Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.ARTIC. V. SECTIO XV. geschonet/ und sie allein zu dem anhören eingeladen worden. Und richtet dieinstanz wegen des fasten-examinis nichts aus/ dann eben dieses ist die ursach/ daß man die leute zu demselben kaum ohne zwang bringen kan/ eins theils weil es daselbst auch den erwachsenen gilt/ und sie sich examiniren lassen müssen/ an- dern theils/ weil es des jahrs nur einmal geschiehet/ und es ihnen also unge- wohnt ist; da hingegen wo es wochentlich geübet wird/ die leute in wenig mona- ten der sachen gewohnet werden/ und ie mehr sie anfangen in ihrem glauben zu fassen/ so viel weniger sich vor dem examine scheuen. Den gebrauch der schlüssel betreffend/ ob zwar geliebter bruder schreibet/ daß ihm nun aus sel. Herr Groß- gebauers schrifften gnug geschehen/ will ich doch mit wenigem meine meinung ausdrucken. 1. GOtt hat wie alle andere schätze des heyls also auch die schlüssel des himmelreichs seiner kirchen als seines Sohnes braut anvertrauet/ daher gehören sie ihr als der hauß-ehre in dem geistlichen hause. Jndessen 2. wie alles in der kirchen ordentlich hergehen muß/ so hat Christus selbst die ordnung ein- gesetzt/ daß gewisse leute seyn sollen/ welche die schätze des heyls austheilen/ und ihren dienst darinnen leisten sollen/ wie mit der predigt des worts und den hei- ligen Saeramenten/ also auch mit gebrauch der schlüssel: daher die prediger nicht aus blossem menschlichen wolgefallen/ sondern aus der ordnung/ die Christus selbs in der kirchen verordnet hat/ die schlüssel zu verwalten haben. 3. Nachdem aber sie samt den übrigen gütern der gesamten kirchen zustehen/ 4. So lang also wegen der verwaltung kein disputat oder zwist entstehet/ so richt IV. Theil. c c c c
ARTIC. V. SECTIO XV. geſchonet/ und ſie allein zu dem anhoͤren eingeladen worden. Und richtet dieinſtanz wegen des faſten-examinis nichts aus/ dann eben dieſes iſt die urſach/ daß man die leute zu demſelben kaum ohne zwang bringen kan/ eins theils weil es daſelbſt auch den erwachſenen gilt/ und ſie ſich examiniren laſſen muͤſſen/ an- dern theils/ weil es des jahrs nur einmal geſchiehet/ und es ihnen alſo unge- wohnt iſt; da hingegen wo es wochentlich geuͤbet wird/ die leute in wenig mona- ten der ſachen gewohnet werden/ und ie mehr ſie anfangen in ihrem glauben zu faſſen/ ſo viel weniger ſich vor dem examine ſcheuen. Den gebrauch der ſchluͤſſel betreffend/ ob zwar geliebter bruder ſchreibet/ daß ihm nun aus ſel. Herꝛ Groß- gebauers ſchrifften gnug geſchehen/ will ich doch mit wenigem meine meinung ausdrucken. 1. GOtt hat wie alle andere ſchaͤtze des heyls alſo auch die ſchluͤſſel des himmelreichs ſeiner kirchen als ſeines Sohnes braut anvertrauet/ daher gehoͤren ſie ihr als der hauß-ehre in dem geiſtlichen hauſe. Jndeſſen 2. wie alles in der kirchen ordentlich hergehen muß/ ſo hat Chriſtus ſelbſt die ordnung ein- geſetzt/ daß gewiſſe leute ſeyn ſollen/ welche die ſchaͤtze des heyls austheilen/ und ihren dienſt darinnen leiſten ſollen/ wie mit der predigt des worts und den hei- ligen Saeramenten/ alſo auch mit gebrauch der ſchluͤſſel: daher die prediger nicht aus bloſſem menſchlichen wolgefallen/ ſondern aus der ordnung/ die Chriſtus ſelbs in der kirchen verordnet hat/ die ſchluͤſſel zu verwalten haben. 3. Nachdem aber ſie ſamt den uͤbrigen guͤtern der geſamten kirchen zuſtehen/ 4. So lang alſo wegen der verwaltung kein diſputat oder zwiſt entſtehet/ ſo richt IV. Theil. c c c c
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ARTIC. V. SECTIO XV.
