Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.ARTIC. II. SECTIO XXIX. der anzuvertrauen. So dörffen wir auch nicht nur an das Pabstthum ge-dencken/ sondern wir mögen auch in unserer Evangelischen kirchen leider exem- pel finden/ daß prediger eben in diesem fall zuweilen gar weit von göttlicher ordnung abgegangen/ und ihren passionen raum gegeben: Solle also alles vertrauen in solchen schrancken bleiben/ daß ihnen und uns nicht gefährlich seye. Die andere frage. Ob das judicium in consistorio, wo sich ein prediger oder eltester dawider setzte/ müsse per majora gefället werden/ und ob durch solche widersetzung die gantze censur könne aufgehaben werden/ und was in dergleichen casu zu thun seye? Antwort: 1. §. 2. Wie nun unterschiedlicherley in dieser frage zusammen gefasset es o o 3
ARTIC. II. SECTIO XXIX. der anzuvertrauen. So doͤrffen wir auch nicht nur an das Pabſtthum ge-dencken/ ſondern wir moͤgen auch in unſerer Evangeliſchen kirchen leider exem- pel finden/ daß prediger eben in dieſem fall zuweilen gar weit von goͤttlicher ordnung abgegangen/ und ihren paſſionen raum gegeben: Solle alſo alles vertrauen in ſolchen ſchrancken bleiben/ daß ihnen und uns nicht gefaͤhrlich ſeye. Die andere frage. Ob das judicium in conſiſtorio, wo ſich ein prediger oder elteſter dawider ſetzte/ muͤſſe per majora gefaͤllet werden/ und ob durch ſolche widerſetzung die gantze cenſur koͤnne aufgehaben werden/ und was in dergleichen caſu zu thun ſeye? Antwort: 1. §. 2. Wie nun unterſchiedlicherley in dieſer frage zuſammen gefaſſet es o o 3
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ARTIC. II. SECTIO XXIX.
der anzuvertrauen. So doͤrffen wir auch nicht nur an das Pabſtthum ge-
dencken/ ſondern wir moͤgen auch in unſerer Evangeliſchen kirchen leider exem-
pel finden/ daß prediger eben in dieſem fall zuweilen gar weit von goͤttlicher
ordnung abgegangen/ und ihren paſſionen raum gegeben: Solle alſo alles
vertrauen in ſolchen ſchrancken bleiben/ daß ihnen und uns nicht gefaͤhrlich
ſeye.
Die andere frage.
Ob das judicium in conſiſtorio, wo ſich ein prediger oder elteſter
dawider ſetzte/ muͤſſe per majora gefaͤllet werden/ und ob durch
ſolche widerſetzung die gantze cenſur koͤnne aufgehaben werden/
und was in dergleichen caſu zu thun ſeye?
Antwort:
1.
ES iſt dieſe frage auch ſehr wichtig/ und trifft nicht nur den fall/ da pre-
diger und elteſten in einem gericht ſitzen/ ſondern koͤnte ſich dergleichen
mißhelligkeit eben ſo wol begeben/ dafern nur bloß prediger in einem
ſolchen kirchen-gericht ſich finden wuͤrden.
§. 2. Wie nun unterſchiedlicherley in dieſer frage zuſammen gefaſſet
wird/ ſo muß unterſchiedliches auch in der antwort bemercket werden. Jns-
gemein ſehe ich nicht/ daß man anders ſprechen koͤnne als daß die majora or-
dentlicher weiſe guͤltig ſeyn muͤſſen/ als welches in dem menſchlichen leben
und in allen collegiis platz hat/ ja gantz nothwendig iſt/ wo anders jemal
etwas ausgerichtet werden ſolle: Dann ſo fern einem oder einigen geſtattet
werden muͤſte/ daß er wider die majora excipiren/ und ſich auf die ſaniora
beruffend/ ſein votum dafuͤr ausgeben doͤrffte/ mit dem effect, daß damit eo
ipſo der ſchluß der majorum umgeſtoſſen/ und aufs wenigſte die ſache in ſus-
penſo gelaſſen werden muͤſte/ ſo wuͤrden faſt ſtets alle judicia vergebens
und ohne effect ſeyn; indem es eben nicht ſo gar gemein/ daß uͤber ein ur-
theil die ſtimmen gar alle auf eines ausfallen. Ob es nun wol blos dahin
muͤglich iſt/ daß die majora auch fehlen koͤnten/ daher wir in ſachen/ wel-
che unſern glauben und dasjenige/ daraus wir ſelig werden muͤſſen/ an-
gehen/ ob ſchon in einer groſſen verſammlung per majora etwas/ ſo goͤtt-
licher wahrheit zuwider waͤre/ geſchloſſen wuͤrde/ demſelben nicht folgen/
oder uns darauf verlaſſen doͤrfften/ weil unſer glaube durchaus auf kei-
nes menſchen autoritaͤt und ausſpruch beſtehen ſoll/ ſondern allein das
wort und zeugnuͤß des heiligen Geiſtes zum grunde haben muß/ ſo leidet
es
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