SECTIO XX. An einen staats-minister. Vieler Theologo- rum lieblose art/ verdacht auf andere zu weltzen. Böhm. Re- lation wegen eines specialis. Versendung der stipendiaten. Aufnehmung der Piemonteser in Würtenberg. D. Schmids schrifft gegen P. Dez. D. Hinckelmann.
AUf das jüngste freundliche zu antworten, war mir lieb, daß die sache des un- genanten freundes (dessen namen zwar E. Excell. ausgedruckt, er aber mir gantz unbekant ist) wol ausgeschlagen, und wir in der materia de au- toritate librorum symbolicorum auch einstimmig sind, wiewol auch gleiche ein- stimmung von allen cordatis hoffe. Jm übrigen ists fast betrüblich, daß die erfah- rung zeiget, wie wir theologi, so doch in allen stücken vor andern der liebe uns be- fleißigen, und andern darinnen mit gutem exempel vorgehen solten, so offt hören müssen, daß wir fast härter als andere uns bezeigen, so leicht den verdacht einer heterodoxiae auf mitbrüder werffen, und wenn solches einmal geschehen, so schwer- lich wiederum davon ablassen, also gar offt dessen vergessen, was wir aus dem kin- der-catechismo bekennen, wir sollen den nechsten entschuldigen, gutes von ihm reden, und alles zum besten kehren. Es hat zwar der eiffer vor die reinig- keit der lehr einen guten schein, aber er muß kein deckel werden einer ungerechtig- keit oder fleischlichen affecten. Jch läugne nicht, daß deßwegen, so offt höre, daß ein theologus, es seye denn um laster willen, sondern unter dem namen der lehr ins gedräng zu kommen anfängt, ich mit ihm mitleiden habe, der ich gesehen und er- fahren, wie es etwa zu gehen pfleget. Der HErr erbarme sich unser, und reinige sonderlich uns prediger von allem, was nach dem Pabstthum schmecket, dessen wir sorglich zuweilen noch ein und anders, wenn der religions-eiffer zu entbrennen anfängt, an uns haben, und selbs thun, was wir an jenem straffen. Wie mir noch neulichst ein vornehmer Prof. Theolog. schriebe: Miror nondum prodiisse ex Papatu homines, qui quae ad regiminis Ecclesiastici formam sibi re- ceptam a nostris impugnari solitam attinent, ita tractent, ut ex praxi nostrorum quorundam, & hypothesibus s. clam s. palam habitis. suam illam imperandi formam stabilitum eant. Fortasse autem hoc singulari beneficio divino adscribendum, qui paucorum pio- rum suspiria spectat, ac nondum permittit satanam liberius gras- sari. Jch halte auch, wo P. Firmianus oder Zach. Lexoviensis unter uns ge- lebet hätte, solte er wohl seinem genio seculi ein sonder capitel inseriret haben,
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ARTIC. V. SECT. XX.
SECTIO XX. An einen ſtaats-miniſter. Vieler Theologo- rum liebloſe art/ verdacht auf andere zu weltzen. Boͤhm. Re- lation wegen eines ſpecialis. Verſendung der ſtipendiaten. Aufnehmung der Piemonteſer in Wuͤrtenberg. D. Schmids ſchrifft gegen P. Dez. D. Hinckelmann.
AUf das juͤngſte freundliche zu antworten, war mir lieb, daß die ſache des un- genanten freundes (deſſen namen zwar E. Excell. ausgedruckt, er aber mir gantz unbekant iſt) wol ausgeſchlagen, und wir in der materia de au- toritate librorum ſymbolicorum auch einſtimmig ſind, wiewol auch gleiche ein- ſtimmung von allen cordatis hoffe. Jm uͤbrigen iſts faſt betruͤblich, daß die erfah- rung zeiget, wie wir theologi, ſo doch in allen ſtuͤcken vor andern der liebe uns be- fleißigen, und andern darinnen mit gutem exempel vorgehen ſolten, ſo offt hoͤren muͤſſen, daß wir faſt haͤrter als andere uns bezeigen, ſo leicht den verdacht einer heterodoxiæ auf mitbruͤder werffen, und weñ ſolches einmal geſchehen, ſo ſchwer- lich wiederum davon ablaſſen, alſo gar offt deſſen vergeſſen, was wir aus dem kin- der-catechiſmo bekennen, wir ſollen den nechſten entſchuldigen, gutes von ihm reden, und alles zum beſten kehren. Es hat zwar der eiffer vor die reinig- keit der lehr einen guten ſchein, aber er muß kein deckel werden einer ungerechtig- keit oder fleiſchlichen affecten. Jch laͤugne nicht, daß deßwegen, ſo offt hoͤre, daß ein theologus, es ſeye denn um laſter willen, ſondern unter dem namen der lehr ins gedraͤng zu kommen anfaͤngt, ich mit ihm mitleiden habe, der ich geſehen und er- fahren, wie es etwa zu gehen pfleget. Der HErr erbarme ſich unſer, und reinige ſonderlich uns prediger von allem, was nach dem Pabſtthum ſchmecket, deſſen wir ſorglich zuweilen noch ein und anders, wenn der religions-eiffer zu entbrennen anfaͤngt, an uns haben, und ſelbs thun, was wir an jenem ſtraffen. Wie mir noch neulichſt ein vornehmer Prof. Theolog. ſchriebe: Miror nondum prodiiſſe ex Papatu homines, qui quæ ad regiminis Eccleſiaſtici formam ſibi re- ceptam à noſtris impugnari ſolitam attinent, ita tractent, ut ex praxi noſtrorum quorundam, & hypotheſibus ſ. clam ſ. palam habitis. ſuam illam imperandi formam ſtabilitum eant. Fortaſſe autem hoc ſingulari beneficio divino adſcribendum, qui paucorum pio- rum ſuſpiria ſpectat, ac nondum permittit ſatanam liberius graſ- ſari. Jch halte auch, wo P. Firmianus oder Zach. Lexovienſis unter uns ge- lebet haͤtte, ſolte er wohl ſeinem genio ſeculi ein ſonder capitel inſeriret haben,
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ARTIC. V. SECT. XX.
