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Spener, Philipp Jakob: Natur und Gnade. Frankfurt (Main), 1687.

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fortkommen könne/ hingegen ohne dieselbe
stecken bliebe/ und also wo er warhafftig
unser bedürfftig ist/ ob uns wohl etwas da-
bey abgehet: sonderlich wo wir auch keine
ehre und ruhm davon zu erwarten haben.
Alle diese anmerckungen geschehen deswe-
gen/ weil uns unser hertz abermal hierinnen
betriegen könte/ eine natürliche liebe vor eine
Göttliche zu achten/ wie denn solches in dem
leben sehr gemein ist. Es thut die blosse na-
türliche liebe dem geliebten auch gutes/ aber
ins gemein suchet sie dabey das ihrige/ und
nicht auffrichtig allein was des nechsten ist:
man hat seine heimlichere oder offenbahre/
subtilere oder gröbere/ eigne absichten da-
bey/ dero man kaum gewahr wird/ wo man
nicht mit grossem fleiß auff sich selbsten acht
giebet/ und sein hertz forschet. Also wie-
derum ists so schwer nicht/ daß man dem
nechsten einiges gefallen erzeige in den jeni-
gen dingen/ welche leicht sind/ und weder
kosten noch mühe erfordern/ sondern da mag
auch eine natürliche gütigkett vieles zu wege
bringen/ die aber nicht ausreicht/ wo es dien-
ste betrift/ die von mehrerer wichtigkeit sind/
und da man sich selbs oder an dem seinigen
starck angreiffen/ und etwas des seinigen

son-

fortkommen koͤnne/ hingegen ohne dieſelbe
ſtecken bliebe/ und alſo wo er warhafftig
unſer bedürfftig iſt/ ob uns wohl etwas da-
bey abgehet: ſonderlich wo wir auch keine
ehre und ruhm davon zu erwarten haben.
Alle dieſe anmerckungen geſchehen deswe-
gen/ weil uns unſer hertz abermal hierinnen
betriegen koͤnte/ eine natürliche liebe voꝛ eine
Goͤttliche zu achten/ wie denn ſolches in dem
leben ſehr gemein iſt. Es thut die bloſſe na-
türliche liebe dem geliebten auch gutes/ aber
ins gemein ſuchet ſie dabey das ihrige/ und
nicht auffrichtig allein was des nechſten iſt:
man hat ſeine heimlichere oder offenbahre/
ſubtilere oder groͤbere/ eigne abſichten da-
bey/ dero man kaum gewahr wird/ wo man
nicht mit groſſem fleiß auff ſich ſelbſten acht
giebet/ und ſein hertz forſchet. Alſo wie-
derum iſts ſo ſchwer nicht/ daß man dem
nechſten einiges gefallen erzeige in den jeni-
gen dingen/ welche leicht ſind/ und weder
koſten noch mühe erfordern/ ſondern da mag
auch eine natürliche gütigkett vieles zu wege
bringen/ die aber nicht ausreicht/ wo es dien-
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[143/0205] fortkommen koͤnne/ hingegen ohne dieſelbe ſtecken bliebe/ und alſo wo er warhafftig unſer bedürfftig iſt/ ob uns wohl etwas da- bey abgehet: ſonderlich wo wir auch keine ehre und ruhm davon zu erwarten haben. Alle dieſe anmerckungen geſchehen deswe- gen/ weil uns unſer hertz abermal hierinnen betriegen koͤnte/ eine natürliche liebe voꝛ eine Goͤttliche zu achten/ wie denn ſolches in dem leben ſehr gemein iſt. Es thut die bloſſe na- türliche liebe dem geliebten auch gutes/ aber ins gemein ſuchet ſie dabey das ihrige/ und nicht auffrichtig allein was des nechſten iſt: man hat ſeine heimlichere oder offenbahre/ ſubtilere oder groͤbere/ eigne abſichten da- bey/ dero man kaum gewahr wird/ wo man nicht mit groſſem fleiß auff ſich ſelbſten acht giebet/ und ſein hertz forſchet. Alſo wie- derum iſts ſo ſchwer nicht/ daß man dem nechſten einiges gefallen erzeige in den jeni- gen dingen/ welche leicht ſind/ und weder koſten noch mühe erfordern/ ſondern da mag auch eine natürliche gütigkett vieles zu wege bringen/ die aber nicht ausreicht/ wo es dien- ſte betrift/ die von mehrerer wichtigkeit ſind/ und da man ſich ſelbs oder an dem ſeinigen ſtarck angreiffen/ und etwas des ſeinigen ſon-

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Natur und Gnade. Frankfurt (Main), 1687, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_natur_1687/205>, abgerufen am 17.05.2024.