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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861.

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besseren Gebrauch machten, als von der Gelegenheit,
sich allsonntäglich geistige Nahrung zu verschaffen, denn
Oswald fand, als er sich durch eine Seitenthür --
die Hauptthür war verschlossen -- Eingang verschafft
hatte, daß die "andächtigen Zuhörer" aus einigen Kin¬
dern, die wohl zum Confirmandenunterricht gingen und
also ex officio da waren, einigen alten Frauen, die
der langen Gewohnheit bis an's Ende treu bleiben,
und aus einigen Gutsbesitzerfamilien der Nachbarschaft,
die ihren Hörigen ein gutes Beispiel geben wollten,
bestand. Das Innere der Kirche bildete einen mäßig
großen, wohl erhellten, nicht gewölbten Saal, in welchem
Kanzel, Altar und Bänke schicklich vertheilt waren --
Alles sehr neu, sehr zweckmäßig -- und sehr nüchtern.
Da gab es keine kleinen buntbemalten Fensterscheiben,
kein Altarbild, keine pausbäckigen Engel in Bronce
oder Holz, keine Votivtafeln, keine halbverwelkten
Kränze, und wodurch noch sonst der Katholik seinen
gemüthlichen Beziehungen zu der überirdischen Welt,
zu welcher ihm die Kirche eine Vorhalle ist, einen Aus¬
druck zu verschaffen sucht. Das einzig Poetische in
der Kirche waren die Schatten der Linden vor den
Fenstern, die auf der hellen gegenüberstehenden Wand
hin und her wogten, und die breiten Lichtstreifen, die
schräg durch den Raum fielen und der Phantasie eine

beſſeren Gebrauch machten, als von der Gelegenheit,
ſich allſonntäglich geiſtige Nahrung zu verſchaffen, denn
Oswald fand, als er ſich durch eine Seitenthür —
die Hauptthür war verſchloſſen — Eingang verſchafft
hatte, daß die „andächtigen Zuhörer“ aus einigen Kin¬
dern, die wohl zum Confirmandenunterricht gingen und
alſo ex officio da waren, einigen alten Frauen, die
der langen Gewohnheit bis an's Ende treu bleiben,
und aus einigen Gutsbeſitzerfamilien der Nachbarſchaft,
die ihren Hörigen ein gutes Beiſpiel geben wollten,
beſtand. Das Innere der Kirche bildete einen mäßig
großen, wohl erhellten, nicht gewölbten Saal, in welchem
Kanzel, Altar und Bänke ſchicklich vertheilt waren —
Alles ſehr neu, ſehr zweckmäßig — und ſehr nüchtern.
Da gab es keine kleinen buntbemalten Fenſterſcheiben,
kein Altarbild, keine pausbäckigen Engel in Bronce
oder Holz, keine Votivtafeln, keine halbverwelkten
Kränze, und wodurch noch ſonſt der Katholik ſeinen
gemüthlichen Beziehungen zu der überirdiſchen Welt,
zu welcher ihm die Kirche eine Vorhalle iſt, einen Aus¬
druck zu verſchaffen ſucht. Das einzig Poetiſche in
der Kirche waren die Schatten der Linden vor den
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[95/0105] beſſeren Gebrauch machten, als von der Gelegenheit, ſich allſonntäglich geiſtige Nahrung zu verſchaffen, denn Oswald fand, als er ſich durch eine Seitenthür — die Hauptthür war verſchloſſen — Eingang verſchafft hatte, daß die „andächtigen Zuhörer“ aus einigen Kin¬ dern, die wohl zum Confirmandenunterricht gingen und alſo ex officio da waren, einigen alten Frauen, die der langen Gewohnheit bis an's Ende treu bleiben, und aus einigen Gutsbeſitzerfamilien der Nachbarſchaft, die ihren Hörigen ein gutes Beiſpiel geben wollten, beſtand. Das Innere der Kirche bildete einen mäßig großen, wohl erhellten, nicht gewölbten Saal, in welchem Kanzel, Altar und Bänke ſchicklich vertheilt waren — Alles ſehr neu, ſehr zweckmäßig — und ſehr nüchtern. Da gab es keine kleinen buntbemalten Fenſterſcheiben, kein Altarbild, keine pausbäckigen Engel in Bronce oder Holz, keine Votivtafeln, keine halbverwelkten Kränze, und wodurch noch ſonſt der Katholik ſeinen gemüthlichen Beziehungen zu der überirdiſchen Welt, zu welcher ihm die Kirche eine Vorhalle iſt, einen Aus¬ druck zu verſchaffen ſucht. Das einzig Poetiſche in der Kirche waren die Schatten der Linden vor den Fenſtern, die auf der hellen gegenüberſtehenden Wand hin und her wogten, und die breiten Lichtſtreifen, die ſchräg durch den Raum fielen und der Phantaſie eine

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Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische01_1861/105>, abgerufen am 28.11.2024.