Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.ARTIC. II. SECTIO XIX. Gal. 3/ 28. Col. 3/ 11. Er sihet in nichts in dem geistlichen die person an/daher auch die güter des heyls in wort und sacramenten einerley mit einer maaß und krafft/ ohn unterscheid des standes der person/ allen/ hohen und niedern/ von ihm ertheilet werden: Welcher ursach wegen/ weil die kirche ihres vatern und bräutigams gewohnheit nachfolgen soll/ so solle sie billich auch in diesem stück unter ihren gliedern nach dero eusserlichen stand keinen ärgerlichen und nach der welt schmeckenden unterscheid machen noch machen lassen. Man sehe/ was der heilige Jacobus c. 2. von solcher sache nach- drücklich redet. Wir bekennen zwar gern/ weil obrigkeitliche personen auch nicht nur von menschen/ sondern selbsten von GOTT dem HERRN einen characterem und des orts/ da sie sind/ auch der kirchen oberaufsicht in dem eusserlichen (als episcopi extra ecclesiam) haben/ daß der ursach we- gen/ so dann um des respects willen/ den ihnen ihre unterthanen oder anbe- fohlene aller orten schuldig sind/ davon die kirchliche versammlungen nicht eben ausgeschlossen sind/ der regel Christi nicht bloß dahin zuwider seyn mag/ daß ihnen in eusserlichen dingen/ in vorgang/ vorsitz und dergleichen etwas un- terscheid gegönnet/ und vielmehr von andern ihnen gegeben als von ihnen selbs genommen werde. Jedoch nachdem solcher unterscheid meister or- ten allzuweit will gezogen/ und damit ärgerliches ansehen der person einge- führet werden/ so können wir nicht sehen/ daß solches gesuch über dasjeni- ge/ was aus dem herkommen ohn jemands bedencken behalten wird/ noch weiters/ so nach einem gepräng schmecket/ hinzu zuthun verstattet werde/ son- dern da haben alsdann die diener des HErrn sich solchen attentatis mit eyf- fer zu widersetzen. Damit nicht die klage/ daß in dem gemeinen leben der leidige pracht in neuen moden und andern dergleichen fast von tag zu tag steige/ auch in die kirche endlich einreisse/ und der welt-geist freyheit bekom- me/ auch in denen geistlichen versammlungen nach belieben zu herrschen. 3. Weil alle handelungen zum fördersten auch aus dem scopo, absicht/ motive zu urtheilen sind/ und ob wol nicht eine gute absicht ein böses werck gut/ dannoch ein unziemlicher zweck ein indifferentes werck böse machen kan: so wird man auch hie wol acht zu geben haben/ aus was getrieb oder absicht solches küß-legen und sand- streuen hergekommen. Nun neh- men wir uns zwar die macht nicht/ andere hertzen zu beurtheilen/ anders als so fern sie sich in den eusserlichen hervorthun. Wann aber eben der mund und also auch das leben dessen übergehet/ wessen das hertz voll ist. Matth. 12/ 34. so können wir nicht anders als aufs wenigste sehr sor- gen/ daß es aus hochmuth herkommen. Jndem nicht allein die facti spe- cies von keiner andern ursach zu gedencken anlaß giebet/ sondern auch von uns keine wichtige ursach/ woraus dergleichen hätte geschehen [verlorenes Material - 10 Zeichen fehlen] die IV. Theil. [verlorenes Material - 2 Zeichen fehlen]
