Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.
Das siebende Capitel. wo einige (dafür sie aber GOTT ferner bewahre) sich künfftig von ihm ineinige andere sünden verführen liessen, da er ihnen vorhalten könte, es wäre alles solches die schuld, daß sie von GOTT abgewichen, von dem sie keine gnade zu dem guten erlangen würden, und selbs spühreten, wie derselbe sie verlassen habe, daß sie in solche sünden gefallen seyen, daher sie alle ge- dancken des heils fahren lassen, und sich hingegen in dem armen leben, so lang sie es noch haben könten, ihrer lust gebrauchen solten. Welches ohne das sein höllisches eingeben bey vielen sich zeigt, und leider nur allzu viel ausrichtet, daher nicht unbillich zu vermuthen, er werde auch so viel kräff- tiger dieses bey ihnen, als offt er gelegenheit dazu findet, treiben. Jst dem- nach die gefahr der lieben kinder noch vor andern schwer. Jndessen ist solche gleichwol nicht anders, als daß sie die kinder und andre, welche noch für sie zu sorgen haben, dazu verbindet, desto fleißiger darauf acht zu ge- ben, und weil sie die gefahr und den mächtigen feind wissen, so viel vorsich- tiger sich gegen ihn zu wapnen; Da hingegen eben das jenige, was mit ihnen vorgegangen ist, wie es dem teufel einigen weg und gelegenheit stets wieder öffnen mag, also eben so wol, wo sie sichs recht gebrauchen, dazu dienen kan, so viel weniger in sicherheit zu verfallen, und ihres heyls wahr zu nehmen. Hingegen ist die gefahr nicht dermassen, daß sie nicht ihrer se- ligkeit versichert seyn könten, mit eben gleicher versicherung als alle andere Christen. Wie sie dann der list und gewalt ihres feindes, so ihnen nach- stellet, die weißheit, die güte, und allmacht ihres Heylands, welcher sie mit seinem blut zu seinem eigenthum erkauffet hat, und also sie zu erhalten nicht weniger bereit, als der teufel sie um die seele zu bringen begierig ist, entge- gen setzen können, und auf solchen grund die versicherung ihrer zuversicht gründen. Es gehet sie mit gleichem recht so wol als andere an die erlösung ihres Heylandes, welcher dem satan alle macht so fern über sie entrissen hat, daß dieser ihnen nicht weiter schaden darff, als sie aufs neue ihm mit willen oder versäumung seiner gnade über sich macht geben wolten: Es gehet sie an ihre heilige tauff, und der darinnen mit GOTT gemachte bund, welcher auf seiner seiten ein bund einer ewigen gnade ist, und dem sie nie- mal haben so absagen können, daß er auch von seiten des HERREN aufge- hoben, und ihnen damit alle rückkehr dazu abgeschnitten worden wäre: Es gehet sie noch an die kraft des göttlichen worts, in ihren seelen durch die wirckung des heiligen Geistes den glauben zu entzünden und zu erhalten, in welchem sie die welt mit ihrem fürsten zu überwinden vermögen: Es gehet sie noch an die kraft des heiligen abendmahls, daß sie zu demselbigen ge- hen, und durch empfangung des jenigen leibs und des jenigen blutes, so für alle ihre, und also auch in dieser verführung, begangene sünden, dahin gege-
