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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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Das siebende Capitel.

§. 3. So finden wir nun das haupt-fundament der gantzen sache
Matth. 18/ 15. u. f. Wo uns der proceß beschrieben wird/ der gehalten
werden solle/ wenn ein gewester bruder vor einen heyden und zöllner geach-
tet/ und davor declariret werden müste; daß nemlich nach vorigen gra-
den der besondern und mit gewissen zeugen angestellter erinnerungen/ wo die-
selbe fruchtloß abgegangen/ die sache an die gemeinde gebracht werden müsse.
Es heisset: Dic Ecclesiae. Nun ist zwar an dem/ daß man von seiten der
Römischen partey unter dem namen der kirchen die geistlichen und praelaten
allein verstehen will/ wie der Cardinal Bellarm. L. 3. de V. D. c. 5. das wort
erkläret/ es werde verstanden praelatus oder praelatotum congregatio:
Massen dieser einer von den sprüchen ist/ aus denen die päbstische kirche die
unfehlbarkeit der kirchen/ und wie der geistlichkeit das letzte gericht/ dem alle
andere unterworffen seyn müsten/ gebühre/ zu erweisen sich unterstehet/ wie
aber bis daher solchen papisten von den unserigen zur gnüge geantwortet
worden/ hoffe ich nicht nöthig zu seyn/ bey den unserigen dieses mit mehrern
auszuführen: Sondern bleibet vielmehr/ wie es auch der gantzen analo-
giae
unserer religion gemäß ist/ der verstand dieser/ daß es der kirchen/ das
ist/ der versammlung der gläubigen jeglichen orts/ anzubringen seye/ die erst-
lich zu versuchen hat/ ob ein solcher bruder sie noch hören möchte: geschähe
aber solches nicht/ so sey er als ein heyd und zöllner zu achten/ welches aus
dem ausspruch der kirchen geschehen muß. Daß wir also klar genug sehen/
daß der gantzen kirche und nicht einem stand derselben solches recht nach gött-
lichem recht und verordnung CHristi zukomme: der auch noch hinzusetzet/
was dieselbe dermassen auf erden binden würden/ solte auch im himmel ge-
bunden seyn.

§. 4. Wie nun unser Heyland diese ordnung eingesetzet/ und der kirchen
das recht/ über ihre glieder zu dero besserung/ oder anderer verwahrung/ zu
urtheilen gegeben hat/ so sehen wir/ daß stracks im anfang/ da einige gemein-
den gesammlet worden/ die lieben Apostel eine solche verfassung gemacht/ in
welcher die kirche ihre rechte wircklich exercirte. Also sehen wir nicht nur
Apostel Geschicht 6/ 2. 5. als nach der Apostel vorschlag solten leute erweh-
let werden/ die die verpflegung der armen übernehmen/ welche ihnen den
Aposteln hinderlich fiele/ daß die liebe Apostel ihnen die macht nicht ge-
nommen/ dieselbe eigenthätig zu wählen/ sondern/ sie rieffen die menge der
Jünger/ und also die gantze versammlung/ zusammen/ welche sieben män-
ner erwehlten/ und Apost. Gesch. 15/ 22. daß in dem ersten concilio zu
Jerusalem die gemeine oder versammlung der brüder nebens den Aposteln
und eltesten schliessen/ und also ihrer beyflichtung erfordert worden; wel-
ches zeiget/ wie auch in den wichtigsten dingen die Apostel/ da gleichwol

dersel-
Das ſiebende Capitel.

§. 3. So finden wir nun das haupt-fundament der gantzen ſache
Matth. 18/ 15. u. f. Wo uns der proceß beſchrieben wird/ der gehalten
werden ſolle/ wenn ein geweſter bruder vor einen heyden und zoͤllner geach-
tet/ und davor declariret werden muͤſte; daß nemlich nach vorigen gra-
den der beſondern und mit gewiſſen zeugen angeſtellter erinnerungen/ wo die-
ſelbe fruchtloß abgegangen/ die ſache an die gemeinde gebracht werden muͤſſe.
Es heiſſet: Dic Eccleſiæ. Nun iſt zwar an dem/ daß man von ſeiten der
Roͤmiſchen partey unter dem namen der kirchen die geiſtlichen und prælaten
allein verſtehen will/ wie der Cardinal Bellarm. L. 3. de V. D. c. 5. das wort
erklaͤret/ es werde verſtanden prælatus oder prælatotum congregatio:
Maſſen dieſer einer von den ſpruͤchen iſt/ aus denen die paͤbſtiſche kirche die
unfehlbarkeit der kirchen/ und wie der geiſtlichkeit das letzte gericht/ dem alle
andere unterworffen ſeyn muͤſten/ gebuͤhre/ zu erweiſen ſich unterſtehet/ wie
aber bis daher ſolchen papiſten von den unſerigen zur gnuͤge geantwortet
worden/ hoffe ich nicht noͤthig zu ſeyn/ bey den unſerigen dieſes mit mehrern
auszufuͤhren: Sondern bleibet vielmehr/ wie es auch der gantzen analo-
giæ
unſerer religion gemaͤß iſt/ der verſtand dieſer/ daß es der kirchen/ das
iſt/ der verſammlung der glaͤubigen jeglichen orts/ anzubringen ſeye/ die erſt-
lich zu verſuchen hat/ ob ein ſolcher bruder ſie noch hoͤren moͤchte: geſchaͤhe
aber ſolches nicht/ ſo ſey er als ein heyd und zoͤllner zu achten/ welches aus
dem ausſpruch der kirchen geſchehen muß. Daß wir alſo klar genug ſehen/
daß der gantzen kirche und nicht einem ſtand derſelben ſolches recht nach goͤtt-
lichem recht und verordnung CHriſti zukomme: der auch noch hinzuſetzet/
was dieſelbe dermaſſen auf erden binden wuͤrden/ ſolte auch im himmel ge-
bunden ſeyn.

