Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861.einer Anwandlung von Reue, oder aus Caprice, wie "Jedenfalls eignet sich die Geschichte mehr zu einer "Nie! obgleich testamentarisch -- es ist wahrhaftig "Wie lange spielt diese Geschichte nun?" "So ein zwanzig Jahre und darüber." "Da ist doch wohl kaum denkbar, daß die Arme "Es denkt auch Niemand mehr daran," lachte der einer Anwandlung von Reue, oder aus Caprice, wie „Jedenfalls eignet ſich die Geſchichte mehr zu einer „Nie! obgleich teſtamentariſch — es iſt wahrhaftig „Wie lange ſpielt dieſe Geſchichte nun?“ „So ein zwanzig Jahre und darüber.“ „Da iſt doch wohl kaum denkbar, daß die Arme „Es denkt auch Niemand mehr daran,“ lachte der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0119" n="109"/> einer Anwandlung von Reue, oder aus Caprice, wie<lb/> Sie wollen, dem Kinde jener ſeiner Geliebten, gleich¬<lb/> viel ob Knabe oder Mädchen, falls es nur bis zu dem<lb/> und dem beſtimmten Datum geboren iſt, die beiden<lb/> herrlichen Güter, der Dirne ſelbſt aber den Nießbrauch<lb/> des Vermögens auf Lebenszeit vermacht hatte. Wie<lb/> finden Sie das?“</p><lb/> <p>„Jedenfalls eignet ſich die Geſchichte mehr zu einer<lb/> Tragödie, als zu einer Komödie,“ ſagte Oswald. „Und<lb/> hat man nie eine Spur von Mutter und Kind entdeckt?“</p><lb/> <p>„Nie! obgleich teſtamentariſch — es iſt wahrhaftig<lb/> ein wahrer Scandal, und ich bedaure die gnädige Ba¬<lb/> ronin von ganzem Herzen — alljährlich die Verſchollene<lb/> dreimal in ſämmtlichen Blättern der Provinz aufge¬<lb/> fordert wird, ihre Anſprüche geltend zu machen.“</p><lb/> <p>„Wie lange ſpielt dieſe Geſchichte nun?“</p><lb/> <p>„So ein zwanzig Jahre und darüber.“</p><lb/> <p>„Da iſt doch wohl kaum denkbar, daß die Arme<lb/> noch am Leben iſt.“</p><lb/> <p>„Es denkt auch Niemand mehr daran,“ lachte der<lb/> Paſtor, „Grenwitzen's würden auch nicht wenig ver¬<lb/> wundert ſein, wenn plötzlich ſo ein junger Landſtreicher<lb/> ſich als ergebenſter Neffe vorſtellte und die beiden<lb/> Güter und die Zinſen ſeit zwanzig Jahren für ſich<lb/> beanſpruchte, um ſo mehr, als die gnädige Baronin,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [109/0119]
einer Anwandlung von Reue, oder aus Caprice, wie
Sie wollen, dem Kinde jener ſeiner Geliebten, gleich¬
viel ob Knabe oder Mädchen, falls es nur bis zu dem
und dem beſtimmten Datum geboren iſt, die beiden
herrlichen Güter, der Dirne ſelbſt aber den Nießbrauch
des Vermögens auf Lebenszeit vermacht hatte. Wie
finden Sie das?“
„Jedenfalls eignet ſich die Geſchichte mehr zu einer
Tragödie, als zu einer Komödie,“ ſagte Oswald. „Und
hat man nie eine Spur von Mutter und Kind entdeckt?“
„Nie! obgleich teſtamentariſch — es iſt wahrhaftig
ein wahrer Scandal, und ich bedaure die gnädige Ba¬
ronin von ganzem Herzen — alljährlich die Verſchollene
dreimal in ſämmtlichen Blättern der Provinz aufge¬
fordert wird, ihre Anſprüche geltend zu machen.“
„Wie lange ſpielt dieſe Geſchichte nun?“
„So ein zwanzig Jahre und darüber.“
„Da iſt doch wohl kaum denkbar, daß die Arme
noch am Leben iſt.“
„Es denkt auch Niemand mehr daran,“ lachte der
Paſtor, „Grenwitzen's würden auch nicht wenig ver¬
wundert ſein, wenn plötzlich ſo ein junger Landſtreicher
ſich als ergebenſter Neffe vorſtellte und die beiden
Güter und die Zinſen ſeit zwanzig Jahren für ſich
beanſpruchte, um ſo mehr, als die gnädige Baronin,
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