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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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Das siebende Capitel.
wider dasselbe bey ihren falschgläubigen gemeinden bleiben, so ziehen sie da-
mit die gefahr der verdamniß auf sich. Jndessen erkennen wir alle gern,
und hoffe ich nicht, daß ein verständiger Theologus anders sagen werde, daß
nemlich nicht nur in der Lutherischen kirchen, sondern auch in andern Christ-
lichen ob wol verdorbenen und in vielen stücken irrenden gemeinden GOtt
gleichwol annoch seinen heiligen saamen erhalten habe, daß in derselben
nicht nur die kleinen kinder (denen mans auch nicht mit einem schein abspre-
chen könte) sondern auch einige alte die der HErr also durch seines heiligen
Geistes krafft verwahret, daß sie entweder gar in die gemeinschafft der irr-
thum nicht kommen, sondern davon unverunreiniget bleiben, oder der wah-
re seligmachende glaube also in ihren hertzen bewahret wird, daß ihn die irr-
thüme nicht umstossen mögen (wie ich davon in ein und andern orten werde
gehandelt haben) warhafftig selig werden. Daher unsere gemeinden alle-
zeit solenniter protestiren/ daß sie keine gantze gemeinde verdammen:
Wie deutlich in der vorrede der Formulae Concordiae stehet: Sic ut neuti-
quam consilium & institutum nostrum sit, eos homines qui ex animi
quada[m] simplicitate errant, nec tamen blasphemi in veritatem doctri-
nae coelestis sunt, multo vero minustotas Ecclesias, quae vel sub Rom. Im-
perio nationis Germanicae vel alibi sunt, damnare. 2.
Der gemeine
spruch, daß ausser der kirchen kein heil seye, handlet unzweiffenlich von der
unsichtbaren kirchen, und der geistlichen gemeinschaft, welche die wahre gläu-
bige mit ihrem haupt JEsu Christo, und unter sich als glieder, haben. So
gar daß auch die Papisten selbs, ob sie wol sonsten von der unsichtbaren kir-
chen und solchem wort nichts hören wollen, dennoch nicht in abrede seyn kön-
nen, daß einige selig werden, welche in der eusserlichen gemeinschafft ih-
rer sichtbaren Römischen kirchen, um dero willen sie doch fast vornehmlich
mit solchem spruch pralen, nicht begriffen sind: Aufs wenigste mögen sie
den getaufften kindern in den gemeinden, die gleichwol zu ihnen nicht ge-
hören, die seligkeit nicht absprechen, wie auch die verständigere unter ihnen
von anderer unter uns einfältiger heil noch ziemlich gut reden. 3. Die an-
dere regel, daß ohne den wahren und lebendigen glauben niemand selig wer-
de, ist gewisser und allgemeiner. Dann es bleibet der glaube das einige
mittel unsers heils, so uns mit GOtt vereiniget. Wir müssen aber hier-
bey wohl mercken, daß auch in solcher rede nicht gemeint werde der glaube,
den man gläubet, das ist, die articul des glaubens, sondern das jenige gött-
liche liecht, so der heilige Geist in den hertzen der menschen aus dem göttlichen
wort und sacrament enttzündet, aus und in dem derselbe sich an die gnade des
himmlischen Vaters in Christi verdienst hält, und dadurch derselben theil-
hafftig wird. Dieser glaube muß neben dem vertrauen zum grund eine er-

känt-

Das ſiebende Capitel.
wider daſſelbe bey ihren falſchglaͤubigen gemeinden bleiben, ſo ziehen ſie da-
mit die gefahr der verdamniß auf ſich. Jndeſſen erkennen wir alle gern,
und hoffe ich nicht, daß ein verſtaͤndiger Theologus anders ſagen werde, daß
nemlich nicht nur in der Lutheriſchen kirchen, ſondern auch in andern Chriſt-
lichen ob wol verdorbenen und in vielen ſtuͤcken irrenden gemeinden GOtt
gleichwol annoch ſeinen heiligen ſaamen erhalten habe, daß in derſelben
nicht nur die kleinen kinder (denen mans auch nicht mit einem ſchein abſpre-
chen koͤnte) ſondern auch einige alte die der HErr alſo durch ſeines heiligen
Geiſtes krafft verwahret, daß ſie entweder gar in die gemeinſchafft der irr-
thum nicht kommen, ſondern davon unverunreiniget bleiben, oder der wah-
re ſeligmachende glaube alſo in ihren hertzen bewahret wird, daß ihn die irr-
thuͤme nicht umſtoſſen moͤgen (wie ich davon in ein und andern orten werde
gehandelt haben) warhafftig ſelig werden. Daher unſere gemeinden alle-
zeit ſolenniter proteſtiren/ daß ſie keine gantze gemeinde verdammen:
Wie deutlich in der vorrede der Formulæ Concordiæ ſtehet: Sic ut neuti-
quam conſilium & inſtitutum noſtrum ſit, eos homines qui ex animi
quada[m] ſimplicitate errant, nec tamen blasphemi in veritatem doctri-
næ cœleſtis ſunt, multo vero minustotas Eccleſias, quæ vel ſub Rom. Im-
perio nationis Germanicæ vel alibi ſunt, damnare. 2.
Der gemeine
ſpruch, daß auſſer der kirchen kein heil ſeye, handlet unzweiffenlich von der
unſichtbaꝛen kiꝛchen, und deꝛ geiſtlichen gemeinſchaft, welche die wahꝛe glaͤu-
bige mit ihrem haupt JEſu Chriſto, und unter ſich als glieder, haben. So
gar daß auch die Papiſten ſelbs, ob ſie wol ſonſten von der unſichtbaren kir-
chen und ſolchem wort nichts hoͤren wollen, dennoch nicht in abrede ſeyn koͤn-
nen, daß einige ſelig werden, welche in der euſſerlichen gemeinſchafft ih-
rer ſichtbaren Roͤmiſchen kirchen, um dero willen ſie doch faſt vornehmlich
mit ſolchem ſpruch pralen, nicht begriffen ſind: Aufs wenigſte moͤgen ſie
den getaufften kindern in den gemeinden, die gleichwol zu ihnen nicht ge-
hoͤren, die ſeligkeit nicht abſprechen, wie auch die verſtaͤndigere unter ihnen
von anderer unter uns einfaͤltiger heil noch ziemlich gut reden. 3. Die an-
dere regel, daß ohne den wahren und lebendigen glauben niemand ſelig wer-
de, iſt gewiſſer und allgemeiner. Dann es bleibet der glaube das einige
mittel unſers heils, ſo uns mit GOtt vereiniget. Wir muͤſſen aber hier-
bey wohl mercken, daß auch in ſolcher rede nicht gemeint werde der glaube,
den man glaͤubet, das iſt, die articul des glaubens, ſondern das jenige goͤtt-
liche liecht, ſo der heilige Geiſt in den hertzen der menſchen aus dem goͤttlichen
wort und ſacrament enttzuͤndet, aus und in dem derſelbe ſich an die gnade des
himmliſchen Vaters in Chriſti verdienſt haͤlt, und dadurch derſelben theil-
hafftig wird. Dieſer glaube muß neben dem vertrauen zum grund eine er-