Das ſiebende Capitel. wo einige (dafuͤr ſie aber GOTT ferner bewahre) ſich kuͤnfftig von ihm ineinige andere ſuͤnden verfuͤhren lieſſen, da er ihnen vorhalten koͤnte, es waͤre alles ſolches die ſchuld, daß ſie von GOTT abgewichen, von dem ſie keine gnade zu dem guten erlangen wuͤrden, und ſelbs ſpuͤhreten, wie derſelbe ſie verlaſſen habe, daß ſie in ſolche ſuͤnden gefallen ſeyen, daher ſie alle ge- dancken des heils fahren laſſen, und ſich hingegen in dem armen leben, ſo lang ſie es noch haben koͤnten, ihrer luſt gebrauchen ſolten. Welches ohne das ſein hoͤlliſches eingeben bey vielen ſich zeigt, und leider nur allzu viel ausrichtet, daher nicht unbillich zu vermuthen, er werde auch ſo viel kraͤff- tiger dieſes bey ihnen, als offt er gelegenheit dazu findet, treiben. Jſt dem- nach die gefahr der lieben kinder noch vor andern ſchwer. Jndeſſen iſt ſolche gleichwol nicht anders, als daß ſie die kinder und andre, welche noch fuͤr ſie zu ſorgen haben, dazu verbindet, deſto fleißiger darauf acht zu ge- ben, und weil ſie die gefahr und den maͤchtigen feind wiſſen, ſo viel vorſich- tiger ſich gegen ihn zu wapnen; Da hingegen eben das jenige, was mit ihnen vorgegangen iſt, wie es dem teufel einigen weg und gelegenheit ſtets wieder oͤffnen mag, alſo eben ſo wol, wo ſie ſichs recht gebrauchen, dazu dienen kan, ſo viel weniger in ſicherheit zu verfallen, und ihres heyls wahr zu nehmen. Hingegen iſt die gefahr nicht dermaſſen, daß ſie nicht ihrer ſe- ligkeit verſichert ſeyn koͤnten, mit eben gleicher verſicherung als alle andere Chriſten. Wie ſie dann der liſt und gewalt ihres feindes, ſo ihnen nach- ſtellet, die weißheit, die guͤte, und allmacht ihres Heylands, welcher ſie mit ſeinem blut zu ſeinem eigenthum erkauffet hat, und alſo ſie zu erhalten nicht weniger bereit, als der teufel ſie um die ſeele zu bringen begierig iſt, entge- gen ſetzen koͤnnen, und auf ſolchen grund die verſicherung ihrer zuverſicht gruͤnden. Es gehet ſie mit gleichem recht ſo wol als andere an die erloͤſung ihres Heylandes, welcher dem ſatan alle macht ſo fern uͤber ſie entriſſen hat, daß dieſer ihnen nicht weiter ſchaden darff, als ſie aufs neue ihm mit willen oder verſaͤumung ſeiner gnade uͤber ſich macht geben wolten: Es gehet ſie an ihre heilige tauff, und der darinnen mit GOTT gemachte bund, welcher auf ſeiner ſeiten ein bund einer ewigen gnade iſt, und dem ſie nie- mal haben ſo abſagen koͤnnen, daß er auch von ſeiten des HERREN aufge- hoben, und ihnen damit alle ruͤckkehr dazu abgeſchnitten worden waͤre: Es gehet ſie noch an die kraft des goͤttlichen worts, in ihren ſeelen durch die wirckung des heiligen Geiſtes den glauben zu entzuͤnden und zu erhalten, in welchem ſie die welt mit ihrem fuͤrſten zu uͤberwinden vermoͤgen: Es gehet ſie noch an die kraft des heiligen abendmahls, daß ſie zu demſelbigen ge- hen, und durch empfangung des jenigen leibs und des jenigen blutes, ſo fuͤr alle ihre, und alſo auch in dieſer verfuͤhrung, begangene ſuͤnden, dahin gege-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0170" n="158"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das ſiebende Capitel.