§. 4. Wie nun unſer Heyland dieſe ordnung eingeſetzet/ und der kirchen
das recht/ uͤber ihre glieder zu dero beſſerung/ oder anderer verwahrung/ zu
urtheilen gegeben hat/ ſo ſehen wir/ daß ſtracks im anfang/ da einige gemein-
den geſammlet worden/ die lieben Apoſtel eine ſolche verfaſſung gemacht/ in
welcher die kirche ihre rechte wircklich exercirte. Alſo ſehen wir nicht nur
Apoſtel Geſchicht 6/ 2. 5. als nach der Apoſtel vorſchlag ſolten leute erweh-
let werden/ die die verpflegung der armen uͤbernehmen/ welche ihnen den
Apoſteln hinderlich fiele/ daß die liebe Apoſtel ihnen die macht nicht ge-
nommen/ dieſelbe eigenthaͤtig zu waͤhlen/ ſondern/ ſie rieffen die menge der
Juͤnger/ und alſo die gantze verſammlung/ zuſammen/ welche ſieben maͤn-
ner erwehlten/ und Apoſt. Geſch. 15/ 22. daß in dem erſten concilio zu
Jeruſalem die gemeine oder verſammlung der bruͤder nebens den Apoſteln
und elteſten ſchlieſſen/ und alſo ihrer beyflichtung erfordert worden; wel-
ches zeiget/ wie auch in den wichtigſten dingen die Apoſtel/ da gleichwol

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[280/0292] Das ſiebende Capitel. §. 3. So finden wir nun das haupt-fundament der gantzen ſache Matth. 18/ 15. u. f. Wo uns der proceß beſchrieben wird/ der gehalten werden ſolle/ wenn ein geweſter bruder vor einen heyden und zoͤllner geach- tet/ und davor declariret werden muͤſte; daß nemlich nach vorigen gra- den der beſondern und mit gewiſſen zeugen angeſtellter erinnerungen/ wo die- ſelbe fruchtloß abgegangen/ die ſache an die gemeinde gebracht werden muͤſſe. Es heiſſet: Dic Eccleſiæ. Nun iſt zwar an dem/ daß man von ſeiten der Roͤmiſchen partey unter dem namen der kirchen die geiſtlichen und prælaten allein verſtehen will/ wie der Cardinal Bellarm. L. 3. de V. D. c. 5. das wort erklaͤret/ es werde verſtanden prælatus oder prælatotum congregatio: Maſſen dieſer einer von den ſpruͤchen iſt/ aus denen die paͤbſtiſche kirche die unfehlbarkeit der kirchen/ und wie der geiſtlichkeit das letzte gericht/ dem alle andere unterworffen ſeyn muͤſten/ gebuͤhre/ zu erweiſen ſich unterſtehet/ wie aber bis daher ſolchen papiſten von den unſerigen zur gnuͤge geantwortet worden/ hoffe ich nicht noͤthig zu ſeyn/ bey den unſerigen dieſes mit mehrern auszufuͤhren: Sondern bleibet vielmehr/ wie es auch der gantzen analo- giæ unſerer religion gemaͤß iſt/ der verſtand dieſer/ daß es der kirchen/ das iſt/ der verſammlung der glaͤubigen jeglichen orts/ anzubringen ſeye/ die erſt- lich zu verſuchen hat/ ob ein ſolcher bruder ſie noch hoͤren moͤchte: geſchaͤhe aber ſolches nicht/ ſo ſey er als ein heyd und zoͤllner zu achten/ welches aus dem ausſpruch der kirchen geſchehen muß. Daß wir alſo klar genug ſehen/ daß der gantzen kirche und nicht einem ſtand derſelben ſolches recht nach goͤtt- lichem recht und verordnung CHriſti zukomme: der auch noch hinzuſetzet/ was dieſelbe dermaſſen auf erden binden wuͤrden/ ſolte auch im himmel ge- bunden ſeyn. §. 4. Wie nun unſer Heyland dieſe ordnung eingeſetzet/ und der kirchen das recht/ uͤber ihre glieder zu dero beſſerung/ oder anderer verwahrung/ zu urtheilen gegeben hat/ ſo ſehen wir/ daß ſtracks im anfang/ da einige gemein- den geſammlet worden/ die lieben Apoſtel eine ſolche verfaſſung gemacht/ in welcher die kirche ihre rechte wircklich exercirte. Alſo ſehen wir nicht nur Apoſtel Geſchicht 6/ 2. 5. als nach der Apoſtel vorſchlag ſolten leute erweh- let werden/ die die verpflegung der armen uͤbernehmen/ welche ihnen den Apoſteln hinderlich fiele/ daß die liebe Apoſtel ihnen die macht nicht ge- nommen/ dieſelbe eigenthaͤtig zu waͤhlen/ ſondern/ ſie rieffen die menge der Juͤnger/ und alſo die gantze verſammlung/ zuſammen/ welche ſieben maͤn- ner erwehlten/ und Apoſt. Geſch. 15/ 22. daß in dem erſten concilio zu Jeruſalem die gemeine oder verſammlung der bruͤder nebens den Apoſteln und elteſten ſchlieſſen/ und alſo ihrer beyflichtung erfordert worden; wel- ches zeiget/ wie auch in den wichtigſten dingen die Apoſtel/ da gleichwol derſel-

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/292>, abgerufen am 25.11.2024.