geſchonet/ und ſie allein zu dem anhoͤren eingeladen worden. Und richtet die
inſtanz wegen des faſten-examinis nichts aus/ dann eben dieſes iſt die urſach/
daß man die leute zu demſelben kaum ohne zwang bringen kan/ eins theils weil
es daſelbſt auch den erwachſenen gilt/ und ſie ſich examiniren laſſen muͤſſen/ an-
dern theils/ weil es des jahrs nur einmal geſchiehet/ und es ihnen alſo unge-
wohnt iſt; da hingegen wo es wochentlich geuͤbet wird/ die leute in wenig mona-
ten der ſachen gewohnet werden/ und ie mehr ſie anfangen in ihrem glauben zu
faſſen/ ſo viel weniger ſich vor dem examine ſcheuen. Den gebrauch der ſchluͤſſel
betreffend/ ob zwar geliebter bruder ſchreibet/ daß ihm nun aus ſel. Herꝛ Groß-
gebauers ſchrifften gnug geſchehen/ will ich doch mit wenigem meine meinung
ausdrucken. 1. GOtt hat wie alle andere ſchaͤtze des heyls alſo auch die ſchluͤſſel
des himmelreichs ſeiner kirchen als ſeines Sohnes braut anvertrauet/ daher
gehoͤren ſie ihr als der hauß-ehre in dem geiſtlichen hauſe. Jndeſſen 2. wie alles
in der kirchen ordentlich hergehen muß/ ſo hat Chriſtus ſelbſt die ordnung ein-
geſetzt/ daß gewiſſe leute ſeyn ſollen/ welche die ſchaͤtze des heyls austheilen/ und
ihren dienſt darinnen leiſten ſollen/ wie mit der predigt des worts und den hei-
ligen Saeramenten/ alſo auch mit gebrauch der ſchluͤſſel: daher die prediger
nicht aus bloſſem menſchlichen wolgefallen/ ſondern aus der ordnung/ die
Chriſtus ſelbs in der kirchen verordnet hat/ die ſchluͤſſel zu verwalten haben.
3. Nachdem aber ſie ſamt den uͤbrigen guͤtern der geſamten kirchen zuſtehen/
und Chriſtus durch dieſe den dienern dieſelbe uͤberreichen laſſen/ daher behaͤlt
die kirche ſtaͤts die obere aufſicht uͤber ſolche verwaltung aus ihrem von Chriſto
habenden recht/ da ſie die haußmutter/ die prediger aber allein die diener ſind.
4. So lang alſo wegen der verwaltung kein diſputat oder zwiſt entſtehet/ ſo
haben die prediger in derſelben ungehindert fortzufahren/ welches dann/ was
den loͤſe-ſchluͤſſel betrifft/ gemeiniglieh geſchiehet. Denn weil derjenige/ der
abſolviret werden ſolle/ ſolches begehret/ kan der prediger ihm die abſolution
widerfahren laſſen/ und alſo den loͤſe-ſchluͤſſel brauchen: es waͤre denn ſache/
daß die gemeinde damit nicht zu frieden waͤre/ und jemand ihn deſſen nicht faͤ-
hig achtende/ widerſpraͤche: in welchem fall auch der loͤſe-ſchluͤſſel nicht mehr
in der freyen gewalt des predigers ſtuͤnde/ ſondern er um der kirchen wider-
ſpruchs willen/ deſſelben gebrauch unterlaſſen muͤſte. 5. Was aber den bin-
de-ſchluͤſſel anlangt/ weil da faſt allezeit zwieſpalt iſt/ indem derjenige/ dem
man ſeine ſuͤnde behalten will/ ſich gemeiniglich widerſetzet (denn wo einer ſich
willig unterwirfft/ mag der prediger denſelben ſowol als den loͤſe-ſchluͤſſel
brauchen) ſtehet deſſen gebrauch nicht in der freyen macht des predigers/
nicht ob waͤre ſonſt ſo groſſer unterſcheid unter beyden/ ſondern/ weil ein
widerſpruch entſtehet, indem der prediger den menſchen des bindens wuͤr-
dig haͤlt/ der andere aber ſolches nicht verſchuldet zu haben gedencket: da kan
nun der prediger/ welcher gleichſam paꝛt iſt/ nicht richter ſeyn/ ſondeꝛn ſolches ge-
richt
IV. Theil. c c c c
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Zitationshilfe: | Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 569. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/581>, abgerufen am 22.07.2024. |