Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.ARTIC.. IV. SECTIO XII. und ihm dancken/ der uns seinen rath und willen gezeiget hat/ nicht nur wo der-selbe mit unserm verlangen überein gekommen/ sondern auch wo er demselben gantz entgegen gestanden: dann wie er allezeit göttlich ist/ also ist er auch allezeit besser als der unsrige: ja uns auch insgemein nützlicher/ ob wir schon eine zeitlang die art solcher nutzbarkeit nicht solten vermögen zu erkennen/ aber gleichwol auch in demsel- ben des glaubens versicherung aus dem göttlichen Wort/ unserer vernunfft befinden sollen lassen vorgehen. Wozu/ das ist/ zu solcher unterwerffung/ auch seine seele kräff- tig geneiget zu haben/ ich mit ihm der göttlichen krafft demüthigen danck sage. Er- freulich war und ist mirs auch/ daß er bezeuget von dem kampff/ in welchen der HErr seine seele führe/ und sie offt die feurigen pfeile des bösewichts fühlen und empfinden lasse. Hier ruffet uns der theure Apostel Jacobus zu: Meine lieben brüder, achtet es eitel freude, wann ihr in mancherley anfechtung fallet, und wisset, daß euer glaube/ so er rechtschaffen ist, gedult wircket. Die gedult aber sol fest bleiben bis aus ende, auf daß ihr seyd vollkommen, und gantz keinen mangel habt. Worinnen der liebe Apostel nicht nur/ was unse- re pflicht in den zugeschickten anfechtungen seye/ angedeutet/ sondern es stecket eben hierinnen die unfehlbare verheissung/ daß der HErr/ wo wir nur seiner gnade bey uns platz geben wollen/ dergleichen in und bey uns durch die anfechtung wircken werde. Nun sind zwar alle anfechtungen/ wohin auch die eusserliche und leibliche trübsalen nicht weniger mit gehören/ von herrlichen und vortrefflichen nutzen/ und theure hülffs-mittel der göttlichen gnade in und an uns/ aber es haben in solcher nutzbarkeit diejenige innerlich einen grossen vorzug/ wo der feind uns selbst an der seele ohne mittel angreift/ sonderlich weil er nach gütigster verhängnüß gemeiniglich solche seine angriffe dahin richtet/ wo er weiß/ da wir am schwächsten oder doch am empfindlichsten seynd. Jndessen aber bleibt der HErr getreu/ der uns nicht über unser vermögen/ oder vielmehr sein uns geschencktes und in uns gewircktes/ lässet versuchet werden/ vielmehr es allezeit so schaffet/ daß wirs mögen ertragen/ u. seine güte in allen hertzlich erkennen/ und ihn zu preisen ursach finden. Er halte also seinem Heyland getreulich aus in seinem kampff/ indem er weit/ weit über- winden wird/ um deß willen der ihn geliebet hat/ daher ihn noch nicht verlassen/ sondern seines herrlichen siegs theilhafftig machen wird. Und was ist dieses schon vor ein seliger sieg/ welcher stracks in diesen anfechtungen stecket/ und unmittel- bar aus denenselben herfliesset? daß wir nemlich unsere schwachheit so viel innig- licher einsehen und erkennen/ zu einer rechtschaffenen demuth/ die viel anders zu überwinden uns ein kräfftiges instrument ist: daß wir der uns lang verborgen ge- bliebenen und sich endlich geoffenbarten krafft/ die uns in der anfechtung erhält/ und dieselbe letzlich überwindet/ gewahr/ dadurch aber in dem glauben/ auch zu andern mal uns auf dasjenige zu verlassen/ was wir weder sehen noch fühlen/ aber k k k 2
