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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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Das siebende Capitel.
tenden collegiorum, als wir insgemein in fremden sprachen zu kommen
pflegen: doch leugne ich nicht, daß das lateinische beten mir niemal also
von hertzen wollen, als das teutsche, und möchte mich leicht ein wort, einer
observationis Grammaticae oder philologicae erinnern, daß mich die ge-
dancken so bald von dem, was der haupt-zweck ist, abführten. Dergleichen
sorge ich auch in den andern sprachen zu geschehen. Aufs wenigste würden
deren allezeit vielmehrere seyn, welche eine hindernüß als fördernüß darin-
nen finden möchten. Jedoch wolte ich niemand wehren, der in seinem ge-
bet vor GOTT stehet, und sein hertz vor demselben ausschüttet (so ich alle-
zeit vor kräfftiger halte, wo es nicht eben conceptis formulis aus dem buch
hergelesen wird, sondern aus dem hertzen allein gehet) wo in demselben die
nachtrücklichere wort dadurch er sich in seinem glauben gestärckt zu werden
fühlet, ihm einfallen, sich derselben zu gebrauchen, weil ers vor GOTT
zu thun hat, dem alle wort und sprachen gleich sind, aller unterschied aber
allein darinn stehen möchte, wodurch der beter selbs mehr zur inbrünstigkeit
und glauben angezündet würde. Wo alsdann jeglicher auf diese weise sein
gebet anstellet, wie er in eigener erfahrung es ihm dienlich zu seyn befindet.
Dieses sind also meine wenige gedancken, die ich in brüderlicher frey-
heit habe hiermit aufverlangen communiciren wollen, der guten versiche-
rung, daß solche wol aufgenommen werden werden. Zweiffele im übrigen
nicht, mein vielgeliebter bruder, wie er seine hertzliche forge für anderer
erbauung zu erkennen giebet, da er gern auch bey anderen dieselbe befördern
möchte, lasse sich nicht weniger, sondern so viel ernstlicher, angelegen seyn,
die eigene anvertraute gemeinde öffentlich und absonderlich, wie jegliches
nothdurfft erfordert, zu weiden, daß er aus deroselben an jenem tag alle
die jenige, die die arbeit nicht an sich lassen vergebens seyn, und muthwillig
verstossen, und verachten, seinem HErrn und Ertzhirten unserem liebsten
heyland JEsu darstellen möge, als die durch seinen dienst zu der von ihm
mit seinem theuren blut erworbener güter wircklicher gemeinschafft und zu
dem leben gebracht worden seyn. Wie wir dann solchen unsern heerden
zum allerfördersten alles, was in unserem vermögen ist, schuldig sind, und
nachmals erst, was wir noch übrig haben, zu andern sonsten nützlichen ar-
beiten anwenden mögen, damit wir als treue knechte in die freude un-
sers HErrn einziehen, und also uns selbs und die uns hören selig machen.
SECT.
Das ſiebende Capitel.
tenden collegiorum, als wir insgemein in fremden ſprachen zu kommen
pflegen: doch leugne ich nicht, daß das lateiniſche beten mir niemal alſo
von hertzen wollen, als das teutſche, und moͤchte mich leicht ein wort, einer
obſervationis Grammaticæ oder philologicæ erinnern, daß mich die ge-
dancken ſo bald von dem, was der haupt-zweck iſt, abfuͤhrten. Dergleichen
ſorge ich auch in den andern ſprachen zu geſchehen. Aufs wenigſte wuͤrden
deren allezeit vielmehrere ſeyn, welche eine hindernuͤß als foͤrdernuͤß darin-
nen finden moͤchten. Jedoch wolte ich niemand wehren, der in ſeinem ge-
bet vor GOTT ſtehet, und ſein hertz vor demſelben ausſchuͤttet (ſo ich alle-
zeit vor kraͤfftiger halte, wo es nicht eben conceptis formulis aus dem buch
hergeleſen wird, ſondern aus dem hertzen allein gehet) wo in demſelben die
nachtruͤcklichere wort dadurch er ſich in ſeinem glauben geſtaͤrckt zu werden
fuͤhlet, ihm einfallen, ſich derſelben zu gebrauchen, weil ers vor GOTT
zu thun hat, dem alle wort und ſprachen gleich ſind, aller unterſchied aber
allein darinn ſtehen moͤchte, wodurch der beter ſelbs mehr zur inbruͤnſtigkeit
und glauben angezuͤndet wuͤrde. Wo alsdann jeglicher auf dieſe weiſe ſein
gebet anſtellet, wie er in eigener erfahrung es ihm dienlich zu ſeyn befindet.
