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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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Das siebende Capitel.
Mißbrauch göttlichen worts und dessen verdrehung.
Episteln nützlicher zu tractiren als Evangelia. Was in
Catechetischen examinibus rathsam vorzuneh-
men.

JCh bedancke mich zum 'fördersten' des freundlichen vertrauens gegen
mich/ und hat mich nicht wenig gefreuet/ daß derselbe seiner geehrten
Praeceptorum gedencket/ die meiner sachen gegen ihn freundliche mel-
dung gethan/ und also damit mir gewogen zu seyn bezeuget haben. Zwar
von den meinsten übrigen weiß schon anderwertlich her/ daß sie mir mit liebe
zugethan/ ohne was D. N. anlangt/ da ich nicht gewust/ daß derselbe mei-
ner einige kundschafft habe. Sonderlich aber war der selige D. Müller mein
werthester freund/ und wurde unter uns ein halb jahr vor seinem tod durch
schreiben eine solche freundschafft gestifftet/ daß er bezeugte/ wolte nunmehr
hinkünfftig alles sein anligen in meinen schooß ausschütten. Was im ü-
brigen anlangt die beklagte anstösse in seinem tragenden amt/ ists die gemei-
ne klage derjenigen/ welche dem HERRN mit treue zu dienen sich vorgenom-
men haben/ daß sie nemlich nicht können anderst in der welt bleiben/ als daß
sie/ weil sie derselben widerstehen und widersprechen/ folglich derselben haß
auf sich laden müssen/ aus dem nachmal weiter so viel wirckliche wider-
wärtigkeit erfolget/ als der HERR zu unserer prüffung über uns zu ver-
hängen nöthig erkennet. Der eiffer die sünde zu straffen/ und solches
offentlich und absonderlich zu thun/ ist gantz recht/ und so unserem amt als
gemeiner christlichen pflicht gemäß. Jndessen meyne ich/ es seye auch in sol-
cher sach mit behutsamkeit zu verfahren. Daher wo eine angewöhnte miß-
brauchung göttlichen namens etwa angehöret wird (ein anders ist von gro-
ben flüchen und gotteslästerungen/ wegen des dabey vorgehenden schwe-
ren ärgernüsses) so finde eben nicht nöthig/ allemal dieselbe in instanti zu
straffen/ sondern lieber gelegenheit zu suchen/ eine solche person/ sonderlich
die etwa sonsten bekantlich christlichen gemüths/ und deswegen nicht mit
offentlicher bestraffung so gleich vor den kopff zu stossen ist/ absonderlich freund-
lich zu erinnern/ und die fach in den predigten etwa öffters/ oder doch wo es
geschicht/ mit nachdruck zu urgiren. Mir liget immer in dem sinn/ was Chri-
stus Matth. 7/ 6. erinnert/ daß wir nicht das heiligthum den hunden
geben/ noch die perlen vor die schweine werffen sollen. etc.
Wo gerade
vorher von der brüderlichen bestraffung geredet wird. Daß ich deswegen
solchen ort hauptsächlich dahin ansehe/ daß der HERR uns darinn weisen
wolle/ wie wir mit einer christlichen und gottseligen vorsichtigkeit diese straff-
pflicht zu üben haben. Es bestehet aber solche vorsichtigkeit vornemlich dar-

in/
Das ſiebende Capitel.
Mißbrauch goͤttlichen worts und deſſen verdrehung.
Epiſteln nuͤtzlicher zu tractiren als Evangelia. Was in
Catechetiſchen examinibus rathſam vorzuneh-
men.

JCh bedancke mich zum ‘foͤrderſten’ des freundlichen vertrauens gegen
mich/ und hat mich nicht wenig gefreuet/ daß derſelbe ſeiner geehrten
Præceptorum gedencket/ die meiner ſachen gegen ihn freundliche mel-
dung gethan/ und alſo damit mir gewogen zu ſeyn bezeuget haben. Zwar
von den meinſten uͤbrigen weiß ſchon anderwertlich her/ daß ſie mir mit liebe
zugethan/ ohne was D. N. anlangt/ da ich nicht gewuſt/ daß derſelbe mei-
ner einige kundſchafft habe. Sonderlich aber war der ſelige D. Muͤller mein
wertheſter freund/ und wurde unter uns ein halb jahr vor ſeinem tod durch
ſchreiben eine ſolche freundſchafft geſtifftet/ daß er bezeugte/ wolte nunmehr
hinkuͤnfftig alles ſein anligen in meinen ſchooß ausſchuͤtten. Was im uͤ-
brigen anlangt die beklagte anſtoͤſſe in ſeinem tragenden amt/ iſts die gemei-
ne klage derjenigen/ welche dem HERRN mit treue zu dienen ſich vorgenom-
men haben/ daß ſie nemlich nicht koͤnnen anderſt in der welt bleiben/ als daß
ſie/ weil ſie derſelben widerſtehen und widerſprechen/ folglich derſelben haß
auf ſich laden muͤſſen/ aus dem nachmal weiter ſo viel wirckliche wider-
waͤrtigkeit erfolget/ als der HERR zu unſerer pruͤffung uͤber uns zu ver-
haͤngen noͤthig erkennet. Der eiffer die ſuͤnde zu ſtraffen/ und ſolches
offentlich und abſonderlich zu thun/ iſt gantz recht/ und ſo unſerem amt als
gemeiner chriſtlichen pflicht gemaͤß. Jndeſſen meyne ich/ es ſeye auch in ſol-
cher ſach mit behutſamkeit zu verfahren. Daher wo eine angewoͤhnte miß-
brauchung goͤttlichen namens etwa angehoͤret wird (ein anders iſt von gro-
ben fluͤchen und gotteslaͤſterungen/ wegen des dabey vorgehenden ſchwe-
ren aͤrgernuͤſſes) ſo finde eben nicht noͤthig/ allemal dieſelbe in inſtanti zu
ſtraffen/ ſondern lieber gelegenheit zu ſuchen/ eine ſolche perſon/ ſonderlich
die etwa ſonſten bekantlich chriſtlichen gemuͤths/ und deswegen nicht mit
offentlicher beſtraffung ſo gleich vor den kopff zu ſtoſſen iſt/ abſonderlich freund-
lich zu erinnern/ und die fach in den predigten etwa oͤffters/ oder doch wo es
geſchicht/ mit nachdruck zu urgiren. Mir liget immer in dem ſinn/ was Chri-
ſtus Matth. 7/ 6. erinnert/ daß wir nicht das heiligthum den hunden
geben/ noch die perlen vor die ſchweine werffen ſollen. ꝛc.
Wo gerade
vorher von der bruͤderlichen beſtraffung geredet wird. Daß ich deswegen
ſolchen ort hauptſaͤchlich dahin anſehe/ daß der HERR uns darinn weiſen
wolle/ wie wir mit einer chriſtlichen und gottſeligen vorſichtigkeit dieſe ſtraff-
pflicht zu uͤben haben. Es beſtehet aber ſolche vorſichtigkeit vornemlich dar-