ARTIC.. IV. SECTIO XII. und ihm dancken/ der uns ſeinen rath und willen gezeiget hat/ nicht nur wo der-ſelbe mit unſerm verlangen uͤberein gekommen/ ſondern auch wo er demſelben gantz entgegen geſtanden: dann wie er allezeit goͤttlich iſt/ alſo iſt er auch allezeit beſſer als der unſrige: ja uns auch insgemein nuͤtzlicher/ ob wir ſchon eine zeitlang die art ſolcher nutzbarkeit nicht ſolten vermoͤgen zu erkennen/ aber gleichwol auch in demſel- ben des glaubens verſicherung aus dem goͤttlichen Wort/ unſerer vernunfft befinden ſollen laſſen vorgehen. Wozu/ das iſt/ zu ſolcher unterwerffung/ auch ſeine ſeele kraͤff- tig geneiget zu haben/ ich mit ihm der goͤttlichen krafft demuͤthigen danck ſage. Er- freulich war und iſt mirs auch/ daß er bezeuget von dem kampff/ in welchen der HErr ſeine ſeele fuͤhre/ und ſie offt die feurigen pfeile des boͤſewichts fuͤhlen und empfinden laſſe. Hier ruffet uns der theure Apoſtel Jacobus zu: Meine lieben bruͤder, achtet es eitel freude, wann ihr in mancherley anfechtung fallet, und wiſſet, daß euer glaube/ ſo er rechtſchaffen iſt, gedult wircket. Die gedult aber ſol feſt bleiben bis aus ende, auf daß ihr ſeyd vollkommen, und gantz keinen mangel habt. Worinnen der liebe Apoſtel nicht nur/ was unſe- re pflicht in den zugeſchickten anfechtungen ſeye/ angedeutet/ ſondern es ſtecket eben hierinnen die unfehlbare verheiſſung/ daß der HErr/ wo wir nur ſeiner gnade bey uns platz geben wollen/ dergleichen in und bey uns durch die anfechtung wircken werde. Nun ſind zwar alle anfechtungen/ wohin auch die euſſerliche und leibliche truͤbſalen nicht weniger mit gehoͤren/ von herrlichen und vortrefflichen nutzen/ und theure huͤlffs-mittel der goͤttlichen gnade in und an uns/ aber es haben in ſolcher nutzbarkeit diejenige innerlich einen groſſen vorzug/ wo der feind uns ſelbſt an der ſeele ohne mittel angreift/ ſonderlich weil er nach guͤtigſter verhaͤngnuͤß gemeiniglich ſolche ſeine angriffe dahin richtet/ wo er weiß/ da wir am ſchwaͤchſten oder doch am empfindlichſten ſeynd. Jndeſſen aber bleibt der HErr getreu/ der uns nicht uͤber unſer vermoͤgen/ oder vielmehr ſein uns geſchencktes und in uns gewircktes/ laͤſſet verſuchet werden/ vielmehr es allezeit ſo ſchaffet/ daß wirs moͤgen ertragen/ u. ſeine guͤte in allen hertzlich erkennen/ und ihn zu preiſen urſach finden. Er halte alſo ſeinem Heyland getreulich aus in ſeinem kampff/ indem er weit/ weit uͤber- winden wird/ um deß willen der ihn geliebet hat/ daher ihn noch nicht verlaſſen/ ſondern ſeines herrlichen ſiegs theilhafftig machen wird. Und was iſt dieſes ſchon vor ein ſeliger ſieg/ welcher ſtracks in dieſen anfechtungen ſtecket/ und unmittel- bar aus denenſelben herflieſſet? daß wir nemlich unſere ſchwachheit ſo viel innig- licher einſehen und erkennen/ zu einer rechtſchaffenen demuth/ die viel anders zu uͤberwinden uns ein kraͤfftiges inſtrument iſt: daß wir der uns lang verborgen ge- bliebenen und ſich endlich geoffenbarten krafft/ die uns in der anfechtung erhaͤlt/ und dieſelbe letzlich uͤberwindet/ gewahr/ dadurch aber in dem glauben/ auch zu andern mal uns auf dasjenige zu verlaſſen/ was wir weder ſehen noch fuͤhlen/ aber k k k 2
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ARTIC.. IV. SECTIO XII.
