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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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Das siebende Capitel.
machen/ dadurch aber das gewächs seiner gerechtigkeit zu einer reichen ernde jenes
tages aufwachsen lassen wolle. etc.

SECTIO XXIII.
An eine Fürstl. person. Von der gelassenheit und un-
terwerffung unter Göttlichen Willen Baxters buch von ver-
läugnung sein selbs. Hoher stand auch daran verbunden. Bü-
cher zeigen die pflichten ohne schmeicheln. Woher die kräffte
der selbs-verläugnung nicht so wol aus dem gesetz als
dem evangelio und glauben.

ES ist mir hertzlich lieb gewesen/ daß der verhofften zusammen sprach/ da sie
unterbleiben müssen/ der wille Gottes willig vorgezogen worden. Wie ich
davor halte/ es sey kaum eine nützlichere übung/ als eben diese/ in allen stü-
cken/ was wir verlangt/ und solte es nicht nur unsern eignen begierden das
angenehmste/ sondern auch unsern gedancken nach selbs das vorträglichste geschienen
haben/ so bald als Gott nur durch den ausgang seinen willen auf das gegentheil zu
erkennen giebet/ mit diesem zu frieden zu seyn/ und wahrhaftig zu glauben/ dieses seye
das beste/ was der weiseste Herr hat geschehen lassen/ ob wir wol wie es in diesem
u. jenem und also etwa in entziehung eines uns nützlich geschienen gutes gut seye/ mit
unsern sinnen und überlegung nicht begreiffen können/ aber auch hierinn unsre ver-
nunfft unter dem gehorsam des glaubens Christi gefangen nehmen müssen/ welches
wie es in der blossen betrachtung das billichste und selbs vernünfftigste erkant wird/
also gleichwol in der übung uns so gar leicht nicht anzukommen pflegt/ wie wir bey
uns selbs finden/ wo wir solche zufriedenheit resolviren, daß nicht wenig wider-
sprüche deroselben ruhe bey uns zu verstöhren suchen. Kommts aber dahin daß wir
uns nicht nur in den willen des HErrn in grossen u. kleinen dingen zu geben den ent-
schluß fassen/ dahin uns unser Christenthum so bald weiset/ sondern wircklich die ruhe
in dem gemüth ohne vielen widerspruch oder kampf gefühlet wird/ so würde es ein
anzeig seyn/ in dieser schul des HErren weit zugenommen und gelernet zu haben; dar-
inn ich mich selbs einen noch weit in dem anfang zurückstehenden schüler zu seyn er-
kenne/ aber offt bey den einfältigsten das größte maß dieser tugend und seligen ruhe
gefunden/ welche fast ohn einige bewegung die erfüllung der ausbleibung ihrer ge-
habten hoffnung und verlangens auf gleiche weise stracks/ als sie den willen des
HErrn gesehen/ angenommen: dabey uns offt die vermeinte weißlichere überlegun-
gen/ was aus diesen u. jenen vor nutzen erfolgen können/ oder nun unterbleiben/ her-

gegen

Das ſiebende Capitel.
machen/ dadurch aber das gewaͤchs ſeiner gerechtigkeit zu einer reichen ernde jenes
tages aufwachſen laſſen wolle. ꝛc.

SECTIO XXIII.
An eine Fuͤrſtl. perſon. Von der gelaſſenheit und un-
terwerffung unter Goͤttlichen Willen Baxters buch von ver-
laͤugnung ſein ſelbs. Hoher ſtand auch daran verbunden. Buͤ-
cher zeigen die pflichten ohne ſchmeicheln. Woher die kraͤffte
der ſelbs-verlaͤugnung nicht ſo wol aus dem geſetz als
dem evangelio und glauben.

