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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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Das siebende Capitel.
zweiffeln könte. Aber zu der abstellung, nemlich wiederum insgemein) siehe ich kei-
ne hoffnung, sondern lauter widersetzlichkeit, auch so gar von den orten daher es
befordert werden müste. Daher ich bekenne, daß ich noch zur zeit an solche vor-
schläge nicht gedencken mag, wo durchzutringen die wahre unmöglichkeit vor au-
gen sehe. Muß also auch solches unter diejenige dinge zu setzen seyn, auf die man
warten muß, ob GOtt zu seiner zeit bey andern umständen und personen müglich
machen wolte, womit wir itzt noch nicht erfreuet werden sollen. So lange man
aber noch also an den landbau gebunden ist, so bekenne, daß dieses einige nicht
eben vor ärgernüß halte, oder davor gehalten zu werden verlangte, wenn ein pre-
diger auch (ohne versaumung seines amts, so allezeit auszunehmen) bey dem a-
ckerwerck hand anlegete. Jndem ich alle handarbeit nicht vor schande halte, und
also glaube, so wenig sich Paulus zu schämen gehabt, oder damit seinen apostoli-
schen respect verletzet hat, daß er zu schonung seiner gemeinden mit treibung seines
handwercks sich genehret, so wenig hätten wirs der prediger würde entgegen zu
halten, wenn ein christlicher mann, der sich mit dem gesinde seines ackerwercks
kümmerlich nehren muß, mit zugreiffet. Ja ein einig mal mit seinen zuhörern in
die schencke gehen, achte ich vor schwerer ärgernüß, als das gantze jahr die übri-
gen stunden zu seiner arbeit mit anwenden. Es ist zwar an deme, daß man nun-
mehr opinione vulgari es dahin kommen lassen, daß man solche arbeit vor ver-
ächtlich hält, daß ich weiß, daß gar bey consistoriis dergleichen von predigern
als ärgernüß denunciret worden, ich wolte aber lieber, solche irrige einbildung
würde den leuten benommen, und hielten wir nichts mehr vor schimpfflich, was
an sich dergleichen nicht ist, sonderlich den ackerbau, welchen die alten vor die
edelste verrichtung nicht unbillig geachtet haben. Jch finde auch, daß bey den al-
ten Waldensern, dero vorsteher alle sich mit eigner handarbeit ernehren musten, der
rechte respect und ehrerbietung der gemeinde gegen sie, dadurch nicht geschwächt
worden, sondern sie in mehr liebe, ehrerbietung und vertraulichkeit bensammen
gewesen sind, als wir wol itzt unter uns finden. Bey allem aber nehme ich aus
dasjenige was aus eigentlichen geitz geschiehet, welcher vielmehr an sich selbs als
die arbeit vor schimpfflich zu halten wäre. Jch komme nun auf die sabbaths-fey-
er, davon zwey stück erinnert worden. Was die jahrmärckt anlangt, weiß ich
nicht anders, als daß solche gantz abgeschafft seyen, wie dann in der policey-ord-
nung ausdrücklich verordnet, daß die jahrmärckte von den sonn- und feyer-auf die
wercktage verleget werden sollen. Möchte also gern weitern bericht haben, ob denn
solches nicht in übung seye, und wo dawider gehandelt werde. Was aber die sonn-
tags-arbeit bey sonsten bösem wetter, wo auf die sonntage sich einige besserung zei-
get, betrifft, wolte ich wider dieselbe nicht eyffern. Denn ob wol gern erkenne,
auch nach vermögen darauf treibe, daß der sonntag heilig und zur erbauung ange-
wendet werden solle, ja nicht zweiffle, daß eine wichtige ursach unsers verdorbenen
christenthums auch von der entheiligung des sabbaths komme, indem die leute, wel-

che

Das ſiebende Capitel.
