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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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Das siebende Capitel.

DJese frage mit ja zu beantworten/ solten folgende gründe angeführet
werden können. 1. Die aufrichtigkeit des guten vorsatzes/ so sich bey
dem bußfertigen findet: denn weil er die sünde hertzlich hasset/ und nun-
mehr selbs einen eckel an derselbigen hat/ so begehret er/ nicht nur ein und an-
dere zeit/ sondern die tag seines lebens/ dieselbe nicht wiederum muthwillig zu
begehen/ und also ihr zu dienen/ sondern er verschweret sie auf ewig. Weil
auch der glaube das hertz reiniget/ und den heiligen Geist mit sich hat/ so ist aber-
mal dieser ernstliche vorfatz eine nothwendige frucht desselben. Vorausgesetzt die-
ses redlichen vorsatzes solte scheinen/ daß dann derjenige/ welcher nun und nim-
mermehr muthwillig zu sündigen begehret/ auch auf den fall der muthwilligen
sünde/ die er weißt nicht zu erfolgen/ GOttes straffe über sich wünschen möge.
2. Mag angezogen werden/ daß aus GOttes befehl 5. Mos. 27. da der fluch über
gewisse laster und gebrechen von den Leviten gesprochen wurde/ das gantze volck
solchen mit einem Amen hat bekräfftigen müssen/ und also auch desselben gerech-
tigkeit über sich erkennen. 3. Stehet das exempel Davids/ mann derselbe
Psalm. 7/ 4. 5. 6. sich nicht nur auf seine unschuld berufft/ sondern auch in dem
gegentheil GOttes gericht auf sich wünschet: Habe ich solches gethan, und ist
unrecht in meinen händen. Habe ich böses vergolten denen, so friedlich
mit mir lebten, oder die, so mir ohn ursach feind waren, beschädiget, so ver-
folge mein feind meine seele, und ergreiffe sie, und trete mein leben zu
boden, und legemeine ehre in den staub.
4. Jn dem Pf. 137/ 5. 6. scheinet
ein eigentlich exempel unserer frage zu seyn: Vergesse ich dein Jerusalem,
so werde meiner rechte vergessen
m. f. w. 5. Möchte man auch hieher ziehen/
daß in einem jeglichen eydschwur interpretative eben dieses stecke/ wo wir nicht
würden dem eyd ein gnügen thun/ daß dann der gerechte richter/ den wir zum
zeugen des eyds angeruffen/ nach seiner gerechtigkeit es rächen wolle. Wel-
ches eben dasjenige scheinet zu seyn/ welches in unserer frage gefraget wird.

Nichts desto weniger zweiffle ich nicht/ daß nach reifflicher erwegung
der sache vielmehr mit Nein zu antworten seye: welches die nachsetzende ar-
gumenta
erweisen. 1. Wir werden dahin gewiesen/ daß alle unsere gebete
gehen sollen nach GOTTES willen 1. Joh. 5/ 14. und wir deswegen
nichts wider seinen geoffenbarten willen zu bitten macht haben/ oder unser ge-
bet würde zur sünde: beygesetzt/ daß auch in unserm Vater unser/ wir die erfül-
lung göttlichen willens bitten. Nun aber ist göttlichem willen gemäß/ zwar
freylich auch/ daß auf endlich nicht erfolgende busse GOTTES gericht auf die
beharr-
Das ſiebende Capitel.

DJeſe frage mit ja zu beantworten/ ſolten folgende gruͤnde angefuͤhret
werden koͤnnen. 1. Die aufrichtigkeit des guten vorſatzes/ ſo ſich bey
dem bußfertigen findet: denn weil er die ſuͤnde hertzlich haſſet/ und nun-
mehr ſelbs einen eckel an derſelbigen hat/ ſo begehret er/ nicht nur ein und an-
dere zeit/ ſondern die tag ſeines lebens/ dieſelbe nicht wiederum muthwillig zu
begehen/ und alſo ihr zu dienen/ ſondern er verſchweret ſie auf ewig. Weil
auch der glaube das hertz reiniget/ und den heiligen Geiſt mit ſich hat/ ſo iſt aber-
mal dieſer ernſtliche vorfatz eine nothwendige frucht deſſelben. Vorausgeſetzt die-
ſes redlichen vorſatzes ſolte ſcheinen/ daß dann derjenige/ welcher nun und nim-
mermehr muthwillig zu ſuͤndigen begehret/ auch auf den fall der muthwilligen
ſuͤnde/ die er weißt nicht zu erfolgen/ GOttes ſtraffe uͤber ſich wuͤnſchen moͤge.
2. Mag angezogen werden/ daß aus GOttes befehl 5. Moſ. 27. da der fluch uͤber
gewiſſe laſter und gebrechen von den Leviten geſprochen wurde/ das gantze volck
ſolchen mit einem Amen hat bekraͤfftigen muͤſſen/ und alſo auch deſſelben gerech-
tigkeit uͤber ſich erkennen. 3. Stehet das exempel Davids/ mann derſelbe
Pſalm. 7/ 4. 5. 6. ſich nicht nur auf ſeine unſchuld berufft/ ſondern auch in dem
gegentheil GOttes gericht auf ſich wuͤnſchet: Habe ich ſolches gethan, und iſt
unrecht in meinen haͤnden. Habe ich boͤſes vergolten denen, ſo friedlich
mit mir lebten, oder die, ſo mir ohn urſach feind waren, beſchaͤdiget, ſo ver-
folge mein feind meine ſeele, und ergreiffe ſie, und trete mein leben zu
boden, und legemeine ehre in den ſtaub.
4. Jn dem Pf. 137/ 5. 6. ſcheinet
ein eigentlich exempel unſerer frage zu ſeyn: Vergeſſe ich dein Jeruſalem,
ſo werde meiner rechte vergeſſen
m. f. w. 5. Moͤchte man auch hieher ziehen/
daß in einem jeglichen eydſchwur interpretative eben dieſes ſtecke/ wo wir nicht
wuͤrden dem eyd ein gnuͤgen thun/ daß dann der gerechte richter/ den wir zum
zeugen des eyds angeruffen/ nach ſeiner gerechtigkeit es raͤchen wolle. Wel-
ches eben dasjenige ſcheinet zu ſeyn/ welches in unſerer frage gefraget wird.

