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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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Statius dieselbe ausgelassen hat. Jndessen richtet sich auch anders, so Statius aus
ihm behalten, nach dieser meinung, und muß also mit grosser behutsamkeit verstan-
den werden. Weil es einmal müglich, daß ein mensch die göttliche gnade und den
glauben durch seine boßheit gäntzlich verliehren könne, und also er zwar alsdenn der
vorigen gnade wiederum erinnert, aber nachdem das hertz hart, eben so wol wie bey
dem erstbekehrenden durch die vorstellung göttlichen zorns muß erstlich zur buß ge-
bracht und nachmal zu dem glauben wiedergeführet werden. Wo dieses recht in
acht genommen wird, zeiget sich bald, wie jegliche redens-art des lieben Praetorii
(dem wir gern, wie andern heiligen GOttes, auch seinen verstoß zu gut halten.)
recht zu richtigen verstand zu erklären seye. 2. Wolte ich nicht sagen, daß der Sa-
tan gottselige hertzen nicht gern anfechte. Zwar ists wol an dem, daß seine an-
fechtung kindern GOttes aus dero vaters gnade mehr nützlich als schädlich seye,
aber solches begreifft der satan damal nicht, sondern sein haß gegen die menschen
ist so groß, daß wo er denselben gegen jemand, sonderlich kinder GOTTES, aus-
zuüben, nur die erlaubnüß hat, er sich derselben stracks gebraucht, ohn angesehen
ob er wol seinem reich als ein unsinniger schaden thut. Also hat er auch CHristi
tod, der doch sein tod wurde, gantz gern und mit grosser begierde befördert, in sei-
ner boßheit nicht warnehmende, was er sich selbst schadete. Denn wo wir sagen
wolten, er thäte es nicht gern, daß er kinder GOttes anfechte, so müste GOTT
seyn, der ihn dazu antreibe, so wir aber nicht sagen können, weil solche anfechtun-
gen, insgemein in sich etwas sündliches haben, so GOTT nicht selbs wircken, o-
der den Satan dazu treiben kan. Also bedarff es nur, daß GOtt dem satan ver-
hängnüß gebe, sich an seine kinder zu machen, so übet er alle seine boßheit, als viel er
darff, und bedencket nicht den schaden, den er seinem reich selbs thut. 3. Von
CHristo können wir nicht sagen, daß er als GOTT und Mensch zur rechten GOt-
tes erhöhet seye. Denn die regierung des HErrn mit dem himmlischen vater, die in
solchem sitzen stecket, kommet freylich CHristi beiden Naturen zu, aber das erhöhet
werden, und also das sitzen selbs gehöret eigentlich der menschheit/ massen die gott-
heit nicht erhöhet werden kan, und ist die rechte des vaters selbs. 4. Die worte:
Jch bin also durch solche gnädige einwohnung, und durch die vereini-
gung beyder naturen in CHristo, auch der göttlichen natur theilhafftig,

werden wol einiger massen einiger besserung nöthig haben. Es ist zwar an dem, daß
etzliche lehrer die theilhaftigkeit der göttlichen natur allein von der göttlichen ein-
wohnung verstehen, da ich aber die vereinigung der beyden naturen in CHristo,
welche in demselben bleibet, alsdann dazu nicht ziehen könte, ich wolte es dann also
verstehen, daß die beyde naturen in CHristo, auch mit mir vereinigt wären, da es
seinen guten verstand hätte. Viel kräfftiger aber halte ich die erklärung, daß wir
also göttlicher natur theilhafftig seyn, daß eine göttliche art und natur in uns durch
den Heil. geist in der wiedergeburt gewircket werde, da alsdenn GOTT sich mit