zweiffeln koͤnte. Aber zu der abſtellung, nemlich wiederum insgemein) ſiehe ich kei-
ne hoffnung, ſondern lauter widerſetzlichkeit, auch ſo gar von den orten daher es
befordert werden muͤſte. Daher ich bekenne, daß ich noch zur zeit an ſolche vor-
ſchlaͤge nicht gedencken mag, wo durchzutringen die wahre unmoͤglichkeit vor au-
gen ſehe. Muß alſo auch ſolches unter diejenige dinge zu ſetzen ſeyn, auf die man
warten muß, ob GOtt zu ſeiner zeit bey andern umſtaͤnden und perſonen muͤglich
machen wolte, womit wir itzt noch nicht erfreuet werden ſollen. So lange man
aber noch alſo an den landbau gebunden iſt, ſo bekenne, daß dieſes einige nicht
eben vor aͤrgernuͤß halte, oder davor gehalten zu werden verlangte, wenn ein pre-
diger auch (ohne verſaumung ſeines amts, ſo allezeit auszunehmen) bey dem a-
ckerwerck hand anlegete. Jndem ich alle handarbeit nicht vor ſchande halte, und
alſo glaube, ſo wenig ſich Paulus zu ſchaͤmen gehabt, oder damit ſeinen apoſtoli-
ſchen reſpect verletzet hat, daß er zu ſchonung ſeiner gemeinden mit treibung ſeines
handwercks ſich genehret, ſo wenig haͤtten wirs der prediger wuͤrde entgegen zu
halten, wenn ein chriſtlicher mann, der ſich mit dem geſinde ſeines ackerwercks
kuͤmmerlich nehren muß, mit zugreiffet. Ja ein einig mal mit ſeinen zuhoͤrern in
die ſchencke gehen, achte ich vor ſchwerer aͤrgernuͤß, als das gantze jahr die uͤbri-
gen ſtunden zu ſeiner arbeit mit anwenden. Es iſt zwar an deme, daß man nun-
mehr opinione vulgari es dahin kommen laſſen, daß man ſolche arbeit vor ver-
aͤchtlich haͤlt, daß ich weiß, daß gar bey conſiſtoriis dergleichen von predigern
als aͤrgernuͤß denunciret worden, ich wolte aber lieber, ſolche irrige einbildung
wuͤrde den leuten benommen, und hielten wir nichts mehr vor ſchimpfflich, was
an ſich dergleichen nicht iſt, ſonderlich den ackerbau, welchen die alten vor die
edelſte verrichtung nicht unbillig geachtet haben. Jch finde auch, daß bey den al-
ten Waldenſern, dero vorſteher alle ſich mit eigner handarbeit ernehren muſten, der
rechte reſpect und ehrerbietung der gemeinde gegen ſie, dadurch nicht geſchwaͤcht
worden, ſondern ſie in mehr liebe, ehrerbietung und vertraulichkeit benſammen
geweſen ſind, als wir wol itzt unter uns finden. Bey allem aber nehme ich aus
dasjenige was aus eigentlichen geitz geſchiehet, welcher vielmehr an ſich ſelbs als
die arbeit vor ſchimpfflich zu halten waͤre. Jch komme nun auf die ſabbaths-fey-
er, davon zwey ſtuͤck erinnert worden. Was die jahrmaͤrckt anlangt, weiß ich
nicht anders, als daß ſolche gantz abgeſchafft ſeyen, wie dann in der policey-ord-
nung ausdruͤcklich verordnet, daß die jahrmaͤrckte von den ſonn- und feyer-auf die
wercktage verleget werden ſollen. Moͤchte alſo gern weitern bericht haben, ob denn
ſolches nicht in uͤbung ſeye, und wo dawider gehandelt werde. Was aber die ſonn-
tags-arbeit bey ſonſten boͤſem wetter, wo auf die ſonntage ſich einige beſſerung zei-
get, betrifft, wolte ich wider dieſelbe nicht eyffern. Denn ob wol gern erkenne,
auch nach vermoͤgen darauf treibe, daß der ſonntag heilig und zur erbauung ange-
wendet werden ſolle, ja nicht zweiffle, daß eine wichtige urſach unſers verdorbenen
chriſtenthums auch von der entheiligung des ſabbaths komme, indem die leute, wel-