kaͤnt-
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[54/0066] Das ſiebende Capitel. wider daſſelbe bey ihren falſchglaͤubigen gemeinden bleiben, ſo ziehen ſie da- mit die gefahr der verdamniß auf ſich. Jndeſſen erkennen wir alle gern, und hoffe ich nicht, daß ein verſtaͤndiger Theologus anders ſagen werde, daß nemlich nicht nur in der Lutheriſchen kirchen, ſondern auch in andern Chriſt- lichen ob wol verdorbenen und in vielen ſtuͤcken irrenden gemeinden GOtt gleichwol annoch ſeinen heiligen ſaamen erhalten habe, daß in derſelben nicht nur die kleinen kinder (denen mans auch nicht mit einem ſchein abſpre- chen koͤnte) ſondern auch einige alte die der HErr alſo durch ſeines heiligen Geiſtes krafft verwahret, daß ſie entweder gar in die gemeinſchafft der irr- thum nicht kommen, ſondern davon unverunreiniget bleiben, oder der wah- re ſeligmachende glaube alſo in ihren hertzen bewahret wird, daß ihn die irr- thuͤme nicht umſtoſſen moͤgen (wie ich davon in ein und andern orten werde gehandelt haben) warhafftig ſelig werden. Daher unſere gemeinden alle- zeit ſolenniter proteſtiren/ daß ſie keine gantze gemeinde verdammen: Wie deutlich in der vorrede der Formulæ Concordiæ ſtehet: Sic ut neuti- quam conſilium & inſtitutum noſtrum ſit, eos homines qui ex animi quadam ſimplicitate errant, nec tamen blasphemi in veritatem doctri- næ cœleſtis ſunt, multo vero minustotas Eccleſias, quæ vel ſub Rom. Im- perio nationis Germanicæ vel alibi ſunt, damnare. 2. Der gemeine ſpruch, daß auſſer der kirchen kein heil ſeye, handlet unzweiffenlich von der unſichtbaꝛen kiꝛchen, und deꝛ geiſtlichen gemeinſchaft, welche die wahꝛe glaͤu- bige mit ihrem haupt JEſu Chriſto, und unter ſich als glieder, haben. So gar daß auch die Papiſten ſelbs, ob ſie wol ſonſten von der unſichtbaren kir- chen und ſolchem wort nichts hoͤren wollen, dennoch nicht in abrede ſeyn koͤn- nen, daß einige ſelig werden, welche in der euſſerlichen gemeinſchafft ih- rer ſichtbaren Roͤmiſchen kirchen, um dero willen ſie doch faſt vornehmlich mit ſolchem ſpruch pralen, nicht begriffen ſind: Aufs wenigſte moͤgen ſie den getaufften kindern in den gemeinden, die gleichwol zu ihnen nicht ge- hoͤren, die ſeligkeit nicht abſprechen, wie auch die verſtaͤndigere unter ihnen von anderer unter uns einfaͤltiger heil noch ziemlich gut reden. 3. Die an- dere regel, daß ohne den wahren und lebendigen glauben niemand ſelig wer- de, iſt gewiſſer und allgemeiner. Dann es bleibet der glaube das einige mittel unſers heils, ſo uns mit GOtt vereiniget. Wir muͤſſen aber hier- bey wohl mercken, daß auch in ſolcher rede nicht gemeint werde der glaube, den man glaͤubet, das iſt, die articul des glaubens, ſondern das jenige goͤtt- liche liecht, ſo der heilige Geiſt in den hertzen der menſchen aus dem goͤttlichen wort und ſacrament enttzuͤndet, aus und in dem derſelbe ſich an die gnade des himmliſchen Vaters in Chriſti verdienſt haͤlt, und dadurch derſelben theil- hafftig wird. Dieſer glaube muß neben dem vertrauen zum grund eine er- kaͤnt-

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/66>, abgerufen am 23.11.2024.