Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

Bild:
<< vorherige Seite

Das siebende Capitel.
nachschreiten, der unterschied groß gnug ist. Was endlich 3. die dritte stell
anlangt, thut dieselbe abermal zu stärckung eines verdachts allerdings nichts,
weil darinn gar nicht von der heiligung sondern rechtfertigung und anziehung
der gerechtigkeit CHristi geredet wird. Nach derselben wandeln wir vor
GOTT als vergötterte menschen und neue CHristi, das ist, solche leu-
te, an denen GOTT die göttliche gerechtigkeit seines sohnes ansihet, wel-
che ihnen so eigen worden, ob wären sie CHristus selbs, nicht in ihrer person
sondern in GOTTes gnädiger ansehung vor seinem gericht. Das wort
vergötterte menschen hoffe gleichfals werde in gesundem verstand gern an-
genommen werden, wann so gar von der heiligung, da man fast mehr beden-
ckens haben solte, 2. Petr. 1, 4 der göttlichen natur meldung geschiehet,
dero die glaubigen theilhafftig werden, und Nazianzenus von der tauff al-
so redet: eme Theoi dia tou~ baptismatos. er macht mich zum GOTT
durch die tauff;
welche rede wir gern der glaubens regel gemäß verstehen
und um dero gebrauch mit diesem kirchen-vater nicht zancken. Aus welchem
allem erhellet, daß in den angezogenen stellen der angegebene irrthum aller-
dings nicht stecke.

Der dritte punct.

Dieser betrifft die frage, ob autor nicht des Osiandrismi sich verdäch-
tig mache, und lehrte, daß wir nicht so wol durch die zugerechnete gerech-
tigkeit des verdiensts CHristi, als die wesentliche und persönliche gerechtig-
keit desselben gerecht würden. Die wort, welche diese sorge machen möchten,
stehen so bald nach den vorigen angezogenen pag. 43. Viel ists, sprechen
können, der HERR kleidet mich, der HERR schmücket mich, der
HERR decket mich. Noch vielmehr ists, sprechen können, der
HERR wird durch solch kleiden selbs mein rock, und durch solch
schmücken selbs meiner seelen schmuck, und durch solch decken selbs
meines hauptes decke. Dann wie mich Esaias heisset frölich seyn, da-
rüber daß mich der HErr angezogen mit kleidern des heyls, so heis-
set mich Jeremias rühmen davon, daß der HErr selbs meine gerech-
tigkeit, mein schmuck und mein rock seye. Noch mehr ists endlich
und das allermeiste, sprechen können, worzu der HERR sich mir
gegeben, das habe ich nicht allein in ihm, sondern ich bins auch in
ihm. Jch habe in CHristo die gerechtigkeit, und bin auch in ihm die
gerechtigkeit die vor GOTT gilt.
Wo aus angezogener stelle der au-
tor
sollte in des bedeuteten irrthums verdacht gezogen werden, daß er selbs un-

se-

Das ſiebende Capitel.
nachſchreiten, der unterſchied groß gnug iſt. Was endlich 3. die dritte ſtell
anlangt, thut dieſelbe abermal zu ſtaͤrckung eines verdachts allerdings nichts,
weil darinn gar nicht von der heiligung ſondern rechtfertigung und anziehung
der gerechtigkeit CHriſti geredet wird. Nach derſelben wandeln wir vor
GOTT als vergoͤtterte menſchen und neue CHriſti, das iſt, ſolche leu-
te, an denen GOTT die goͤttliche gerechtigkeit ſeines ſohnes anſihet, wel-
che ihnen ſo eigen worden, ob waͤren ſie CHriſtus ſelbs, nicht in ihrer perſon
ſondern in GOTTes gnaͤdiger anſehung vor ſeinem gericht. Das wort
vergoͤtterte menſchen hoffe gleichfals werde in geſundem verſtand gern an-
genommen werden, wann ſo gar von der heiligung, da man faſt mehr beden-
ckens haben ſolte, 2. Petr. 1, 4 der goͤttlichen natur meldung geſchiehet,
dero die glaubigen theilhafftig werden, und Nazianzenus von der tauff al-
ſo redet: ἐμὲ Θεοῖ διὰ του῀ βαπτίσματος. er macht mich zum GOTT
durch die tauff;
welche rede wir gern der glaubens regel gemaͤß verſtehen
und um dero gebrauch mit dieſem kirchen-vater nicht zancken. Aus welchem
allem erhellet, daß in den angezogenen ſtellen der angegebene irrthum aller-
dings nicht ſtecke.

Der dritte punct.

