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Spener, Philipp Jakob: Natur und Gnade. Frankfurt (Main), 1687.

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in viel andre wege/ da es jammer ist. Und so
ihm dieses entzogen wird/ so suchet er einen
andern vorwurff/ darauff er mit lust ruhet.

Wer nun diesen falschen grund verstehen
und erkennen wil/ der soll sich an diese hier
nachfolgende lehre halten/ und so dann
GOtt will/ und ihm zeit düncket/ so offen-
bahret er demselben diesen grund etc.

Jtem Medulla Animae cap. XI. p. 37.

Nun sind etliche menschen von ihrer wol-
geordinirten complexion/ von so gütiger/
herrlicher/ stiller natur/ daß sie mit minde-
rer gnaden im leyden gelassen und gedultig
seyn; dann die elementen sind in ihnen
wohl geordnet/ das blut ist in ihnen ge-
lassen/ die zornigliche krafft ist stille und ru-
hig; und hierum mögen sie leichtlich ohne
arbeit gegen alle/ und mit allen menschen
einen gelassenen friedsamen wandel haben.
Diß ist löblich und gut. Aber es ist für
GOtt keines grossen lohns werth/ es sey
dann/ daß es mit reicher gnade über güldet
werde/ denn es ist nur eine weibliche gelas-
senheit. Ein guter mensch soll eine mannli-
che gelassenheit haben/ und die ist höherer see-
ligkeit werth/ nemlich/ wann die mannliche

redlig-
Q 4

in viel andre wege/ da es jammer iſt. Und ſo
ihm dieſes entzogen wird/ ſo ſuchet er einen
andern vorwurff/ darauff er mit luſt ruhet.

Wer nun dieſen falſchen grund verſtehen
und erkennen wil/ der ſoll ſich an dieſe hier
nachfolgende lehre halten/ und ſo dann
GOtt will/ und ihm zeit düncket/ ſo offen-
bahret er demſelben dieſen grund ꝛc.

Jtem Medulla Animæ cap. XI. p. 37.

Nun ſind etliche menſchen von ihrer wol-
geordinirten complexion/ von ſo gütiger/
herrlicher/ ſtiller natur/ daß ſie mit minde-
rer gnaden im leyden gelaſſen und gedultig
ſeyn; dann die elementen ſind in ihnen
wohl geordnet/ das blut iſt in ihnen ge-
laſſen/ die zornigliche krafft iſt ſtille und ru-
hig; und hierum moͤgen ſie leichtlich ohne
arbeit gegen alle/ und mit allen menſchen
einen gelaſſenen friedſamen wandel haben.
Diß iſt loͤblich und gut. Aber es iſt für
GOtt keines groſſen lohns werth/ es ſey
dann/ daß es mit reicher gnade über güldet
werde/ denn es iſt nur eine weibliche gelaſ-
ſenheit. Ein guter menſch ſoll eine mannli-
che gelaſſenheit haben/ und die iſt hoͤhereꝛ ſee-
ligkeit werth/ nemlich/ wann die mannliche

redlig-
Q 4
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[367/0429] in viel andre wege/ da es jammer iſt. Und ſo ihm dieſes entzogen wird/ ſo ſuchet er einen andern vorwurff/ darauff er mit luſt ruhet. Wer nun dieſen falſchen grund verſtehen und erkennen wil/ der ſoll ſich an dieſe hier nachfolgende lehre halten/ und ſo dann GOtt will/ und ihm zeit düncket/ ſo offen- bahret er demſelben dieſen grund ꝛc. Jtem Medulla Animæ cap. XI. p. 37. Nun ſind etliche menſchen von ihrer wol- geordinirten complexion/ von ſo gütiger/ herrlicher/ ſtiller natur/ daß ſie mit minde- rer gnaden im leyden gelaſſen und gedultig ſeyn; dann die elementen ſind in ihnen wohl geordnet/ das blut iſt in ihnen ge- laſſen/ die zornigliche krafft iſt ſtille und ru- hig; und hierum moͤgen ſie leichtlich ohne arbeit gegen alle/ und mit allen menſchen einen gelaſſenen friedſamen wandel haben. Diß iſt loͤblich und gut. Aber es iſt für GOtt keines groſſen lohns werth/ es ſey dann/ daß es mit reicher gnade über güldet werde/ denn es iſt nur eine weibliche gelaſ- ſenheit. Ein guter menſch ſoll eine mannli- che gelaſſenheit haben/ und die iſt hoͤhereꝛ ſee- ligkeit werth/ nemlich/ wann die mannliche redlig- Q 4

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Natur und Gnade. Frankfurt (Main), 1687, S. 367. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_natur_1687/429>, abgerufen am 14.06.2024.