sol-
IV. Theil. q q q q

ARTIC. V. SECTIO LIIX.
Statius dieſelbe ausgelaſſen hat. Jndeſſen richtet ſich auch anders, ſo Statius aus
ihm behalten, nach dieſer meinung, und muß alſo mit groſſer behutſamkeit verſtan-
den werden. Weil es einmal muͤglich, daß ein menſch die goͤttliche gnade und den
glauben durch ſeine boßheit gaͤntzlich verliehren koͤnne, und alſo er zwar alsdenn der
vorigen gnade wiederum erinnert, aber nachdem das hertz hart, eben ſo wol wie bey
dem erſtbekehrenden durch die vorſtellung goͤttlichen zorns muß erſtlich zur buß ge-
bracht und nachmal zu dem glauben wiedergefuͤhret werden. Wo dieſes recht in
acht genommen wird, zeiget ſich bald, wie jegliche redens-art des lieben Prætorii
(dem wir gern, wie andern heiligen GOttes, auch ſeinen verſtoß zu gut halten.)
recht zu richtigen verſtand zu erklaͤren ſeye. 2. Wolte ich nicht ſagen, daß der Sa-
tan gottſelige hertzen nicht gern anfechte. Zwar iſts wol an dem, daß ſeine an-
fechtung kindern GOttes aus dero vaters gnade mehr nuͤtzlich als ſchaͤdlich ſeye,
aber ſolches begreifft der ſatan damal nicht, ſondern ſein haß gegen die menſchen
iſt ſo groß, daß wo er denſelben gegen jemand, ſonderlich kinder GOTTES, aus-
zuuͤben, nur die erlaubnuͤß hat, er ſich derſelben ſtracks gebraucht, ohn angeſehen
ob er wol ſeinem reich als ein unſinniger ſchaden thut. Alſo hat er auch CHriſti
tod, der doch ſein tod wurde, gantz gern und mit groſſer begierde befoͤrdert, in ſei-
ner boßheit nicht warnehmende, was er ſich ſelbſt ſchadete. Denn wo wir ſagen
wolten, er thaͤte es nicht gern, daß er kinder GOttes anfechte, ſo muͤſte GOTT
ſeyn, der ihn dazu antreibe, ſo wir aber nicht ſagen koͤnnen, weil ſolche anfechtun-
gen, insgemein in ſich etwas ſuͤndliches haben, ſo GOTT nicht ſelbs wircken, o-
der den Satan dazu treiben kan. Alſo bedarff es nur, daß GOtt dem ſatan ver-
haͤngnuͤß gebe, ſich an ſeine kinder zu machen, ſo uͤbet er alle ſeine boßheit, als viel er
darff, und bedencket nicht den ſchaden, den er ſeinem reich ſelbs thut. 3. Von
CHriſto koͤnnen wir nicht ſagen, daß er als GOTT und Menſch zur rechten GOt-
tes erhoͤhet ſeye. Denn die regierung des HErrn mit dem himmliſchen vater, die in
ſolchem ſitzen ſtecket, kommet freylich CHriſti beiden Naturen zu, aber das erhoͤhet
werden, und alſo das ſitzen ſelbs gehoͤret eigentlich der menſchheit/ maſſen die gott-
heit nicht erhoͤhet werden kan, und iſt die rechte des vaters ſelbs. 4. Die worte:
Jch bin alſo durch ſolche gnaͤdige einwohnung, und durch die vereini-
gung beyder naturen in CHriſto, auch der goͤttlichen natur theilhafftig,

werden wol einiger maſſen einiger beſſerung noͤthig haben. Es iſt zwar an dem, daß
etzliche lehrer die theilhaftigkeit der goͤttlichen natur allein von der goͤttlichen ein-
wohnung verſtehen, da ich aber die vereinigung der beyden naturen in CHriſto,
welche in demſelben bleibet, alsdann dazu nicht ziehen koͤnte, ich wolte es dann alſo
verſtehen, daß die beyde naturen in CHriſto, auch mit mir vereinigt waͤren, da es
ſeinen guten verſtand haͤtte. Viel kraͤfftiger aber halte ich die erklaͤrung, daß wir
alſo goͤttlicher natur theilhafftig ſeyn, daß eine goͤttliche art und natur in uns durch
den Heil. geiſt in der wiedergeburt gewircket werde, da alsdenn GOTT ſich mit