in/
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[220/0232] Das ſiebende Capitel. Mißbrauch goͤttlichen worts und deſſen verdrehung. Epiſteln nuͤtzlicher zu tractiren als Evangelia. Was in Catechetiſchen examinibus rathſam vorzuneh- men. JCh bedancke mich zum ‘foͤrderſten’ des freundlichen vertrauens gegen mich/ und hat mich nicht wenig gefreuet/ daß derſelbe ſeiner geehrten Præceptorum gedencket/ die meiner ſachen gegen ihn freundliche mel- dung gethan/ und alſo damit mir gewogen zu ſeyn bezeuget haben. Zwar von den meinſten uͤbrigen weiß ſchon anderwertlich her/ daß ſie mir mit liebe zugethan/ ohne was D. N. anlangt/ da ich nicht gewuſt/ daß derſelbe mei- ner einige kundſchafft habe. Sonderlich aber war der ſelige D. Muͤller mein wertheſter freund/ und wurde unter uns ein halb jahr vor ſeinem tod durch ſchreiben eine ſolche freundſchafft geſtifftet/ daß er bezeugte/ wolte nunmehr hinkuͤnfftig alles ſein anligen in meinen ſchooß ausſchuͤtten. Was im uͤ- brigen anlangt die beklagte anſtoͤſſe in ſeinem tragenden amt/ iſts die gemei- ne klage derjenigen/ welche dem HERRN mit treue zu dienen ſich vorgenom- men haben/ daß ſie nemlich nicht koͤnnen anderſt in der welt bleiben/ als daß ſie/ weil ſie derſelben widerſtehen und widerſprechen/ folglich derſelben haß auf ſich laden muͤſſen/ aus dem nachmal weiter ſo viel wirckliche wider- waͤrtigkeit erfolget/ als der HERR zu unſerer pruͤffung uͤber uns zu ver- haͤngen noͤthig erkennet. Der eiffer die ſuͤnde zu ſtraffen/ und ſolches offentlich und abſonderlich zu thun/ iſt gantz recht/ und ſo unſerem amt als gemeiner chriſtlichen pflicht gemaͤß. Jndeſſen meyne ich/ es ſeye auch in ſol- cher ſach mit behutſamkeit zu verfahren. Daher wo eine angewoͤhnte miß- brauchung goͤttlichen namens etwa angehoͤret wird (ein anders iſt von gro- ben fluͤchen und gotteslaͤſterungen/ wegen des dabey vorgehenden ſchwe- ren aͤrgernuͤſſes) ſo finde eben nicht noͤthig/ allemal dieſelbe in inſtanti zu ſtraffen/ ſondern lieber gelegenheit zu ſuchen/ eine ſolche perſon/ ſonderlich die etwa ſonſten bekantlich chriſtlichen gemuͤths/ und deswegen nicht mit offentlicher beſtraffung ſo gleich vor den kopff zu ſtoſſen iſt/ abſonderlich freund- lich zu erinnern/ und die fach in den predigten etwa oͤffters/ oder doch wo es geſchicht/ mit nachdruck zu urgiren. Mir liget immer in dem ſinn/ was Chri- ſtus Matth. 7/ 6. erinnert/ daß wir nicht das heiligthum den hunden geben/ noch die perlen vor die ſchweine werffen ſollen. ꝛc. Wo gerade vorher von der bruͤderlichen beſtraffung geredet wird. Daß ich deswegen ſolchen ort hauptſaͤchlich dahin anſehe/ daß der HERR uns darinn weiſen wolle/ wie wir mit einer chriſtlichen und gottſeligen vorſichtigkeit dieſe ſtraff- pflicht zu uͤben haben. Es beſtehet aber ſolche vorſichtigkeit vornemlich dar- in/

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/232>, abgerufen am 23.11.2024.