ARTIC. II. SECTIO XIX. Gal. 3/ 28. Col. 3/ 11. Er ſihet in nichts in dem geiſtlichen die perſon an/daher auch die guͤter des heyls in wort und ſacramenten einerley mit einer maaß und krafft/ ohn unterſcheid des ſtandes der perſon/ allen/ hohen und niedern/ von ihm ertheilet werden: Welcher urſach wegen/ weil die kirche ihres vatern und braͤutigams gewohnheit nachfolgen ſoll/ ſo ſolle ſie billich auch in dieſem ſtuͤck unter ihren gliedern nach dero euſſerlichen ſtand keinen aͤrgerlichen und nach der welt ſchmeckenden unterſcheid machen noch machen laſſen. Man ſehe/ was der heilige Jacobus c. 2. von ſolcher ſache nach- druͤcklich redet. Wir bekennen zwar gern/ weil obrigkeitliche perſonen auch nicht nur von menſchen/ ſondern ſelbſten von GOTT dem HERRN einen characterem und des orts/ da ſie ſind/ auch der kirchen oberaufſicht in dem euſſerlichen (als epiſcopi extra eccleſiam) haben/ daß der urſach we- gen/ ſo dann um des reſpects willen/ den ihnen ihre unterthanen oder anbe- fohlene aller orten ſchuldig ſind/ davon die kirchliche verſammlungen nicht eben ausgeſchloſſen ſind/ der regel Chriſti nicht bloß dahin zuwider ſeyn mag/ daß ihnen in euſſerlichen dingen/ in vorgang/ vorſitz und dergleichen etwas un- terſcheid gegoͤnnet/ und vielmehr von andern ihnen gegeben als von ihnen ſelbs genommen werde. Jedoch nachdem ſolcher unterſcheid meiſter or- ten allzuweit will gezogen/ und damit aͤrgerliches anſehen der perſon einge- fuͤhret werden/ ſo koͤnnen wir nicht ſehen/ daß ſolches geſuch uͤber dasjeni- ge/ was aus dem herkommen ohn jemands bedencken behalten wird/ noch weiters/ ſo nach einem gepraͤng ſchmecket/ hinzu zuthun verſtattet werde/ ſon- dern da haben alsdann die diener des HErrn ſich ſolchen attentatis mit eyf- fer zu widerſetzen. Damit nicht die klage/ daß in dem gemeinen leben der leidige pracht in neuen moden und andern dergleichen faſt von tag zu tag ſteige/ auch in die kirche endlich einreiſſe/ und der welt-geiſt freyheit bekom- me/ auch in denen geiſtlichen verſammlungen nach belieben zu herrſchen. 3. Weil alle handelungen zum foͤrderſten auch aus dem ſcopo, abſicht/ motive zu urtheilen ſind/ und ob wol nicht eine gute abſicht ein boͤſes werck gut/ dannoch ein unziemlicher zweck ein indifferentes werck boͤſe machen kan: ſo wird man auch hie wol acht zu geben haben/ aus was getrieb oder abſicht ſolches kuͤß-legen und ſand- ſtreuen hergekommen. Nun neh- men wir uns zwar die macht nicht/ andere hertzen zu beurtheilen/ anders als ſo fern ſie ſich in den euſſerlichen hervorthun. Wann aber eben der mund und alſo auch das leben deſſen uͤbergehet/ weſſen das hertz voll iſt. Matth. 12/ 34. ſo koͤnnen wir nicht anders als aufs wenigſte ſehr ſor- gen/ daß es aus hochmuth herkommen. Jndem nicht allein die facti ſpe- cies von keiner andern urſach zu gedencken anlaß giebet/ ſondern auch von uns keine wichtige urſach/ woraus dergleichen haͤtte geſchehen [verlorenes Material – 10 Zeichen fehlen] die IV. Theil. [verlorenes Material – 2 Zeichen fehlen]
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <list> <item><pb facs="#f0253" n="241"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">ARTIC. II. SECTIO XIX.</hi></hi></fw><lb/><hi rendition="#fr">Gal. 3/ 28. Col. 3/ 11.