war der helle Ton einer Glocke in der Nähe, die langsam elf Uhr schlug. Als der letzte Ton verklungen war, that sich die Hausthür auf, ein Diener trat heraus an den Wagen und hinter ihm wurde die Ge¬ stalt eines alten Herrn sichtbar, dessen runzliches Ge¬ sicht von dem Schein der Kerze, die er mit der einen Hand gegen den Luftzug zu schützen suchte, hell be¬ leuchtet wurde.
Der junge Mann sprang rasch aus dem Wagen auf den alten Herrn zu, der ihm die Rechte entgegen¬ streckte und mit einer Stimme, deren Freundlichkeit das Zittern des Alters und ein etwas ausländischer Accent nicht verhüllten, sagte:
"Seien der Herr Doctor bestens willkommen!" Der junge Mann erwiederte herzlich den Druck der darge¬ botenen welken Hand: "Im komme zwar etwas spät, Herr Baron," sagte er, "aber" --
"Das thut nichts, das thut nichs," unterbrach ihn der alte Herr. Frau von Grenwitz ist noch auf. Johann, tragen Sie die Sachen auf das Zimmer des Herrn Doctor! Wollen Sie hier hereintreten!"
Oswald hatte auf dem mit Steinfliesen ausgelegten Vorsaal seinen Anzug flüchtig geordnet und folgte jetzt dem Baron in ein hohes, schönes Zimmer.
Als er eintrat, erhoben sich zwei Damen, die an
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war der helle Ton einer Glocke in der Nähe, die langſam elf Uhr ſchlug. Als der letzte Ton verklungen war, that ſich die Hausthür auf, ein Diener trat heraus an den Wagen und hinter ihm wurde die Ge¬ ſtalt eines alten Herrn ſichtbar, deſſen runzliches Ge¬ ſicht von dem Schein der Kerze, die er mit der einen Hand gegen den Luftzug zu ſchützen ſuchte, hell be¬ leuchtet wurde.
Der junge Mann ſprang raſch aus dem Wagen auf den alten Herrn zu, der ihm die Rechte entgegen¬ ſtreckte und mit einer Stimme, deren Freundlichkeit das Zittern des Alters und ein etwas ausländiſcher Accent nicht verhüllten, ſagte:
„Seien der Herr Doctor beſtens willkommen!“ Der junge Mann erwiederte herzlich den Druck der darge¬ botenen welken Hand: „Im komme zwar etwas ſpät, Herr Baron,“ ſagte er, „aber“ —
„Das thut nichts, das thut nichs,“ unterbrach ihn der alte Herr. Frau von Grenwitz iſt noch auf. Johann, tragen Sie die Sachen auf das Zimmer des Herrn Doctor! Wollen Sie hier hereintreten!“
Oswald hatte auf dem mit Steinflieſen ausgelegten Vorſaal ſeinen Anzug flüchtig geordnet und folgte jetzt dem Baron in ein hohes, ſchönes Zimmer.
Als er eintrat, erhoben ſich zwei Damen, die an
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war der helle Ton einer Glocke in der Nähe, die
langſam elf Uhr ſchlug. Als der letzte Ton verklungen
war, that ſich die Hausthür auf, ein Diener trat
heraus an den Wagen und hinter ihm wurde die Ge¬
ſtalt eines alten Herrn ſichtbar, deſſen runzliches Ge¬
ſicht von dem Schein der Kerze, die er mit der einen
Hand gegen den Luftzug zu ſchützen ſuchte, hell be¬
leuchtet wurde.
Der junge Mann ſprang raſch aus dem Wagen
auf den alten Herrn zu, der ihm die Rechte entgegen¬
ſtreckte und mit einer Stimme, deren Freundlichkeit das
Zittern des Alters und ein etwas ausländiſcher Accent
nicht verhüllten, ſagte:
„Seien der Herr Doctor beſtens willkommen!“ Der
junge Mann erwiederte herzlich den Druck der darge¬
botenen welken Hand: „Im komme zwar etwas ſpät,
Herr Baron,“ ſagte er, „aber“ —
„Das thut nichts, das thut nichs,“ unterbrach ihn
der alte Herr. Frau von Grenwitz iſt noch auf.
Johann, tragen Sie die Sachen auf das Zimmer des
Herrn Doctor! Wollen Sie hier hereintreten!“
Oswald hatte auf dem mit Steinflieſen ausgelegten
Vorſaal ſeinen Anzug flüchtig geordnet und folgte jetzt
dem Baron in ein hohes, ſchönes Zimmer.
Als er eintrat, erhoben ſich zwei Damen, die an
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische01_1861/13>, abgerufen am 17.02.2025.
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