</hi></fw><lb/> wo einige (dafuͤr ſie aber GOTT ferner bewahre) ſich kuͤnfftig von ihm in<lb/> einige andere ſuͤnden verfuͤhren lieſſen, da er ihnen vorhalten koͤnte, es waͤre<lb/> alles ſolches die ſchuld, daß ſie von GOTT abgewichen, von dem ſie keine<lb/> gnade zu dem guten erlangen wuͤrden, und ſelbs ſpuͤhreten, wie derſelbe<lb/> ſie verlaſſen habe, daß ſie in ſolche ſuͤnden gefallen ſeyen, daher ſie alle ge-<lb/> dancken des heils fahren laſſen, und ſich hingegen in dem armen leben, ſo<lb/> lang ſie es noch haben koͤnten, ihrer luſt gebrauchen ſolten. Welches ohne<lb/> das ſein hoͤlliſches eingeben bey vielen ſich zeigt, und leider nur allzu viel<lb/> ausrichtet, daher nicht unbillich zu vermuthen, er werde auch ſo viel kraͤff-<lb/> tiger dieſes bey ihnen, als offt er gelegenheit dazu findet, treiben. Jſt dem-<lb/> nach die gefahr der lieben kinder noch vor andern ſchwer. Jndeſſen iſt<lb/> ſolche gleichwol nicht anders, als daß ſie die kinder und andre, welche noch<lb/> fuͤr ſie zu ſorgen haben, dazu verbindet, deſto fleißiger darauf acht zu ge-<lb/> ben, und weil ſie die gefahr und den maͤchtigen feind wiſſen, ſo viel vorſich-<lb/> tiger ſich gegen ihn zu wapnen; Da hingegen eben das jenige, was mit<lb/> ihnen vorgegangen iſt, wie es dem teufel einigen weg und gelegenheit ſtets<lb/> wieder oͤffnen mag, alſo eben ſo wol, wo ſie ſichs recht gebrauchen, dazu<lb/> dienen kan, ſo viel weniger in ſicherheit zu verfallen, und ihres heyls wahr<lb/> zu nehmen. Hingegen iſt die gefahr nicht dermaſſen, daß ſie nicht ihrer ſe-<lb/> ligkeit verſichert ſeyn koͤnten, mit eben gleicher verſicherung als alle andere<lb/> Chriſten. Wie ſie dann der liſt und gewalt ihres feindes, ſo ihnen nach-<lb/> ſtellet, die weißheit, die guͤte, und allmacht ihres Heylands, welcher ſie mit<lb/> ſeinem blut zu ſeinem eigenthum erkauffet hat, und alſo ſie zu erhalten nicht<lb/> weniger bereit, als der teufel ſie um die ſeele zu bringen begierig iſt, entge-<lb/> gen ſetzen koͤnnen, und auf ſolchen grund die verſicherung ihrer zuverſicht<lb/> gruͤnden. Es gehet ſie mit gleichem recht ſo wol als andere an die erloͤſung<lb/> ihres Heylandes, welcher dem ſatan alle macht ſo fern uͤber ſie entriſſen hat,<lb/> daß dieſer ihnen nicht weiter ſchaden darff, als ſie aufs neue ihm mit willen<lb/> oder verſaͤumung ſeiner gnade uͤber ſich macht geben wolten: Es gehet<lb/> ſie an ihre heilige tauff, und der darinnen mit GOTT gemachte bund,<lb/> welcher auf ſeiner ſeiten ein bund einer ewigen gnade iſt, und dem ſie nie-<lb/> mal haben ſo abſagen koͤnnen, daß er auch von ſeiten des HERREN aufge-<lb/> hoben, und ihnen damit alle ruͤckkehr dazu abgeſchnitten worden waͤre: Es<lb/> gehet ſie noch an die kraft des goͤttlichen worts, in ihren ſeelen durch die<lb/> wirckung des heiligen Geiſtes den glauben zu entzuͤnden und zu erhalten, in<lb/> welchem ſie die welt mit ihrem fuͤrſten zu uͤberwinden vermoͤgen: Es gehet<lb/> ſie noch an die kraft des heiligen abendmahls, daß ſie zu demſelbigen ge-<lb/> hen, und durch empfangung des jenigen leibs und des jenigen blutes, ſo<lb/> fuͤr alle ihre, und alſo auch in dieſer verfuͤhrung, begangene ſuͤnden, dahin<lb/> <fw place="bottom" type="catch">gege-</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [158/0170]
Das ſiebende Capitel.