ſol-
IV. Theil. q q q q
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[673/0685] ARTIC. V. SECTIO LIIX. Statius dieſelbe ausgelaſſen hat. Jndeſſen richtet ſich auch anders, ſo Statius aus ihm behalten, nach dieſer meinung, und muß alſo mit groſſer behutſamkeit verſtan- den werden. Weil es einmal muͤglich, daß ein menſch die goͤttliche gnade und den glauben durch ſeine boßheit gaͤntzlich verliehren koͤnne, und alſo er zwar alsdenn der vorigen gnade wiederum erinnert, aber nachdem das hertz hart, eben ſo wol wie bey dem erſtbekehrenden durch die vorſtellung goͤttlichen zorns muß erſtlich zur buß ge- bracht und nachmal zu dem glauben wiedergefuͤhret werden. Wo dieſes recht in acht genommen wird, zeiget ſich bald, wie jegliche redens-art des lieben Prætorii (dem wir gern, wie andern heiligen GOttes, auch ſeinen verſtoß zu gut halten.) recht zu richtigen verſtand zu erklaͤren ſeye. 2. Wolte ich nicht ſagen, daß der Sa- tan gottſelige hertzen nicht gern anfechte. Zwar iſts wol an dem, daß ſeine an- fechtung kindern GOttes aus dero vaters gnade mehr nuͤtzlich als ſchaͤdlich ſeye, aber ſolches begreifft der ſatan damal nicht, ſondern ſein haß gegen die menſchen iſt ſo groß, daß wo er denſelben gegen jemand, ſonderlich kinder GOTTES, aus- zuuͤben, nur die erlaubnuͤß hat, er ſich derſelben ſtracks gebraucht, ohn angeſehen ob er wol ſeinem reich als ein unſinniger ſchaden thut. Alſo hat er auch CHriſti tod, der doch ſein tod wurde, gantz gern und mit groſſer begierde befoͤrdert, in ſei- ner boßheit nicht warnehmende, was er ſich ſelbſt ſchadete. Denn wo wir ſagen wolten, er thaͤte es nicht gern, daß er kinder GOttes anfechte, ſo muͤſte GOTT ſeyn, der ihn dazu antreibe, ſo wir aber nicht ſagen koͤnnen, weil ſolche anfechtun- gen, insgemein in ſich etwas ſuͤndliches haben, ſo GOTT nicht ſelbs wircken, o- der den Satan dazu treiben kan. Alſo bedarff es nur, daß GOtt dem ſatan ver- haͤngnuͤß gebe, ſich an ſeine kinder zu machen, ſo uͤbet er alle ſeine boßheit, als viel er darff, und bedencket nicht den ſchaden, den er ſeinem reich ſelbs thut. 3. Von CHriſto koͤnnen wir nicht ſagen, daß er als GOTT und Menſch zur rechten GOt- tes erhoͤhet ſeye. Denn die regierung des HErrn mit dem himmliſchen vater, die in ſolchem ſitzen ſtecket, kommet freylich CHriſti beiden Naturen zu, aber das erhoͤhet werden, und alſo das ſitzen ſelbs gehoͤret eigentlich der menſchheit/ maſſen die gott- heit nicht erhoͤhet werden kan, und iſt die rechte des vaters ſelbs. 4. Die worte: Jch bin alſo durch ſolche gnaͤdige einwohnung, und durch die vereini- gung beyder naturen in CHriſto, auch der goͤttlichen natur theilhafftig, werden wol einiger maſſen einiger beſſerung noͤthig haben. Es iſt zwar an dem, daß etzliche lehrer die theilhaftigkeit der goͤttlichen natur allein von der goͤttlichen ein- wohnung verſtehen, da ich aber die vereinigung der beyden naturen in CHriſto, welche in demſelben bleibet, alsdann dazu nicht ziehen koͤnte, ich wolte es dann alſo verſtehen, daß die beyde naturen in CHriſto, auch mit mir vereinigt waͤren, da es ſeinen guten verſtand haͤtte. Viel kraͤfftiger aber halte ich die erklaͤrung, daß wir alſo goͤttlicher natur theilhafftig ſeyn, daß eine goͤttliche art und natur in uns durch den Heil. geiſt in der wiedergeburt gewircket werde, da alsdenn GOTT ſich mit ſol- IV. Theil. q q q q

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 673. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/685>, abgerufen am 22.11.2024.