und ihm dancken/ der uns ſeinen rath und willen gezeiget hat/ nicht nur wo der-
ſelbe mit unſerm verlangen uͤberein gekommen/ ſondern auch wo er demſelben gantz
entgegen geſtanden: dann wie er allezeit goͤttlich iſt/ alſo iſt er auch allezeit beſſer als
der unſrige: ja uns auch insgemein nuͤtzlicher/ ob wir ſchon eine zeitlang die art
ſolcher nutzbarkeit nicht ſolten vermoͤgen zu erkennen/ aber gleichwol auch in demſel-
ben des glaubens verſicherung aus dem goͤttlichen Wort/ unſerer vernunfft befinden
ſollen laſſen vorgehen. Wozu/ das iſt/ zu ſolcher unterwerffung/ auch ſeine ſeele kraͤff-
tig geneiget zu haben/ ich mit ihm der goͤttlichen krafft demuͤthigen danck ſage. Er-
freulich war und iſt mirs auch/ daß er bezeuget von dem kampff/ in welchen der HErr
ſeine ſeele fuͤhre/ und ſie offt die feurigen pfeile des boͤſewichts fuͤhlen und empfinden
laſſe. Hier ruffet uns der theure Apoſtel Jacobus zu: Meine lieben bruͤder, achtet
es eitel freude, wann ihr in mancherley anfechtung fallet, und wiſſet,
daß euer glaube/ ſo er rechtſchaffen iſt, gedult wircket. Die gedult
aber ſol feſt bleiben bis aus ende, auf daß ihr ſeyd vollkommen, und
gantz keinen mangel habt. Worinnen der liebe Apoſtel nicht nur/ was unſe-
re pflicht in den zugeſchickten anfechtungen ſeye/ angedeutet/ ſondern es ſtecket eben
hierinnen die unfehlbare verheiſſung/ daß der HErr/ wo wir nur ſeiner gnade bey
uns platz geben wollen/ dergleichen in und bey uns durch die anfechtung wircken
werde. Nun ſind zwar alle anfechtungen/ wohin auch die euſſerliche und leibliche
truͤbſalen nicht weniger mit gehoͤren/ von herrlichen und vortrefflichen nutzen/ und
theure huͤlffs-mittel der goͤttlichen gnade in und an uns/ aber es haben in ſolcher
nutzbarkeit diejenige innerlich einen groſſen vorzug/ wo der feind uns ſelbſt an der
ſeele ohne mittel angreift/ ſonderlich weil er nach guͤtigſter verhaͤngnuͤß gemeiniglich
ſolche ſeine angriffe dahin richtet/ wo er weiß/ da wir am ſchwaͤchſten oder doch
am empfindlichſten ſeynd. Jndeſſen aber bleibt der HErr getreu/ der uns nicht
uͤber unſer vermoͤgen/ oder vielmehr ſein uns geſchencktes und in uns gewircktes/
laͤſſet verſuchet werden/ vielmehr es allezeit ſo ſchaffet/ daß wirs moͤgen ertragen/ u.
ſeine guͤte in allen hertzlich erkennen/ und ihn zu preiſen urſach finden. Er halte
alſo ſeinem Heyland getreulich aus in ſeinem kampff/ indem er weit/ weit uͤber-
winden wird/ um deß willen der ihn geliebet hat/ daher ihn noch nicht verlaſſen/
ſondern ſeines herrlichen ſiegs theilhafftig machen wird. Und was iſt dieſes ſchon
vor ein ſeliger ſieg/ welcher ſtracks in dieſen anfechtungen ſtecket/ und unmittel-
bar aus denenſelben herflieſſet? daß wir nemlich unſere ſchwachheit ſo viel innig-
licher einſehen und erkennen/ zu einer rechtſchaffenen demuth/ die viel anders zu
uͤberwinden uns ein kraͤfftiges inſtrument iſt: daß wir der uns lang verborgen ge-
bliebenen und ſich endlich geoffenbarten krafft/ die uns in der anfechtung erhaͤlt/
und dieſelbe letzlich uͤberwindet/ gewahr/ dadurch aber in dem glauben/ auch zu
andern mal uns auf dasjenige zu verlaſſen/ was wir weder ſehen noch fuͤhlen/
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Zitationshilfe: | Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 443. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/455>, abgerufen am 15.06.2024. |