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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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ARTIC. I. SECTIO XXXIV.
in ihrer verderbnüß mehr geneigt sind, sich desto mehr angewehnet haben
4. Jst auch kein zweifel, wo der gütige himmlische Vater nicht aus gnaden
denselben wieder hätte helffen lassen, daß sie, als die nicht selbs zurück zu
kehren gewußt, auf diesem bösen weg immer würden fortgefahren, ja als in
einen ohnergründlichen schlam tieffer eingesuncken seyn: Also daß sie zu
wircklichen zauberwercken und übelthaten, davon ich noch nichts gehöret,
gebracht, und also in den höllischen stricken, welche nachmal so leicht nicht
wieder sich zerreissen lassen, fester verknüpffet worden wären. Welches al-
les freylich die gröste seelen-gefahr der armen kinder anzeiget, darein sie ge-
führet worden, ob wol alles durch die zauberinnen, oder eben in denselben
von dem teufel, mit ihnen gehandlet worden.

Wo aber, wie vermuthlich, der andere verstand gemeinet ist, ob sie in
gegenwärtigem zustand, nachdem sie der HErr zurück führen lassen, in eini-
ger seelen-gefahr noch stehen: So mag gleichwol die frage auch alsdann
noch auf zweyerley weise genommen werden: Entweder ob gar keine ge-
fahr der seelen mehr bey ihnen seye, oder aber, ob es noch eine solche gefahr
seye, darüber man an ihrem gnaden-stand zu zweiffeln hätte. Jn der ersten
meinung kan ich nicht leugnen, daß nicht eben alle gefahr vor über seye, oder
man ursach habe, der kinder wegen allerdings ausser sorge zu seyn. Wir
wissen nicht nur insgemein, daß der teufel umhergehet als ein brül-
lender löwe, und suchet, welchen er verschlingen möge; 1. Petr. 5.
8.
und daß wir deswegen stäts zu kämpfen haben mit den bösen gei-
stern unter dem himmel. Ephes 6, 12.
sondern vornemlich, daß der-
selbe geist am liebsten immer wiederum die herberge suchet, daraus er ausge-
trieben ist, dieselbe mit sieben ärgern geistern aufs neue (wann ihm der ein-
gang nicht verwehret wird,) zu besitzen, Luc. 11, 24. 26. und also auch läs-
set sich aus demselben solches schliessen, wo zwar keine leibliche besitzung vor-
gegangen, aber doch seine gewalt grösser als insgemein über einen men-
schen ist, daß er doch, wenn er einmal abgetrieben worden, immer wiederum
suche, die ihm entgangen, in vorige stricke zu ziehen. Jst also kein zweif-
fel, der satan werde ihnen noch vor andern nachgehen, ob er einen raub an ih-
nen (so aber GOTT in gnaden verhüten wolle) abjagen könte. Son-
derlich weil durch erinnerung des vorigen er so viel leichter einen weg an sie
finden kan, als etwa bey andern nicht so leicht hergienge, wo noch gar nichts
dergleichen vorgangen wäre. Er hat so vielmehr gelegenheit, sonderlich
als ein lügen-geist, ihnen die hoffnung der seligkeit zu benehmen, und sie
zur verzweiflung zu verleiten, mit vorwand, ob wäre alles doch umsonst
und nachdem sie einmal GOTT abgesagt, seye damit die hoffnung der
gnade gantz aus; Welches er mit grossem schein zu thun vermag, sonderlich

wo
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ARTIC. I. SECTIO XXXIV.
in ihrer verderbnuͤß mehr geneigt ſind, ſich deſto mehr angewehnet haben
4. Jſt auch kein zweifel, wo der guͤtige himmliſche Vater nicht aus gnaden
denſelben wieder haͤtte helffen laſſen, daß ſie, als die nicht ſelbs zuruͤck zu
kehren gewußt, auf dieſem boͤſen weg immer wuͤrden fortgefahren, ja als in
einen ohnergruͤndlichen ſchlam tieffer eingeſuncken ſeyn: Alſo daß ſie zu
wircklichen zauberwercken und uͤbelthaten, davon ich noch nichts gehoͤret,
gebracht, und alſo in den hoͤlliſchen ſtricken, welche nachmal ſo leicht nicht
wieder ſich zerreiſſen laſſen, feſter verknuͤpffet worden waͤren. Welches al-
les freylich die groͤſte ſeelen-gefahr der armen kinder anzeiget, darein ſie ge-
fuͤhret worden, ob wol alles durch die zauberinnen, oder eben in denſelben
von dem teufel, mit ihnen gehandlet worden.