Nichts deſto weniger zweiffle ich nicht/ daß nach reifflicher erwegung
der ſache vielmehr mit Nein zu antworten ſeye: welches die nachſetzende ar-
gumenta
erweiſen. 1. Wir werden dahin gewieſen/ daß alle unſere gebete
gehen ſollen nach GOTTES willen 1. Joh. 5/ 14. und wir deswegen
nichts wider ſeinen geoffenbarten willen zu bitten macht haben/ oder unſer ge-
bet wuͤrde zur ſuͤnde: beygeſetzt/ daß auch in unſerm Vater unſer/ wir die erfuͤl-
lung goͤttlichen willens bitten. Nun aber iſt goͤttlichem willen gemaͤß/ zwar
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[518/0530] Das ſiebende Capitel. DJeſe frage mit ja zu beantworten/ ſolten folgende gruͤnde angefuͤhret werden koͤnnen. 1. Die aufrichtigkeit des guten vorſatzes/ ſo ſich bey dem bußfertigen findet: denn weil er die ſuͤnde hertzlich haſſet/ und nun- mehr ſelbs einen eckel an derſelbigen hat/ ſo begehret er/ nicht nur ein und an- dere zeit/ ſondern die tag ſeines lebens/ dieſelbe nicht wiederum muthwillig zu begehen/ und alſo ihr zu dienen/ ſondern er verſchweret ſie auf ewig. Weil auch der glaube das hertz reiniget/ und den heiligen Geiſt mit ſich hat/ ſo iſt aber- mal dieſer ernſtliche vorfatz eine nothwendige frucht deſſelben. Vorausgeſetzt die- ſes redlichen vorſatzes ſolte ſcheinen/ daß dann derjenige/ welcher nun und nim- mermehr muthwillig zu ſuͤndigen begehret/ auch auf den fall der muthwilligen ſuͤnde/ die er weißt nicht zu erfolgen/ GOttes ſtraffe uͤber ſich wuͤnſchen moͤge. 2. Mag angezogen werden/ daß aus GOttes befehl 5. Moſ. 27. da der fluch uͤber gewiſſe laſter und gebrechen von den Leviten geſprochen wurde/ das gantze volck ſolchen mit einem Amen hat bekraͤfftigen muͤſſen/ und alſo auch deſſelben gerech- tigkeit uͤber ſich erkennen. 3. Stehet das exempel Davids/ mann derſelbe Pſalm. 7/ 4. 5. 6. ſich nicht nur auf ſeine unſchuld berufft/ ſondern auch in dem gegentheil GOttes gericht auf ſich wuͤnſchet: Habe ich ſolches gethan, und iſt unrecht in meinen haͤnden. Habe ich boͤſes vergolten denen, ſo friedlich mit mir lebten, oder die, ſo mir ohn urſach feind waren, beſchaͤdiget, ſo ver- folge mein feind meine ſeele, und ergreiffe ſie, und trete mein leben zu boden, und legemeine ehre in den ſtaub. 4. Jn dem Pf. 137/ 5. 6. ſcheinet ein eigentlich exempel unſerer frage zu ſeyn: Vergeſſe ich dein Jeruſalem, ſo werde meiner rechte vergeſſen m. f. w. 5. Moͤchte man auch hieher ziehen/ daß in einem jeglichen eydſchwur interpretative eben dieſes ſtecke/ wo wir nicht wuͤrden dem eyd ein gnuͤgen thun/ daß dann der gerechte richter/ den wir zum zeugen des eyds angeruffen/ nach ſeiner gerechtigkeit es raͤchen wolle. Wel- ches eben dasjenige ſcheinet zu ſeyn/ welches in unſerer frage gefraget wird. Nichts deſto weniger zweiffle ich nicht/ daß nach reifflicher erwegung der ſache vielmehr mit Nein zu antworten ſeye: welches die nachſetzende ar- gumenta erweiſen. 1. Wir werden dahin gewieſen/ daß alle unſere gebete gehen ſollen nach GOTTES willen 1. Joh. 5/ 14. und wir deswegen nichts wider ſeinen geoffenbarten willen zu bitten macht haben/ oder unſer ge- bet wuͤrde zur ſuͤnde: beygeſetzt/ daß auch in unſerm Vater unſer/ wir die erfuͤl- lung goͤttlichen willens bitten. Nun aber iſt goͤttlichem willen gemaͤß/ zwar freylich auch/ daß auf endlich nicht erfolgende buſſe GOTTES gericht auf die beharr-

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 518. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/530>, abgerufen am 21.11.2024.