SECTIO XX.
An einen ſtaats-miniſter. Vieler Theologo-
rum liebloſe art/ verdacht auf andere zu weltzen. Boͤhm. Re-
lation wegen eines ſpecialis. Verſendung der ſtipendiaten.
Aufnehmung der Piemonteſer in Wuͤrtenberg. D.
Schmids ſchrifft gegen P. Dez. D.
Hinckelmann.
AUf das juͤngſte freundliche zu antworten, war mir lieb, daß die ſache des un-
genanten freundes (deſſen namen zwar E. Excell. ausgedruckt, er aber
mir gantz unbekant iſt) wol ausgeſchlagen, und wir in der materia de au-
toritate librorum ſymbolicorum auch einſtimmig ſind, wiewol auch gleiche ein-
ſtimmung von allen cordatis hoffe. Jm uͤbrigen iſts faſt betruͤblich, daß die erfah-
rung zeiget, wie wir theologi, ſo doch in allen ſtuͤcken vor andern der liebe uns be-
fleißigen, und andern darinnen mit gutem exempel vorgehen ſolten, ſo offt hoͤren
muͤſſen, daß wir faſt haͤrter als andere uns bezeigen, ſo leicht den verdacht einer
heterodoxiæ auf mitbruͤder werffen, und weñ ſolches einmal geſchehen, ſo ſchwer-
lich wiederum davon ablaſſen, alſo gar offt deſſen vergeſſen, was wir aus dem kin-
der-catechiſmo bekennen, wir ſollen den nechſten entſchuldigen, gutes von
ihm reden, und alles zum beſten kehren. Es hat zwar der eiffer vor die reinig-
keit der lehr einen guten ſchein, aber er muß kein deckel werden einer ungerechtig-
keit oder fleiſchlichen affecten. Jch laͤugne nicht, daß deßwegen, ſo offt hoͤre, daß
ein theologus, es ſeye denn um laſter willen, ſondern unter dem namen der lehr ins
gedraͤng zu kommen anfaͤngt, ich mit ihm mitleiden habe, der ich geſehen und er-
fahren, wie es etwa zu gehen pfleget. Der HErr erbarme ſich unſer, und reinige
ſonderlich uns prediger von allem, was nach dem Pabſtthum ſchmecket, deſſen wir
ſorglich zuweilen noch ein und anders, wenn der religions-eiffer zu entbrennen
anfaͤngt, an uns haben, und ſelbs thun, was wir an jenem ſtraffen. Wie mir noch
neulichſt ein vornehmer Prof. Theolog. ſchriebe: Miror nondum prodiiſſe
ex Papatu homines, qui quæ ad regiminis Eccleſiaſtici formam ſibi re-
ceptam à noſtris impugnari ſolitam attinent, ita tractent, ut ex praxi
noſtrorum quorundam, & hypotheſibus ſ. clam ſ. palam habitis.
ſuam illam imperandi formam ſtabilitum eant. Fortaſſe autem
hoc ſingulari beneficio divino adſcribendum, qui paucorum pio-
rum ſuſpiria ſpectat, ac nondum permittit ſatanam liberius graſ-
ſari. Jch halte auch, wo P. Firmianus oder Zach. Lexovienſis unter uns ge-
lebet haͤtte, ſolte er wohl ſeinem genio ſeculi ein ſonder capitel inſeriret haben,
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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 587. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/599>, abgerufen am 26.11.2024.
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