</hi> Er ſihet in nichts in dem geiſtlichen die perſon an/<lb/> daher auch die guͤter des heyls in wort und ſacramenten einerley mit einer<lb/> maaß und krafft/ ohn unterſcheid des ſtandes der perſon/ allen/ hohen und<lb/> niedern/ von ihm ertheilet werden: Welcher urſach wegen/ weil die kirche<lb/> ihres vatern und braͤutigams gewohnheit nachfolgen ſoll/ ſo ſolle ſie billich<lb/> auch in dieſem ſtuͤck unter ihren gliedern nach dero euſſerlichen ſtand keinen<lb/> aͤrgerlichen und nach der welt ſchmeckenden unterſcheid machen noch machen<lb/> laſſen. Man ſehe/ was der heilige Jacobus c. 2. von ſolcher ſache nach-<lb/> druͤcklich redet. Wir bekennen zwar gern/ weil obrigkeitliche perſonen<lb/> auch nicht nur von menſchen/ ſondern ſelbſten von GOTT dem HERRN<lb/> einen <hi rendition="#aq">characterem</hi> und des orts/ da ſie ſind/ auch der kirchen oberaufſicht in<lb/> dem euſſerlichen (als <hi rendition="#aq">epiſcopi extra eccleſiam</hi>) haben/ daß der urſach we-<lb/> gen/ ſo dann um des <hi rendition="#aq">reſpects</hi> willen/ den ihnen ihre unterthanen oder anbe-<lb/> fohlene aller orten ſchuldig ſind/ davon die kirchliche verſammlungen nicht<lb/> eben ausgeſchloſſen ſind/ der regel Chriſti nicht bloß dahin zuwider ſeyn mag/<lb/> daß ihnen in euſſerlichen dingen/ in vorgang/ vorſitz und dergleichen etwas un-<lb/> terſcheid gegoͤnnet/ und vielmehr von andern ihnen gegeben als von ihnen<lb/> ſelbs genommen werde. Jedoch nachdem ſolcher unterſcheid meiſter or-<lb/> ten allzuweit will gezogen/ und damit aͤrgerliches anſehen der perſon einge-<lb/> fuͤhret werden/ ſo koͤnnen wir nicht ſehen/ daß ſolches geſuch uͤber dasjeni-<lb/> ge/ was aus dem herkommen ohn jemands bedencken behalten wird/ noch<lb/> weiters/ ſo nach einem gepraͤng ſchmecket/ hinzu zuthun verſtattet werde/ ſon-<lb/> dern da haben alsdann die diener des HErrn ſich ſolchen <hi rendition="#aq">attentatis</hi> mit eyf-<lb/> fer zu widerſetzen. Damit nicht die klage/ daß in dem gemeinen leben der<lb/> leidige pracht in neuen moden und andern dergleichen faſt von tag zu tag<lb/> ſteige/ auch in die kirche endlich einreiſſe/ und der welt-geiſt freyheit bekom-<lb/> me/ auch in denen geiſtlichen verſammlungen nach belieben zu herrſchen.</item><lb/> <item>3. Weil alle handelungen zum foͤrderſten auch aus dem <hi rendition="#aq">ſcopo,</hi> abſicht/<lb/><hi rendition="#aq">motive</hi> zu urtheilen ſind/ und ob wol nicht eine gute abſicht ein boͤſes werck<lb/> gut/ dannoch ein unziemlicher zweck ein <hi rendition="#aq">indifferentes</hi> werck boͤſe machen<lb/> kan: ſo wird man auch hie wol acht zu geben haben/ aus was getrieb oder<lb/> abſicht ſolches kuͤß-legen und ſand- ſtreuen hergekommen. Nun neh-<lb/> men wir uns zwar die macht nicht/ andere hertzen zu beurtheilen/ anders<lb/> als ſo fern ſie ſich in den euſſerlichen hervorthun. Wann aber eben der<lb/><hi rendition="#fr">mund</hi> und alſo auch das leben <hi rendition="#fr">deſſen uͤbergehet/ weſſen das hertz voll<lb/> iſt. Matth. 12/ 34.</hi> ſo koͤnnen wir nicht anders als aufs wenigſte ſehr ſor-<lb/> gen/ daß es aus hochmuth herkommen. Jndem nicht allein die <hi rendition="#aq">facti ſpe-<lb/> cies</hi> von keiner andern urſach zu gedencken anlaß giebet/ ſondern auch von<lb/> uns keine wichtige urſach/ woraus dergleichen haͤtte geſchehen <gap reason="lost" unit="chars" quantity="10"/> <fw place="bottom" type="catch">die</fw><lb/> <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq">IV.</hi> Theil. <gap reason="lost" unit="chars" quantity="2"/></fw><lb/></item> </list> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [241/0253]
ARTIC. II. SECTIO XIX.