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[574/0586] Das ſiebende Capitel. zweiffeln koͤnte. Aber zu der abſtellung, nemlich wiederum insgemein) ſiehe ich kei- ne hoffnung, ſondern lauter widerſetzlichkeit, auch ſo gar von den orten daher es befordert werden muͤſte. Daher ich bekenne, daß ich noch zur zeit an ſolche vor- ſchlaͤge nicht gedencken mag, wo durchzutringen die wahre unmoͤglichkeit vor au- gen ſehe. Muß alſo auch ſolches unter diejenige dinge zu ſetzen ſeyn, auf die man warten muß, ob GOtt zu ſeiner zeit bey andern umſtaͤnden und perſonen muͤglich machen wolte, womit wir itzt noch nicht erfreuet werden ſollen. So lange man aber noch alſo an den landbau gebunden iſt, ſo bekenne, daß dieſes einige nicht eben vor aͤrgernuͤß halte, oder davor gehalten zu werden verlangte, wenn ein pre- diger auch (ohne verſaumung ſeines amts, ſo allezeit auszunehmen) bey dem a- ckerwerck hand anlegete. Jndem ich alle handarbeit nicht vor ſchande halte, und alſo glaube, ſo wenig ſich Paulus zu ſchaͤmen gehabt, oder damit ſeinen apoſtoli- ſchen reſpect verletzet hat, daß er zu ſchonung ſeiner gemeinden mit treibung ſeines handwercks ſich genehret, ſo wenig haͤtten wirs der prediger wuͤrde entgegen zu halten, wenn ein chriſtlicher mann, der ſich mit dem geſinde ſeines ackerwercks kuͤmmerlich nehren muß, mit zugreiffet. Ja ein einig mal mit ſeinen zuhoͤrern in die ſchencke gehen, achte ich vor ſchwerer aͤrgernuͤß, als das gantze jahr die uͤbri- gen ſtunden zu ſeiner arbeit mit anwenden. Es iſt zwar an deme, daß man nun- mehr opinione vulgari es dahin kommen laſſen, daß man ſolche arbeit vor ver- aͤchtlich haͤlt, daß ich weiß, daß gar bey conſiſtoriis dergleichen von predigern als aͤrgernuͤß denunciret worden, ich wolte aber lieber, ſolche irrige einbildung wuͤrde den leuten benommen, und hielten wir nichts mehr vor ſchimpfflich, was an ſich dergleichen nicht iſt, ſonderlich den ackerbau, welchen die alten vor die edelſte verrichtung nicht unbillig geachtet haben. Jch finde auch, daß bey den al- ten Waldenſern, dero vorſteher alle ſich mit eigner handarbeit ernehren muſten, der rechte reſpect und ehrerbietung der gemeinde gegen ſie, dadurch nicht geſchwaͤcht worden, ſondern ſie in mehr liebe, ehrerbietung und vertraulichkeit benſammen geweſen ſind, als wir wol itzt unter uns finden. Bey allem aber nehme ich aus dasjenige was aus eigentlichen geitz geſchiehet, welcher vielmehr an ſich ſelbs als die arbeit vor ſchimpfflich zu halten waͤre. Jch komme nun auf die ſabbaths-fey- er, davon zwey ſtuͤck erinnert worden. Was die jahrmaͤrckt anlangt, weiß ich nicht anders, als daß ſolche gantz abgeſchafft ſeyen, wie dann in der policey-ord- nung ausdruͤcklich verordnet, daß die jahrmaͤrckte von den ſonn- und feyer-auf die wercktage verleget werden ſollen. Moͤchte alſo gern weitern bericht haben, ob denn ſolches nicht in uͤbung ſeye, und wo dawider gehandelt werde. Was aber die ſonn- tags-arbeit bey ſonſten boͤſem wetter, wo auf die ſonntage ſich einige beſſerung zei- get, betrifft, wolte ich wider dieſelbe nicht eyffern. Denn ob wol gern erkenne, auch nach vermoͤgen darauf treibe, daß der ſonntag heilig und zur erbauung ange- wendet werden ſolle, ja nicht zweiffle, daß eine wichtige urſach unſers verdorbenen chriſtenthums auch von der entheiligung des ſabbaths komme, indem die leute, wel- che

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 574. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/586>, abgerufen am 26.11.2024.