Dieſer betrifft die frage, ob autor nicht des Oſiandriſmi ſich verdaͤch-
tig mache, und lehrte, daß wir nicht ſo wol durch die zugerechnete gerech-
tigkeit des verdienſts CHriſti, als die weſentliche und perſoͤnliche gerechtig-
keit deſſelben gerecht wuͤrden. Die wort, welche dieſe ſorge machen moͤchten,
ſtehen ſo bald nach den vorigen angezogenen pag. 43. Viel iſts, ſprechen
koͤnnen, der HERR kleidet mich, der HERR ſchmuͤcket mich, der
HERR decket mich. Noch vielmehr iſts, ſprechen koͤnnen, der
HERR wird durch ſolch kleiden ſelbs mein rock, und durch ſolch
ſchmuͤcken ſelbs meiner ſeelen ſchmuck, und durch ſolch decken ſelbs
meines hauptes decke. Dann wie mich Eſaias heiſſet froͤlich ſeyn, da-
ruͤber daß mich der HErr angezogen mit kleidern des heyls, ſo heiſ-
ſet mich Jeremias ruͤhmen davon, daß der HErr ſelbs meine gerech-
tigkeit, mein ſchmuck und mein rock ſeye. Noch mehr iſts endlich
und das allermeiſte, ſprechen koͤnnen, worzu der HERR ſich mir
gegeben, das habe ich nicht allein in ihm, ſondern ich bins auch in
ihm. Jch habe in CHriſto die gerechtigkeit, und bin auch in ihm die
gerechtigkeit die vor GOTT gilt.
Wo aus angezogener ſtelle der au-
tor
ſollte in des bedeuteten irrthums verdacht gezogen werden, daß er ſelbs un-