Dieſes ſind alſo meine wenige gedancken, die ich in bruͤderlicher frey-
heit habe hiermit aufverlangen communiciren wollen, der guten verſiche-
rung, daß ſolche wol aufgenommen werden werden. Zweiffele im uͤbrigen
nicht, mein vielgeliebter bruder, wie er ſeine hertzliche forge fuͤr anderer
erbauung zu erkennen giebet, da er gern auch bey anderen dieſelbe befoͤrdern
moͤchte, laſſe ſich nicht weniger, ſondern ſo viel ernſtlicher, angelegen ſeyn,
die eigene anvertraute gemeinde oͤffentlich und abſonderlich, wie jegliches
nothdurfft erfordert, zu weiden, daß er aus deroſelben an jenem tag alle
die jenige, die die arbeit nicht an ſich laſſen vergebens ſeyn, und muthwillig
verſtoſſen, und verachten, ſeinem HErrn und Ertzhirten unſerem liebſten
heyland JEſu darſtellen moͤge, als die durch ſeinen dienſt zu der von ihm
mit ſeinem theuren blut erworbener guͤter wircklicher gemeinſchafft und zu
dem leben gebracht worden ſeyn. Wie wir dann ſolchen unſern heerden
zum allerfoͤrderſten alles, was in unſerem vermoͤgen iſt, ſchuldig ſind, und
nachmals erſt, was wir noch uͤbrig haben, zu andern ſonſten nuͤtzlichen ar-
beiten anwenden moͤgen, damit wir als treue knechte in die freude un-
ſers HErrn einziehen, und alſo uns ſelbs und die uns hoͤren ſelig machen.
SECT.
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[82/0094] Das ſiebende Capitel. tenden collegiorum, als wir insgemein in fremden ſprachen zu kommen pflegen: doch leugne ich nicht, daß das lateiniſche beten mir niemal alſo von hertzen wollen, als das teutſche, und moͤchte mich leicht ein wort, einer obſervationis Grammaticæ oder philologicæ erinnern, daß mich die ge- dancken ſo bald von dem, was der haupt-zweck iſt, abfuͤhrten. Dergleichen ſorge ich auch in den andern ſprachen zu geſchehen. Aufs wenigſte wuͤrden deren allezeit vielmehrere ſeyn, welche eine hindernuͤß als foͤrdernuͤß darin- nen finden moͤchten. Jedoch wolte ich niemand wehren, der in ſeinem ge- bet vor GOTT ſtehet, und ſein hertz vor demſelben ausſchuͤttet (ſo ich alle- zeit vor kraͤfftiger halte, wo es nicht eben conceptis formulis aus dem buch hergeleſen wird, ſondern aus dem hertzen allein gehet) wo in demſelben die nachtruͤcklichere wort dadurch er ſich in ſeinem glauben geſtaͤrckt zu werden fuͤhlet, ihm einfallen, ſich derſelben zu gebrauchen, weil ers vor GOTT zu thun hat, dem alle wort und ſprachen gleich ſind, aller unterſchied aber allein darinn ſtehen moͤchte, wodurch der beter ſelbs mehr zur inbruͤnſtigkeit und glauben angezuͤndet wuͤrde. Wo alsdann jeglicher auf dieſe weiſe ſein gebet anſtellet, wie er in eigener erfahrung es ihm dienlich zu ſeyn befindet. Dieſes ſind alſo meine wenige gedancken, die ich in bruͤderlicher frey- heit habe hiermit aufverlangen communiciren wollen, der guten verſiche- rung, daß ſolche wol aufgenommen werden werden. Zweiffele im uͤbrigen nicht, mein vielgeliebter bruder, wie er ſeine hertzliche forge fuͤr anderer erbauung zu erkennen giebet, da er gern auch bey anderen dieſelbe befoͤrdern moͤchte, laſſe ſich nicht weniger, ſondern ſo viel ernſtlicher, angelegen ſeyn, die eigene anvertraute gemeinde oͤffentlich und abſonderlich, wie jegliches nothdurfft erfordert, zu weiden, daß er aus deroſelben an jenem tag alle die jenige, die die arbeit nicht an ſich laſſen vergebens ſeyn, und muthwillig verſtoſſen, und verachten, ſeinem HErrn und Ertzhirten unſerem liebſten heyland JEſu darſtellen moͤge, als die durch ſeinen dienſt zu der von ihm mit ſeinem theuren blut erworbener guͤter wircklicher gemeinſchafft und zu dem leben gebracht worden ſeyn. Wie wir dann ſolchen unſern heerden zum allerfoͤrderſten alles, was in unſerem vermoͤgen iſt, ſchuldig ſind, und nachmals erſt, was wir noch uͤbrig haben, zu andern ſonſten nuͤtzlichen ar- beiten anwenden moͤgen, damit wir als treue knechte in die freude un- ſers HErrn einziehen, und alſo uns ſelbs und die uns hoͤren ſelig machen. 1680. SECT.

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/94>, abgerufen am 07.05.2024.