Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.ARTIC. I. SECTIO XIIX. sie einzurichten, ist eine weitläufftigere materie, und wären darüber ande-re erfahrnere billicher zu rath zu ziehen. Meine wenige gedancken wären, daß man einestheils die heiligkeit der lehre Christi, und wie i[n] derselben alles, was in dem gesetz Mosis eine wahre heiligkeit, welche GOTT als einem geistlichen wesen und seinem wahren dienst gemäß ist, heissen könte, enthalten seye; Andern theils, daß der Meßias ein solcher habe seyn müs- sen, wie wir Christen von Christo lehren; Auch daß er nothwendig schon müsse gekommen seyn. Das erste gibet schon ein starckes argument, daß der jenige kein verführer müsse gewesen seyn, davor sie sonsten unsern HERRN JESUM ausgeben, welcher eine solche heilige lehre getrie- ben, die dem satan und der menschlichen verderbnüß so schnur stracks ent- gegen stehet, und dem fleisch nicht schmeichlet, auch alles in dem gesetz Mo- sis enthaltene auf eine vollkommenere und höhere art in sich fasset. Das andere ist das hauptstück selbs, welches wo es erhärtet ist, die davon über- zeugte gleich zu dem neuen Testament führet, worinnen nachmal die übri- ge geheimnüssen klar enthalten sind, und denen jenigen unschwer einflies- sen, welche solches vor göttliches wort annehmen. Es ist aber das eine davon sehr nöthig, nemlich daß gezeiget werde, was GOTT vor einen Meßiam in dem alten Testament versprochen habe, wie nemlich derselbe leiden, sterben und sich zu einem versöhnopffer geben habe müssen, wie auch GOTT durch denselben einen andern bund, nicht mehr wie der vorige ge- wesen, mit den menschen machen, auch die gesamte völcker der erden zu dessen gemeinschafft beruffen wollen. Dann wo nicht erstlich dieser major ge- gen die Juden fest gesetzet ist, sondern ihre gewöhnliche einbildungen von dem Meßia als einem bloß weltlichen König stehen bleiben, so ist alles an- dere vergebens, was wir in minori von unserm JEsu ihnen weisen wol- ten. Das andere aber, daß der Meßias schon gekommen seyn müsse, treibet sie nachmals vollends an, daß sie entweder sagen müssen, daß Gott in seinen verheissungen falsch erfunden werde, so sie ohne GOttes lästerung nicht sa- gen können, oder daß ein anderer Meßias bereits gekommen seye, welchen sie zeigen müßten, aber solches zu thun nicht vermögen, oder daß unser JE- sus derselbe seye, welches allein überbleibet. 10. Hiezu hätte der jenige Prediger, welchem solches werck anver- trauet wird, sich der bücher, welche von dieser materie geschrieben sind, zu gebrauchen, und sich sonderlich gefaßt zu halten auf die gewöhnliche ein- würffe, welche sie gegen uns zu bringen pflegen, damit man denselben selbs voran begegnen, oder wo sie von ihnen selbs vorgebracht werden, gründlich zu antworten vermöge. Unter andern mag das buch des vortrefflichen Herrn D. Wagenseils, genannt Tela ignea Satanae, worinnen der verstockten leute
ARTIC. I. SECTIO XIIX. ſie einzurichten, iſt eine weitlaͤufftigere materie, und waͤren daruͤber ande-re erfahrnere billicher zu rath zu ziehen. Meine wenige gedancken waͤren, daß man einestheils die heiligkeit der lehre Chriſti, und wie i[n] derſelben alles, was in dem geſetz Moſis eine wahre heiligkeit, welche GOTT als einem geiſtlichen weſen und ſeinem wahren dienſt gemaͤß iſt, heiſſen koͤnte, enthalten ſeye; Andern theils, daß der Meßias ein ſolcher habe ſeyn muͤſ- ſen, wie wir Chriſten von Chriſto lehren; Auch daß er nothwendig ſchon muͤſſe gekommen ſeyn. Das erſte gibet ſchon ein ſtarckes argument, daß der jenige kein verfuͤhrer muͤſſe geweſen ſeyn, davor