matt auf Deinem Flügelſchild.
Ich leſe ſtumm in Deinen ernſten Zügen,
Und dunkle Runen ſeh’ ich dort geſchrieben.
Ach! nur ein Taumel war Dein beſtes Lieben!
Drum, die Du liebteſt, mußten Dich betrügen,
Des Maies Käfer, falſcher Liebe Bild.
Die ſchöne Vorleſerin war zu Ende. Da tönte in
das entzückte Schweigen, in welches Oswald verſunken
ſchien, und Primula jedenfalls verſunken war, das
Rollen eines Wagens, der denn auch alsbald vor dem
Hauſe ſtill hielt.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |