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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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ARTIC. IV. SECTIO IX.
noch unter allen meinen freunden vor den glückseligsten halte/ dem GOtt annoch die
grösseste gnade gethan/ daß er ungehindert alles/ was er zu seiner gemeinde aufer-
bauung dienlich zu seyn erkannt/ zu werck hat richten dörffen u. können. Welches ich
vor einen ungemeinen göttlichen segen achte/ u. der himmlischen güte davor mit ihm
danck zu sagen habe. GOtt stehet ihm auch bey/ daß er mit grossem verstand/ behut-
samkeit/ friedfertigkeit und demuth alles sein amt verrichtet/ daß jederman erkennen
muß/ daß er nichts seines eigenen nutzens oder ehre oder lust suche/ daher man seinem
eifer platz geben muß/ und auch selbs die Päbstische Herrschafft nichts dagegen zu
thun sich unterstanden hat. Der HErr gebe ihm und allen treuen dienern nach sei-
ner gnade seinen willen recht zu erkennen und ohne hindernüß zu vollbringen.

SECTIO IX.
Trostschreiben über eines Christlichen predigers tod an seine witwe.

DJe hertzliche betrübnüß/ welche mir durch unvermuthete post von dero geliebten
herrn obwol seligem jedoch uns unverhofftem todesfall verursachet worden/
so dann die schuldige gegen sie als dessen hinterlassene tragende liebe/ hat erfodert/ de-
roselben beyder einiges zeugnüß/ weil ichs auf andere wege zu thun nicht weiß/ aufs
wenigste mit christlichem zuschreiben/ abzulegen. So leugne nun nicht/ ob mir wol/
so oft von eines treuen dieners GOttes zeitlichem ableiben vernehme/ solches allemal
zu hertzen gehe/ alldieweil wir deroselben nicht allzuviele zu verlieren haben/ daß mir
doch von ziemlicher zeit hero keines andern abschied so viele bewegung gemacht. Jn-
dem ich nicht allein bis daher diejenige treue/ die er an den dienst der gemeine Gottes
wendete/ billich hochgehalten habe/ und so viel mehr davon von andern christlichen
freunden habe rühmen gehöret/ auch das gemüth aus dem vertraulichen schreiben an
mich genauer habe kennen lernen/ so vielmehr in der liebe gegen ihn weiter entzündet
worden bin; sondern ich hatte immer gehoffet/ Gott würde mir die freude geben/ daß
wir dermaleins hie dieses orts zusammen leben u. der kirchen neben einander dienende
unserer freundschaft in gegenwart so viel vergnüglicher geniessen möchten; wie dann
wir denselben abermal bey gegenwärtiger vacanz unsers ministerii unsern herrn u.
obern dazu recommendiret hatten. So sehe aber nach so vielen andern aufs neue
wiederum an diesem exempel/ wie wahr es seye/ daß GOttes gedancken nicht die un-
serige/ noch unsere wege die seinige seyn/ u. erfahre auch/ daß mich GOtt derjenigen/
auf welche ich etwa die meiste hoffnung gesetzet hatte/ am wenigsten und kürtzesten ge-
niessen lässet. Nun er ist HErr/ drum haben wir in nichts desjenigen/ was er nach
oder gegen unsere gedancken thut/ ihn zu rechtfertigen u. zu sprechen/ was machst du?
vielweniger uns darüber zu beschweren/ und ihm sein über uns alle habendes recht in
einigen zweifel zu ziehen. Wie nun mir sowol wegen seiner an der kirch gebrauchten
treue/ als auch wegen des dadurch leidenden eines guten freundes verlust solcher tod
zu hertzen gegangen: also kan so viel leichter mir einbilden/ wie sehr meiner vielgelieb-
ten frauen gevatterin diese tieffe wunde schmertzen müsse/ einen treuen ehegatten/ ih-

res
IV. Theil. i i i

ARTIC. IV. SECTIO IX.
noch unter allen meinen freunden vor den gluͤckſeligſten halte/ dem GOtt annoch die
groͤſſeſte gnade gethan/ daß er ungehindert alles/ was er zu ſeiner gemeinde aufer-
bauung dienlich zu ſeyn erkannt/ zu werck hat richten doͤrffen u. koͤnnen. Welches ich
vor einen ungemeinen goͤttlichen ſegen achte/ u. der himmliſchen guͤte davor mit ihm
danck zu ſagen habe. GOtt ſtehet ihm auch bey/ daß er mit groſſem verſtand/ behut-
ſamkeit/ friedfertigkeit und demuth alles ſein amt verrichtet/ daß jederman erkennen
muß/ daß er nichts ſeines eigenen nutzens oder ehre oder luſt ſuche/ daher man ſeinem
eifer platz geben muß/ und auch ſelbs die Paͤbſtiſche Herrſchafft nichts dagegen zu
thun ſich unterſtanden hat. Der HErr gebe ihm und allen treuen dienern nach ſei-
ner gnade ſeinen willen recht zu erkennen und ohne hindernuͤß zu vollbringen.

SECTIO IX.
Troſtſchreiben uͤber eines Chriſtlichen predigers tod an ſeine witwe.

DJe hertzliche betruͤbnuͤß/ welche mir durch unvermuthete poſt von dero geliebten
herrn obwol ſeligem jedoch uns unverhofftem todesfall verurſachet worden/
ſo dann die ſchuldige gegen ſie als deſſen hinterlaſſene tragende liebe/ hat erfodert/ de-
roſelben beyder einiges zeugnuͤß/ weil ichs auf andere wege zu thun nicht weiß/ aufs
wenigſte mit chriſtlichem zuſchreiben/ abzulegen. So leugne nun nicht/ ob mir wol/
ſo oft von eines treuen dieners GOttes zeitlichem ableiben vernehme/ ſolches allemal
zu hertzen gehe/ alldieweil wir deroſelben nicht allzuviele zu verlieren haben/ daß mir
doch von ziemlicher zeit hero keines andern abſchied ſo viele bewegung gemacht. Jn-
dem ich nicht allein bis daher diejenige treue/ die er an den dienſt der gemeine Gottes
wendete/ billich hochgehalten habe/ und ſo viel mehr davon von andern chriſtlichen
freunden habe ruͤhmen gehoͤret/ auch das gemuͤth aus dem vertraulichen ſchꝛeiben an
mich genauer habe kennen lernen/ ſo vielmehr in der liebe gegen ihn weiter entzuͤndet
worden bin; ſondern ich hatte immer gehoffet/ Gott wuͤrde mir die freude geben/ daß
wir dermaleins hie dieſes orts zuſam̃en leben u. der kirchen neben einandeꝛ dienende
unſerer freundſchaft in gegenwart ſo viel vergnuͤglicher genieſſen moͤchten; wie dann
wir denſelben abermal bey gegenwaͤrtiger vacanz unſers miniſterii unſern herrn u.
obern dazu recommendiret hatten. So ſehe aber nach ſo vielen andern aufs neue
wiederum an dieſem exempel/ wie wahr es ſeye/ daß GOttes gedancken nicht die un-
ſerige/ noch unſere wege die ſeinige ſeyn/ u. erfahre auch/ daß mich GOtt derjenigen/
auf welche ich etwa die meiſte hoffnung geſetzet hatte/ am wenigſten und kuͤrtzeſten ge-
nieſſen laͤſſet. Nun er iſt HErr/ drum haben wir in nichts desjenigen/ was er nach
oder gegen unſere gedancken thut/ ihn zu rechtfertigen u. zu ſpꝛechen/ was machſt du?
vielweniger uns daruͤber zu beſchweren/ und ihm ſein uͤber uns alle habendes recht in
einigen zweifel zu ziehen. Wie nun mir ſowol wegen ſeiner an der kirch gebrauchten
treue/ als auch wegen des dadurch leidenden eines guten freundes verluſt ſolcher tod
zu hertzen gegangen: alſo kan ſo viel leichter mir einbilden/ wie ſehr meiner vielgelieb-
ten frauen gevatterin dieſe tieffe wunde ſchmertzen muͤſſe/ einen treuen ehegatten/ ih-

res
IV. Theil. i i i
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[433/0445] ARTIC. IV. SECTIO IX. noch unter allen meinen freunden vor den gluͤckſeligſten halte/ dem GOtt annoch die groͤſſeſte gnade gethan/ daß er ungehindert alles/ was er zu ſeiner gemeinde aufer- bauung dienlich zu ſeyn erkannt/ zu werck hat richten doͤrffen u. koͤnnen. Welches ich vor einen ungemeinen goͤttlichen ſegen achte/ u. der himmliſchen guͤte davor mit ihm danck zu ſagen habe. GOtt ſtehet ihm auch bey/ daß er mit groſſem verſtand/ behut- ſamkeit/ friedfertigkeit und demuth alles ſein amt verrichtet/ daß jederman erkennen muß/ daß er nichts ſeines eigenen nutzens oder ehre oder luſt ſuche/ daher man ſeinem eifer platz geben muß/ und auch ſelbs die Paͤbſtiſche Herrſchafft nichts dagegen zu thun ſich unterſtanden hat. Der HErr gebe ihm und allen treuen dienern nach ſei- ner gnade ſeinen willen recht zu erkennen und ohne hindernuͤß zu vollbringen. 27. Octobr. 1680. SECTIO IX. Troſtſchreiben uͤber eines Chriſtlichen predigers tod an ſeine witwe. DJe hertzliche betruͤbnuͤß/ welche mir durch unvermuthete poſt von dero geliebten herrn obwol ſeligem jedoch uns unverhofftem todesfall verurſachet worden/ ſo dann die ſchuldige gegen ſie als deſſen hinterlaſſene tragende liebe/ hat erfodert/ de- roſelben beyder einiges zeugnuͤß/ weil ichs auf andere wege zu thun nicht weiß/ aufs wenigſte mit chriſtlichem zuſchreiben/ abzulegen. So leugne nun nicht/ ob mir wol/ ſo oft von eines treuen dieners GOttes zeitlichem ableiben vernehme/ ſolches allemal zu hertzen gehe/ alldieweil wir deroſelben nicht allzuviele zu verlieren haben/ daß mir doch von ziemlicher zeit hero keines andern abſchied ſo viele bewegung gemacht. Jn- dem ich nicht allein bis daher diejenige treue/ die er an den dienſt der gemeine Gottes wendete/ billich hochgehalten habe/ und ſo viel mehr davon von andern chriſtlichen freunden habe ruͤhmen gehoͤret/ auch das gemuͤth aus dem vertraulichen ſchꝛeiben an mich genauer habe kennen lernen/ ſo vielmehr in der liebe gegen ihn weiter entzuͤndet worden bin; ſondern ich hatte immer gehoffet/ Gott wuͤrde mir die freude geben/ daß wir dermaleins hie dieſes orts zuſam̃en leben u. der kirchen neben einandeꝛ dienende unſerer freundſchaft in gegenwart ſo viel vergnuͤglicher genieſſen moͤchten; wie dann wir denſelben abermal bey gegenwaͤrtiger vacanz unſers miniſterii unſern herrn u. obern dazu recommendiret hatten. So ſehe aber nach ſo vielen andern aufs neue wiederum an dieſem exempel/ wie wahr es ſeye/ daß GOttes gedancken nicht die un- ſerige/ noch unſere wege die ſeinige ſeyn/ u. erfahre auch/ daß mich GOtt derjenigen/ auf welche ich etwa die meiſte hoffnung geſetzet hatte/ am wenigſten und kuͤrtzeſten ge- nieſſen laͤſſet. Nun er iſt HErr/ drum haben wir in nichts desjenigen/ was er nach oder gegen unſere gedancken thut/ ihn zu rechtfertigen u. zu ſpꝛechen/ was machſt du? vielweniger uns daruͤber zu beſchweren/ und ihm ſein uͤber uns alle habendes recht in einigen zweifel zu ziehen. Wie nun mir ſowol wegen ſeiner an der kirch gebrauchten treue/ als auch wegen des dadurch leidenden eines guten freundes verluſt ſolcher tod zu hertzen gegangen: alſo kan ſo viel leichter mir einbilden/ wie ſehr meiner vielgelieb- ten frauen gevatterin dieſe tieffe wunde ſchmertzen muͤſſe/ einen treuen ehegatten/ ih- res IV. Theil. i i i

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 433. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/445>, abgerufen am 24.11.2024.