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Spener, Philipp Jakob: Natur und Gnade. Frankfurt (Main), 1687.

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und vereinigung mit ihm ihre höchste stuffe
erreiche/ davon sie hier noch das fleisch ab-
gehalten hatte. Da heissets mit Paulo
Phil. 1/ 23. Jch habe lust abzuscheiden
und bey Christo zu seyn/
also am innig-
sten mit ihm vereinigt zu werden. Jndes-
sen ist nicht alle begierde/ aus dieser zeit ab-
zuscheiden/ Göttlich und heilig; sondern
manche ist offt mit gröberer oder subtilerer
art sündlich und fleischlich. Nemlich wo
der mensch verlangt aus der welt zu gehen/
wegen allerley leidens/ so ihn hier in dem le-
ben betrifft/ sonderlich wo er etwa ein ley-
den vor sich hat/ von dem er in der zeit keine
erlösung vor sich sihet/ oder wo er die art des
menschlichen lebens ins gemein also anzu-
sehen angefangen/ daß er gewahr wird/ wie
eitel alles seye/ wie so gar keine vergnügung
sich in einigem irrdischen finde/ und auch die
grösseste glückseligkeit vor unglücklich ge-
achtet werden könne/ so dann/ daß auffs we-
nigste niemand seiner vermeynten glückse-
ligkeit sich auch nur eine kurtze zeit versichern
könte. Wie dann/ wo ein gemüth den zu-
stand dieser zeit recht gelernet einzusehen/
und sonderlich/ wann die leyden so viel stär-
cker ansetzen/ nichts gemeiners ist/ als daß

auch

und vereinigung mit ihm ihre hoͤchſte ſtuffe
erreiche/ davon ſie hier noch das fleiſch ab-
gehalten hatte. Da heiſſets mit Paulo
Phil. 1/ 23. Jch habe luſt abzuſcheiden
und bey Chriſto zu ſeyn/
alſo am innig-
ſten mit ihm vereinigt zu werden. Jndeſ-
ſen iſt nicht alle begierde/ aus dieſer zeit ab-
zuſcheiden/ Goͤttlich und heilig; ſondern
manche iſt offt mit groͤberer oder ſubtilerer
art ſündlich und fleiſchlich. Nemlich wo
der menſch verlangt aus der welt zu gehen/
wegen allerley leidens/ ſo ihn hier in dem le-
ben betrifft/ ſonderlich wo er etwa ein ley-
den vor ſich hat/ von dem er in der zeit keine
erloͤſung vor ſich ſihet/ oder wo er die art des
menſchlichen lebens ins gemein alſo anzu-
ſehen angefangen/ daß er gewahr wird/ wie
eitel alles ſeye/ wie ſo gar keine vergnügung
ſich in einigem irrdiſchen finde/ und auch die
groͤſſeſte glückſeligkeit vor unglücklich ge-
achtet werden koͤnne/ ſo dann/ daß auffs we-
nigſte niemand ſeiner vermeynten glückſe-
ligkeit ſich auch nur eine kurtze zeit verſicheꝛn
koͤnte. Wie dann/ wo ein gemüth den zu-
ſtand dieſer zeit recht gelernet einzuſehen/
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[117/0179] und vereinigung mit ihm ihre hoͤchſte ſtuffe erreiche/ davon ſie hier noch das fleiſch ab- gehalten hatte. Da heiſſets mit Paulo Phil. 1/ 23. Jch habe luſt abzuſcheiden und bey Chriſto zu ſeyn/ alſo am innig- ſten mit ihm vereinigt zu werden. Jndeſ- ſen iſt nicht alle begierde/ aus dieſer zeit ab- zuſcheiden/ Goͤttlich und heilig; ſondern manche iſt offt mit groͤberer oder ſubtilerer art ſündlich und fleiſchlich. Nemlich wo der menſch verlangt aus der welt zu gehen/ wegen allerley leidens/ ſo ihn hier in dem le- ben betrifft/ ſonderlich wo er etwa ein ley- den vor ſich hat/ von dem er in der zeit keine erloͤſung vor ſich ſihet/ oder wo er die art des menſchlichen lebens ins gemein alſo anzu- ſehen angefangen/ daß er gewahr wird/ wie eitel alles ſeye/ wie ſo gar keine vergnügung ſich in einigem irrdiſchen finde/ und auch die groͤſſeſte glückſeligkeit vor unglücklich ge- achtet werden koͤnne/ ſo dann/ daß auffs we- nigſte niemand ſeiner vermeynten glückſe- ligkeit ſich auch nur eine kurtze zeit verſicheꝛn koͤnte. Wie dann/ wo ein gemüth den zu- ſtand dieſer zeit recht gelernet einzuſehen/ und ſonderlich/ wann die leyden ſo viel ſtaͤr- cker anſetzen/ nichts gemeiners iſt/ als daß auch

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Natur und Gnade. Frankfurt (Main), 1687, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_natur_1687/179>, abgerufen am 17.05.2024.