Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.Das siebende Capitel. etwa mehrere erudition und wissenschafft der prediger nicht/ daß sie alleinzu urtheilen hätten/ sondern die gemeinde bleibet dazu tüchtig/ und wo sie durch ihre consistoriales dasselbe verrichten will/ ist zu hoffen/ daß sie die tüchtigste dazu gewehlet habe/ die in solchem ihrem amt/ dazu sie mit gebet und hand-auflegen geweyhet worden/ sich des heiligen Geistes/ als des Geistes der weißheit/ beystandes und lichts in dingen/ so die ehre des HErrn und bestes der seelen angehen/ so wol getrösten können/ als die prediger sol- che gaben von demselben empfangen müssen. §. 18. Wo wir endlich den letzten scrupel besehen/ mag er auch die der
Das ſiebende Capitel. etwa mehrere erudition und wiſſenſchafft der prediger nicht/ daß ſie alleinzu urtheilen haͤtten/ ſondern die gemeinde bleibet dazu tuͤchtig/ und wo ſie durch ihre conſiſtoriales daſſelbe verrichten will/ iſt zu hoffen/ daß ſie die tuͤchtigſte dazu gewehlet habe/ die in ſolchem ihrem amt/ dazu ſie mit gebet und hand-auflegen geweyhet worden/ ſich des heiligen Geiſtes/ als des Geiſtes der weißheit/ beyſtandes und lichts in dingen/ ſo die ehre des HErrn und beſtes der ſeelen angehen/ ſo wol getroͤſten koͤnnen/ als die prediger ſol- che gaben von demſelben empfangen muͤſſen. §. 18. Wo wir endlich den letzten ſcrupel beſehen/ mag er auch die der
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Das ſiebende Capitel.
etwa mehrere erudition und wiſſenſchafft der prediger nicht/ daß ſie allein
zu urtheilen haͤtten/ ſondern die gemeinde bleibet dazu tuͤchtig/ und wo ſie
durch ihre conſiſtoriales daſſelbe verrichten will/ iſt zu hoffen/ daß ſie die
tuͤchtigſte dazu gewehlet habe/ die in ſolchem ihrem amt/ dazu ſie mit gebet
und hand-auflegen geweyhet worden/ ſich des heiligen Geiſtes/ als des
Geiſtes der weißheit/ beyſtandes und lichts in dingen/ ſo die ehre des HErrn
und beſtes der ſeelen angehen/ ſo wol getroͤſten koͤnnen/ als die prediger ſol-
che gaben von demſelben empfangen muͤſſen.
§. 18. Wo wir endlich den letzten ſcrupel beſehen/ mag er auch die
oben beſtaͤtigte wahrheiten nicht umſtoſſen noch zweiffelhafftig machen.
Dann was das vertrauen zu den predigern anlangt/ darff daſſelbe nicht
wider die goͤttliche ordnung extendiret werden. Weil denn dieſe nicht ei-
nem ſtand ſondern der gantzen kirchen die erkaͤntnuͤß in dieſem werck an-
vertrauet hat/ ſo ſtehet uns nicht frey/ ein ſolch vertrauen zu dem predig-
amt zu tragen/ daß wir/ was der HErr aus heiligen und weiſen urſachen
demſelben nicht allein aufgetragen hat/ ihm uͤberlaſſen wolten/ ſo ſollen wir
zwar freylich ein Chriſtliches vertrauen zu unſern ordentlichen hirten tra-
gen/ und wuͤrde ein vermeſſenes mißtrauen gegen ſie noch ſchwerere ſuͤn-
de ſeyn als gegen andere. Wie aber ſolches nicht hindert/ daß wir gleichwol
ihre lehr ſtaͤts nach GOttes wort pruͤffen/ und nichts blindlings annehmen
ſollen/ als hindert es auch nicht/ daß in dem urtheil uͤber der kirchen glieder
ihnen diejenige beygefuͤget werden/ welchen gleiches recht gebuͤhret. So
haben wir ſie auch billig vor verſtaͤndige kluge und treue haußhalter zu ach-
ten/ wo uns das gegentheil nicht vor augen liget/ aber wir muͤſſen doch glau-
ben/ daß ſie menſchen ſeyen/ die ſich auch verſtoſſen und in dem beſt-meinen
ſo wol als andere fehlen koͤnnen. Daher uns und ihnen ſicherer/ daß durch
die weiſe verordnung GOttes und ihrer mehrere beygefuͤgte mit- richter
die gefahr gemindert werde. Wie man nun in ſolchem fall/ wo nach goͤtt-
licher ordnung der proceß gefuͤhret wird/ die leitung ſeines Geiſtes ſo viel
getroſter erwarten kan/ ſo waͤre zu ſorgen/ wo prediger aus unziemlichen af-
fecten und eigenſinn diejenigen ausſchloͤſſen/ welchen GOTT mit ihnen die
aufſicht gegeben/ oder die uͤbrige aus verdruß der geiſtlichen ſorgen und an-
derer traͤgheit/ was ihnen mitgebuͤhret/ jenen allein uͤberlieſſen/ daß der
HErr aus gerechtem gericht wegen verachteter ſeiner ordnung wenig ſe-
gen geben/ ja wol gar die ſonſt verliehene gaben zuruͤckziehen moͤchte. Wir
moͤgen auch dabey gedencken/ wie ungluͤcklich es in dem pabſtum herge-
gangen/ da dieſe cognition und anderes an den ſo genanten geiſtlichen ſtand
allein erwachſen/ daruͤber man nicht gnugſam klagen kan/ aber zu lernen hat/
wie unſicher es ſeye/ auſſer goͤttlicher ordnung einen menſchen zu viel zu-o-
der
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