wo einige (dafuͤr ſie aber GOTT ferner bewahre) ſich kuͤnfftig von ihm in
einige andere ſuͤnden verfuͤhren lieſſen, da er ihnen vorhalten koͤnte, es waͤre
alles ſolches die ſchuld, daß ſie von GOTT abgewichen, von dem ſie keine
gnade zu dem guten erlangen wuͤrden, und ſelbs ſpuͤhreten, wie derſelbe
ſie verlaſſen habe, daß ſie in ſolche ſuͤnden gefallen ſeyen, daher ſie alle ge-
dancken des heils fahren laſſen, und ſich hingegen in dem armen leben, ſo
lang ſie es noch haben koͤnten, ihrer luſt gebrauchen ſolten. Welches ohne
das ſein hoͤlliſches eingeben bey vielen ſich zeigt, und leider nur allzu viel
ausrichtet, daher nicht unbillich zu vermuthen, er werde auch ſo viel kraͤff-
tiger dieſes bey ihnen, als offt er gelegenheit dazu findet, treiben. Jſt dem-
nach die gefahr der lieben kinder noch vor andern ſchwer. Jndeſſen iſt
ſolche gleichwol nicht anders, als daß ſie die kinder und andre, welche noch
fuͤr ſie zu ſorgen haben, dazu verbindet, deſto fleißiger darauf acht zu ge-
ben, und weil ſie die gefahr und den maͤchtigen feind wiſſen, ſo viel vorſich-
tiger ſich gegen ihn zu wapnen; Da hingegen eben das jenige, was mit
ihnen vorgegangen iſt, wie es dem teufel einigen weg und gelegenheit ſtets
wieder oͤffnen mag, alſo eben ſo wol, wo ſie ſichs recht gebrauchen, dazu
dienen kan, ſo viel weniger in ſicherheit zu verfallen, und ihres heyls wahr
zu nehmen. Hingegen iſt die gefahr nicht dermaſſen, daß ſie nicht ihrer ſe-
ligkeit verſichert ſeyn koͤnten, mit eben gleicher verſicherung als alle andere
Chriſten. Wie ſie dann der liſt und gewalt ihres feindes, ſo ihnen nach-
ſtellet, die weißheit, die guͤte, und allmacht ihres Heylands, welcher ſie mit
ſeinem blut zu ſeinem eigenthum erkauffet hat, und alſo ſie zu erhalten nicht
weniger bereit, als der teufel ſie um die ſeele zu bringen begierig iſt, entge-
gen ſetzen koͤnnen, und auf ſolchen grund die verſicherung ihrer zuverſicht
gruͤnden. Es gehet ſie mit gleichem recht ſo wol als andere an die erloͤſung
ihres Heylandes, welcher dem ſatan alle macht ſo fern uͤber ſie entriſſen hat,
daß dieſer ihnen nicht weiter ſchaden darff, als ſie aufs neue ihm mit willen
oder verſaͤumung ſeiner gnade uͤber ſich macht geben wolten: Es gehet
ſie an ihre heilige tauff, und der darinnen mit GOTT gemachte bund,
welcher auf ſeiner ſeiten ein bund einer ewigen gnade iſt, und dem ſie nie-
mal haben ſo abſagen koͤnnen, daß er auch von ſeiten des HERREN aufge-
hoben, und ihnen damit alle ruͤckkehr dazu abgeſchnitten worden waͤre: Es
gehet ſie noch an die kraft des goͤttlichen worts, in ihren ſeelen durch die
wirckung des heiligen Geiſtes den glauben zu entzuͤnden und zu erhalten, in
welchem ſie die welt mit ihrem fuͤrſten zu uͤberwinden vermoͤgen: Es gehet
ſie noch an die kraft des heiligen abendmahls, daß ſie zu demſelbigen ge-
hen, und durch empfangung des jenigen leibs und des jenigen blutes, ſo
fuͤr alle ihre, und alſo auch in dieſer verfuͤhrung, begangene ſuͤnden, dahin
gege-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
| URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702 |
| URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/170 |
| Zitationshilfe: | Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/170>, abgerufen am 17.05.2024. |