ES iſt mir hertzlich lieb geweſen/ daß der verhofften zuſammen ſprach/ da ſie
unterbleiben muͤſſen/ der wille Gottes willig vorgezogen worden. Wie ich
davor halte/ es ſey kaum eine nuͤtzlichere uͤbung/ als eben dieſe/ in allen ſtuͤ-
cken/ was wir verlangt/ und ſolte es nicht nur unſern eignen begierden das
angenehmſte/ ſondern auch unſeꝛn gedancken nach ſelbs das vortꝛaͤglichſte geſchienen
haben/ ſo bald als Gott nur durch den ausgang ſeinen willen auf das gegentheil zu
erkennen giebet/ mit dieſem zu frieden zu ſeyn/ und wahrhaftig zu glauben/ dieſes ſeye
das beſte/ was der weiſeſte Herr hat geſchehen laſſen/ ob wir wol wie es in dieſem
u. jenem und alſo etwa in entziehung eines uns nuͤtzlich geſchienen gutes gut ſeye/ mit
unſern ſinnen und uͤberlegung nicht begreiffen koͤnnen/ aber auch hierinn unſre ver-
nunfft unter dem gehorſam des glaubens Chriſti gefangen nehmen muͤſſen/ welches
wie es in der bloſſen betrachtung das billichſte und ſelbs vernuͤnfftigſte erkant wird/
alſo gleichwol in der uͤbung uns ſo gar leicht nicht anzukommen pflegt/ wie wir bey
uns ſelbs finden/ wo wir ſolche zufriedenheit reſolviren, daß nicht wenig wider-
ſpruͤche deroſelben ruhe bey uns zu verſtoͤhren ſuchen. Kommts aber dahin daß wir
uns nicht nur in den willen des HErrn in groſſen u. kleinen dingen zu geben den ent-
ſchluß faſſen/ dahin uns unſer Chriſtenthum ſo bald weiſet/ ſondern wircklich die ruhe
in dem gemuͤth ohne vielen widerſpruch oder kampf gefuͤhlet wird/ ſo wuͤrde es ein
anzeig ſeyn/ in dieſer ſchul des HErren weit zugenommen und gelernet zu haben; dar-
inn ich mich ſelbs einen noch weit in dem anfang zuruͤckſtehenden ſchuͤler zu ſeyn er-
kenne/ aber offt bey den einfaͤltigſten das groͤßte maß dieſer tugend und ſeligen ruhe
gefunden/ welche faſt ohn einige bewegung die erfuͤllung der ausbleibung ihrer ge-
habten hoffnung und verlangens auf gleiche weiſe ſtracks/ als ſie den willen des
HErrn geſehen/ angenommen: dabey uns offt die vermeinte weißlichere uͤberlegun-
gen/ was aus dieſen u. jenen vor nutzen erfolgen koͤnnen/ oder nun unterbleiben/ her-

gegen
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[410/0422] Das ſiebende Capitel. machen/ dadurch aber das gewaͤchs ſeiner gerechtigkeit zu einer reichen ernde jenes tages aufwachſen laſſen wolle. ꝛc. 1698. SECTIO XXIII. An eine Fuͤrſtl. perſon. Von der gelaſſenheit und un- terwerffung unter Goͤttlichen Willen Baxters buch von ver- laͤugnung ſein ſelbs. Hoher ſtand auch daran verbunden. Buͤ- cher zeigen die pflichten ohne ſchmeicheln. Woher die kraͤffte der ſelbs-verlaͤugnung nicht ſo wol aus dem geſetz als dem evangelio und glauben. ES iſt mir hertzlich lieb geweſen/ daß der verhofften zuſammen ſprach/ da ſie unterbleiben muͤſſen/ der wille Gottes willig vorgezogen worden. Wie ich davor halte/ es ſey kaum eine nuͤtzlichere uͤbung/ als eben dieſe/ in allen ſtuͤ- cken/ was wir verlangt/ und ſolte es nicht nur unſern eignen begierden das angenehmſte/ ſondern auch unſeꝛn gedancken nach ſelbs das vortꝛaͤglichſte geſchienen haben/ ſo bald als Gott nur durch den ausgang ſeinen willen auf das gegentheil zu erkennen giebet/ mit dieſem zu frieden zu ſeyn/ und wahrhaftig zu glauben/ dieſes ſeye das beſte/ was der weiſeſte Herr hat geſchehen laſſen/ ob wir wol wie es in dieſem u. jenem und alſo etwa in entziehung eines uns nuͤtzlich geſchienen gutes gut ſeye/ mit unſern ſinnen und uͤberlegung nicht begreiffen koͤnnen/ aber auch hierinn unſre ver- nunfft unter dem gehorſam des glaubens Chriſti gefangen nehmen muͤſſen/ welches wie es in der bloſſen betrachtung das billichſte und ſelbs vernuͤnfftigſte erkant wird/ alſo gleichwol in der uͤbung uns ſo gar leicht nicht anzukommen pflegt/ wie wir bey uns ſelbs finden/ wo wir ſolche zufriedenheit reſolviren, daß nicht wenig wider- ſpruͤche deroſelben ruhe bey uns zu verſtoͤhren ſuchen. Kommts aber dahin daß wir uns nicht nur in den willen des HErrn in groſſen u. kleinen dingen zu geben den ent- ſchluß faſſen/ dahin uns unſer Chriſtenthum ſo bald weiſet/ ſondern wircklich die ruhe in dem gemuͤth ohne vielen widerſpruch oder kampf gefuͤhlet wird/ ſo wuͤrde es ein anzeig ſeyn/ in dieſer ſchul des HErren weit zugenommen und gelernet zu haben; dar- inn ich mich ſelbs einen noch weit in dem anfang zuruͤckſtehenden ſchuͤler zu ſeyn er- kenne/ aber offt bey den einfaͤltigſten das groͤßte maß dieſer tugend und ſeligen ruhe gefunden/ welche faſt ohn einige bewegung die erfuͤllung der ausbleibung ihrer ge- habten hoffnung und verlangens auf gleiche weiſe ſtracks/ als ſie den willen des HErrn geſehen/ angenommen: dabey uns offt die vermeinte weißlichere uͤberlegun- gen/ was aus dieſen u. jenen vor nutzen erfolgen koͤnnen/ oder nun unterbleiben/ her- gegen

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 410. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/422>, abgerufen am 25.11.2024.