Gal. 3/ 28. Col. 3/ 11. Er ſihet in nichts in dem geiſtlichen die perſon an/
daher auch die guͤter des heyls in wort und ſacramenten einerley mit einer
maaß und krafft/ ohn unterſcheid des ſtandes der perſon/ allen/ hohen und
niedern/ von ihm ertheilet werden: Welcher urſach wegen/ weil die kirche
ihres vatern und braͤutigams gewohnheit nachfolgen ſoll/ ſo ſolle ſie billich
auch in dieſem ſtuͤck unter ihren gliedern nach dero euſſerlichen ſtand keinen
aͤrgerlichen und nach der welt ſchmeckenden unterſcheid machen noch machen
laſſen. Man ſehe/ was der heilige Jacobus c. 2. von ſolcher ſache nach-
druͤcklich redet. Wir bekennen zwar gern/ weil obrigkeitliche perſonen
auch nicht nur von menſchen/ ſondern ſelbſten von GOTT dem HERRN
einen characterem und des orts/ da ſie ſind/ auch der kirchen oberaufſicht in
dem euſſerlichen (als epiſcopi extra eccleſiam) haben/ daß der urſach we-
gen/ ſo dann um des reſpects willen/ den ihnen ihre unterthanen oder anbe-
fohlene aller orten ſchuldig ſind/ davon die kirchliche verſammlungen nicht
eben ausgeſchloſſen ſind/ der regel Chriſti nicht bloß dahin zuwider ſeyn mag/
daß ihnen in euſſerlichen dingen/ in vorgang/ vorſitz und dergleichen etwas un-
terſcheid gegoͤnnet/ und vielmehr von andern ihnen gegeben als von ihnen
ſelbs genommen werde. Jedoch nachdem ſolcher unterſcheid meiſter or-
ten allzuweit will gezogen/ und damit aͤrgerliches anſehen der perſon einge-
fuͤhret werden/ ſo koͤnnen wir nicht ſehen/ daß ſolches geſuch uͤber dasjeni-
ge/ was aus dem herkommen ohn jemands bedencken behalten wird/ noch
weiters/ ſo nach einem gepraͤng ſchmecket/ hinzu zuthun verſtattet werde/ ſon-
dern da haben alsdann die diener des HErrn ſich ſolchen attentatis mit eyf-
fer zu widerſetzen. Damit nicht die klage/ daß in dem gemeinen leben der
leidige pracht in neuen moden und andern dergleichen faſt von tag zu tag
ſteige/ auch in die kirche endlich einreiſſe/ und der welt-geiſt freyheit bekom-
me/ auch in denen geiſtlichen verſammlungen nach belieben zu herrſchen.
3. Weil alle handelungen zum foͤrderſten auch aus dem ſcopo, abſicht/
motive zu urtheilen ſind/ und ob wol nicht eine gute abſicht ein boͤſes werck
gut/ dannoch ein unziemlicher zweck ein indifferentes werck boͤſe machen
kan: ſo wird man auch hie wol acht zu geben haben/ aus was getrieb oder
abſicht ſolches kuͤß-legen und ſand- ſtreuen hergekommen. Nun neh-
men wir uns zwar die macht nicht/ andere hertzen zu beurtheilen/ anders
als ſo fern ſie ſich in den euſſerlichen hervorthun. Wann aber eben der
mund und alſo auch das leben deſſen uͤbergehet/ weſſen das hertz voll
iſt. Matth. 12/ 34. ſo koͤnnen wir nicht anders als aufs wenigſte ſehr ſor-
gen/ daß es aus hochmuth herkommen. Jndem nicht allein die facti ſpe-
cies von keiner andern urſach zu gedencken anlaß giebet/ ſondern auch von
uns keine wichtige urſach/ woraus dergleichen haͤtte geſchehen __________ die
IV. Theil. __
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/253 |
Zitationshilfe: | Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/253>, abgerufen am 28.07.2024. |