Wo aber, wie vermuthlich, der andere verſtand gemeinet iſt, ob ſie in
gegenwaͤrtigem zuſtand, nachdem ſie der HErr zuruͤck fuͤhren laſſen, in eini-
ger ſeelen-gefahr noch ſtehen: So mag gleichwol die frage auch alsdann
noch auf zweyerley weiſe genommen werden: Entweder ob gar keine ge-
fahr der ſeelen mehr bey ihnen ſeye, oder aber, ob es noch eine ſolche gefahr
ſeye, daruͤber man an ihrem gnaden-ſtand zu zweiffeln haͤtte. Jn der erſten
meinung kan ich nicht leugnen, daß nicht eben alle gefahr vor uͤber ſeye, oder
man urſach habe, der kinder wegen allerdings auſſer ſorge zu ſeyn. Wir
wiſſen nicht nur insgemein, daß der teufel umhergehet als ein bruͤl-
lender loͤwe, und ſuchet, welchen er verſchlingen moͤge; 1. Petr. 5.
8.
und daß wir deswegen ſtaͤts zu kaͤmpfen haben mit den boͤſen gei-
ſtern unter dem himmel. Epheſ 6, 12.
ſondern vornemlich, daß der-
ſelbe geiſt am liebſten immer wiederum die herberge ſuchet, daraus er ausge-
trieben iſt, dieſelbe mit ſieben aͤrgern geiſtern aufs neue (wann ihm der ein-
gang nicht verwehret wird,) zu beſitzen, Luc. 11, 24. 26. und alſo auch laͤſ-
ſet ſich aus demſelben ſolches ſchlieſſen, wo zwar keine leibliche beſitzung vor-
gegangen, aber doch ſeine gewalt groͤſſer als insgemein uͤber einen men-
ſchen iſt, daß er doch, wenn er einmal abgetrieben worden, immer wiederum
ſuche, die ihm entgangen, in vorige ſtricke zu ziehen. Jſt alſo kein zweif-
fel, der ſatan werde ihnen noch vor andern nachgehen, ob er einen raub an ih-
nen (ſo aber GOTT in gnaden verhuͤten wolle) abjagen koͤnte. Son-
derlich weil durch erinnerung des vorigen er ſo viel leichter einen weg an ſie
finden kan, als etwa bey andern nicht ſo leicht hergienge, wo noch gar nichts
dergleichen vorgangen waͤre. Er hat ſo vielmehr gelegenheit, ſonderlich
als ein luͤgen-geiſt, ihnen die hoffnung der ſeligkeit zu benehmen, und ſie
zur verzweiflung zu verleiten, mit vorwand, ob waͤre alles doch umſonſt
und nachdem ſie einmal GOTT abgeſagt, ſeye damit die hoffnung der
gnade gantz aus; Welches er mit groſſem ſchein zu thun vermag, ſonderlich

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[157/0169] ARTIC. I. SECTIO XXXIV. in ihrer verderbnuͤß mehr geneigt ſind, ſich deſto mehr angewehnet haben 4. Jſt auch kein zweifel, wo der guͤtige himmliſche Vater nicht aus gnaden denſelben wieder haͤtte helffen laſſen, daß ſie, als die nicht ſelbs zuruͤck zu kehren gewußt, auf dieſem boͤſen weg immer wuͤrden fortgefahren, ja als in einen ohnergruͤndlichen ſchlam tieffer eingeſuncken ſeyn: Alſo daß ſie zu wircklichen zauberwercken und uͤbelthaten, davon ich noch nichts gehoͤret, gebracht, und alſo in den hoͤlliſchen ſtricken, welche nachmal ſo leicht nicht wieder ſich zerreiſſen laſſen, feſter verknuͤpffet worden waͤren. Welches al- les freylich die groͤſte ſeelen-gefahr der armen kinder anzeiget, darein ſie ge- fuͤhret worden, ob wol alles durch die zauberinnen, oder eben in denſelben von dem teufel, mit ihnen gehandlet worden. Wo aber, wie vermuthlich, der andere verſtand gemeinet iſt, ob ſie in gegenwaͤrtigem zuſtand, nachdem ſie der HErr zuruͤck fuͤhren laſſen, in eini- ger ſeelen-gefahr noch ſtehen: So mag gleichwol die frage auch alsdann noch auf zweyerley weiſe genommen werden: Entweder ob gar keine ge- fahr der ſeelen mehr bey ihnen ſeye, oder aber, ob es noch eine ſolche gefahr ſeye, daruͤber man an ihrem gnaden-ſtand zu zweiffeln haͤtte. Jn der erſten meinung kan ich nicht leugnen, daß nicht eben alle gefahr vor uͤber ſeye, oder man urſach habe, der kinder wegen allerdings auſſer ſorge zu ſeyn. Wir wiſſen nicht nur insgemein, daß der teufel umhergehet als ein bruͤl- lender loͤwe, und ſuchet, welchen er verſchlingen moͤge; 1. Petr. 5. 8. und daß wir deswegen ſtaͤts zu kaͤmpfen haben mit den boͤſen gei- ſtern unter dem himmel. Epheſ 6, 12. ſondern vornemlich, daß der- ſelbe geiſt am liebſten immer wiederum die herberge ſuchet, daraus er ausge- trieben iſt, dieſelbe mit ſieben aͤrgern geiſtern aufs neue (wann ihm der ein- gang nicht verwehret wird,) zu beſitzen, Luc. 11, 24. 26. und alſo auch laͤſ- ſet ſich aus demſelben ſolches ſchlieſſen, wo zwar keine leibliche beſitzung vor- gegangen, aber doch ſeine gewalt groͤſſer als insgemein uͤber einen men- ſchen iſt, daß er doch, wenn er einmal abgetrieben worden, immer wiederum ſuche, die ihm entgangen, in vorige ſtricke zu ziehen. Jſt alſo kein zweif- fel, der ſatan werde ihnen noch vor andern nachgehen, ob er einen raub an ih- nen (ſo aber GOTT in gnaden verhuͤten wolle) abjagen koͤnte. Son- derlich weil durch erinnerung des vorigen er ſo viel leichter einen weg an ſie finden kan, als etwa bey andern nicht ſo leicht hergienge, wo noch gar nichts dergleichen vorgangen waͤre. Er hat ſo vielmehr gelegenheit, ſonderlich als ein luͤgen-geiſt, ihnen die hoffnung der ſeligkeit zu benehmen, und ſie zur verzweiflung zu verleiten, mit vorwand, ob waͤre alles doch umſonſt und nachdem ſie einmal GOTT abgeſagt, ſeye damit die hoffnung der gnade gantz aus; Welches er mit groſſem ſchein zu thun vermag, ſonderlich wo u 3

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/169>, abgerufen am 23.11.2024.