ſe-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0118" n="106"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das &#x017F;iebende Capitel.</hi></fw><lb/>
nach&#x017F;chreiten, der unter&#x017F;chied groß gnug i&#x017F;t. Was endlich 3. die dritte &#x017F;tell<lb/>
anlangt, thut die&#x017F;elbe abermal zu &#x017F;ta&#x0364;rckung eines verdachts allerdings nichts,<lb/>
weil darinn gar nicht von der heiligung &#x017F;ondern rechtfertigung und anziehung<lb/>
der gerechtigkeit CHri&#x017F;ti geredet wird. Nach der&#x017F;elben wandeln wir vor<lb/>
GOTT als <hi rendition="#fr">vergo&#x0364;tterte men&#x017F;chen</hi> und neue CHri&#x017F;ti, das i&#x017F;t, &#x017F;olche leu-<lb/>
te, an denen GOTT die go&#x0364;ttliche gerechtigkeit &#x017F;eines &#x017F;ohnes an&#x017F;ihet, wel-<lb/>
che ihnen &#x017F;o eigen worden, ob wa&#x0364;ren &#x017F;ie CHri&#x017F;tus &#x017F;elbs, nicht in ihrer per&#x017F;on<lb/>
&#x017F;ondern in GOTTes gna&#x0364;diger an&#x017F;ehung vor &#x017F;einem gericht. Das wort<lb/><hi rendition="#fr">vergo&#x0364;tterte</hi> men&#x017F;chen hoffe gleichfals werde in ge&#x017F;undem ver&#x017F;tand gern an-<lb/>
genommen werden, wann &#x017F;o gar von der heiligung, da man fa&#x017F;t mehr beden-<lb/>
ckens haben &#x017F;olte, 2. <hi rendition="#fr">Petr. 1, 4 der go&#x0364;ttlichen natur</hi> meldung ge&#x017F;chiehet,<lb/>
dero die glaubigen theilhafftig werden, und <hi rendition="#aq">Nazianzenus</hi> von der tauff al-<lb/>
&#x017F;o redet: &#x1F10;&#x03BC;&#x1F72; &#x0398;&#x03B5;&#x03BF;&#x1FD6; &#x03B4;&#x03B9;&#x1F70; &#x03C4;&#x03BF;&#x03C5;&#x1FC0; &#x03B2;&#x03B1;&#x03C0;&#x03C4;&#x03AF;&#x03C3;&#x03BC;&#x03B1;&#x03C4;&#x03BF;&#x03C2;. <hi rendition="#fr">er macht mich zum GOTT<lb/>
durch die tauff;</hi> welche rede wir gern der glaubens regel gema&#x0364;ß ver&#x017F;tehen<lb/>
und um dero gebrauch mit die&#x017F;em kirchen-vater nicht zancken. Aus welchem<lb/>
allem erhellet, daß in den angezogenen &#x017F;tellen der angegebene irrthum aller-<lb/>
dings nicht &#x017F;tecke.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#b">Der dritte punct.</hi> </head><lb/>
              <p>Die&#x017F;er betrifft die frage, ob <hi rendition="#aq">autor</hi> nicht des <hi rendition="#aq">O&#x017F;iandri&#x017F;mi</hi> &#x017F;ich verda&#x0364;ch-<lb/>
tig mache, und lehrte, daß wir nicht &#x017F;o wol durch die zugerechnete gerech-<lb/>
tigkeit des verdien&#x017F;ts CHri&#x017F;ti, als die we&#x017F;entliche und per&#x017F;o&#x0364;nliche gerechtig-<lb/>
keit de&#x017F;&#x017F;elben gerecht wu&#x0364;rden. Die wort, welche die&#x017F;e &#x017F;orge machen mo&#x0364;chten,<lb/>
&#x017F;tehen &#x017F;o bald nach den vorigen angezogenen <hi rendition="#aq">pag. 43.</hi> <hi rendition="#fr">Viel i&#x017F;ts, &#x017F;prechen<lb/>
ko&#x0364;nnen, der HERR kleidet mich, der HERR &#x017F;chmu&#x0364;cket mich, der<lb/>
HERR decket mich. Noch vielmehr i&#x017F;ts, &#x017F;prechen ko&#x0364;nnen, der<lb/>
HERR wird durch &#x017F;olch kleiden &#x017F;elbs mein rock, und durch &#x017F;olch<lb/>
&#x017F;chmu&#x0364;cken &#x017F;elbs meiner &#x017F;eelen &#x017F;chmuck, und durch &#x017F;olch decken &#x017F;elbs<lb/>
meines hauptes decke. Dann wie mich E&#x017F;aias hei&#x017F;&#x017F;et fro&#x0364;lich &#x017F;eyn, da-<lb/>
ru&#x0364;ber daß mich der HErr angezogen mit kleidern des heyls, &#x017F;o hei&#x017F;-<lb/>
&#x017F;et mich Jeremias ru&#x0364;hmen davon, daß der HErr &#x017F;elbs meine gerech-<lb/>
tigkeit, mein &#x017F;chmuck und mein rock &#x017F;eye. Noch mehr i&#x017F;ts endlich<lb/>
und das allermei&#x017F;te, &#x017F;prechen ko&#x0364;nnen, worzu der HERR &#x017F;ich mir<lb/>
gegeben, das habe ich nicht allein in ihm, &#x017F;ondern ich bins auch in<lb/>
ihm. Jch habe in CHri&#x017F;to die gerechtigkeit, und bin auch in ihm die<lb/>
gerechtigkeit die vor GOTT gilt.</hi> Wo aus angezogener &#x017F;telle der <hi rendition="#aq">au-<lb/>
tor</hi> &#x017F;ollte in des bedeuteten irrthums verdacht gezogen werden, daß er &#x017F;elbs un-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;e-</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[106/0118] Das ſiebende Capitel. nachſchreiten, der unterſchied groß gnug iſt. Was endlich 3. die dritte ſtell anlangt, thut dieſelbe abermal zu ſtaͤrckung eines verdachts allerdings nichts, weil darinn gar nicht von der heiligung ſondern rechtfertigung und anziehung der gerechtigkeit CHriſti geredet wird. Nach derſelben wandeln wir vor GOTT als vergoͤtterte menſchen und neue CHriſti, das iſt, ſolche leu- te, an denen GOTT die goͤttliche gerechtigkeit ſeines ſohnes anſihet, wel- che ihnen ſo eigen worden, ob waͤren ſie CHriſtus ſelbs, nicht in ihrer perſon ſondern in GOTTes gnaͤdiger anſehung vor ſeinem gericht. Das wort vergoͤtterte menſchen hoffe gleichfals werde in geſundem verſtand gern an- genommen werden, wann ſo gar von der heiligung, da man faſt mehr beden- ckens haben ſolte, 2. Petr. 1, 4 der goͤttlichen natur meldung geſchiehet, dero die glaubigen theilhafftig werden, und Nazianzenus von der tauff al- ſo redet: ἐμὲ Θεοῖ διὰ του῀ βαπτίσματος. er macht mich zum GOTT durch die tauff; welche rede wir gern der glaubens regel gemaͤß verſtehen und um dero gebrauch mit dieſem kirchen-vater nicht zancken. Aus welchem allem erhellet, daß in den angezogenen ſtellen der angegebene irrthum aller- dings nicht ſtecke. Der dritte punct. Dieſer betrifft die frage, ob autor nicht des Oſiandriſmi ſich verdaͤch- tig mache, und lehrte, daß wir nicht ſo wol durch die zugerechnete gerech- tigkeit des verdienſts CHriſti, als die weſentliche und perſoͤnliche gerechtig- keit deſſelben gerecht wuͤrden. Die wort, welche dieſe ſorge machen moͤchten, ſtehen ſo bald nach den vorigen angezogenen pag. 43. Viel iſts, ſprechen koͤnnen, der HERR kleidet mich, der HERR ſchmuͤcket mich, der HERR decket mich. Noch vielmehr iſts, ſprechen koͤnnen, der HERR wird durch ſolch kleiden ſelbs mein rock, und durch ſolch ſchmuͤcken ſelbs meiner ſeelen ſchmuck, und durch ſolch decken ſelbs meines hauptes decke. Dann wie mich Eſaias heiſſet froͤlich ſeyn, da- ruͤber daß mich der HErr angezogen mit kleidern des heyls, ſo heiſ- ſet mich Jeremias ruͤhmen davon, daß der HErr ſelbs meine gerech- tigkeit, mein ſchmuck und mein rock ſeye. Noch mehr iſts endlich und das allermeiſte, ſprechen koͤnnen, worzu der HERR ſich mir gegeben, das habe ich nicht allein in ihm, ſondern ich bins auch in ihm. Jch habe in CHriſto die gerechtigkeit, und bin auch in ihm die gerechtigkeit die vor GOTT gilt. Wo aus angezogener ſtelle der au- tor ſollte in des bedeuteten irrthums verdacht gezogen werden, daß er ſelbs un- ſe-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/118
Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/118>, abgerufen am 21.11.2024.