ſie ſonſten unſern HERRN JESUM ausgeben, welcher eine ſolche heilige lehre getrie- ben, die dem ſatan und der menſchlichen verderbnuͤß ſo ſchnur ſtracks ent- gegen ſtehet, und dem fleiſch nicht ſchmeichlet, auch alles in dem geſetz Mo- ſis enthaltene auf eine vollkommenere und hoͤhere art in ſich faſſet. Das andere iſt das hauptſtuͤck ſelbs, welches wo es erhaͤrtet iſt, die davon uͤber- zeugte gleich zu dem neuen Teſtament fuͤhret, worinnen nachmal die uͤbri- ge geheimnuͤſſen klar enthalten ſind, und denen jenigen unſchwer einflieſ- ſen, welche ſolches vor goͤttliches wort annehmen. Es iſt aber das eine davon ſehr noͤthig, nemlich daß gezeiget werde, was GOTT vor einen Meßiam in dem alten Teſtament verſprochen habe, wie nemlich derſelbe leiden, ſterben und ſich zu einem verſoͤhnopffer geben habe muͤſſen, wie auch GOTT durch denſelben einen andern bund, nicht mehr wie der vorige ge- weſen, mit den menſchen machen, auch die geſamte voͤlcker der erden zu deſſen gemeinſchafft beruffen wollen. Dann wo nicht erſtlich dieſer major ge- gen die Juden feſt geſetzet iſt, ſondern ihre gewoͤhnliche einbildungen von dem Meßia als einem bloß weltlichen Koͤnig ſtehen bleiben, ſo iſt alles an- dere vergebens, was wir in minori von unſerm JEſu ihnen weiſen wol- ten. Das andere aber, daß der Meßias ſchon gekommen ſeyn muͤſſe, treibet ſie nachmals vollends an, daß ſie entweder ſagen muͤſſen, daß Gott in ſeinen verheiſſungen falſch erfunden werde, ſo ſie ohne GOttes laͤſterung nicht ſa- gen koͤnnen, oder daß ein anderer Meßias bereits gekommen ſeye, welchen ſie zeigen muͤßten, aber ſolches zu thun nicht vermoͤgen, oder daß unſer JE- ſus derſelbe ſeye, welches allein uͤberbleibet. 10. Hiezu haͤtte der jenige Prediger, welchem ſolches werck anver- trauet wird, ſich der buͤcher, welche von dieſer materie geſchrieben ſind, zu gebrauchen, und ſich ſonderlich gefaßt zu halten auf die gewoͤhnliche ein- wuͤrffe, welche ſie gegen uns zu bringen pflegen, damit man denſelben ſelbs voran begegnen, oder wo ſie von ihnen ſelbs vorgebracht werden, gruͤndlich zu antworten vermoͤge. Unter andern mag das buch des vortrefflichen Herrn D. Wagenſeils, genannt Tela ignea Satanæ, worinnen der verſtockten leute
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ARTIC. I. SECTIO XIIX.
ſie einzurichten, iſt eine weitlaͤufftigere materie, und waͤren daruͤber ande-
re erfahrnere billicher zu rath zu ziehen. Meine wenige gedancken waͤren,
daß man einestheils die heiligkeit der lehre Chriſti, und wie in derſelben
alles, was in dem geſetz Moſis eine wahre heiligkeit, welche GOTT als
einem geiſtlichen weſen und ſeinem wahren dienſt gemaͤß iſt, heiſſen koͤnte,
enthalten ſeye; Andern theils, daß der Meßias ein ſolcher habe ſeyn muͤſ-
ſen, wie wir Chriſten von Chriſto lehren; Auch daß er nothwendig ſchon
muͤſſe gekommen ſeyn. Das erſte gibet ſchon ein ſtarckes argument, daß
der jenige kein verfuͤhrer muͤſſe geweſen ſeyn, davor ſie ſonſten unſern
HERRN JESUM ausgeben, welcher eine ſolche heilige lehre getrie-
ben, die dem ſatan und der menſchlichen verderbnuͤß ſo ſchnur ſtracks ent-
gegen ſtehet, und dem fleiſch nicht ſchmeichlet, auch alles in dem geſetz Mo-
ſis enthaltene auf eine vollkommenere und hoͤhere art in ſich faſſet. Das
andere iſt das hauptſtuͤck ſelbs, welches wo es erhaͤrtet iſt, die davon uͤber-
zeugte gleich zu dem neuen Teſtament fuͤhret, worinnen nachmal die uͤbri-
ge geheimnuͤſſen klar enthalten ſind, und denen jenigen unſchwer einflieſ-
ſen, welche ſolches vor goͤttliches wort annehmen. Es iſt aber das eine
davon ſehr noͤthig, nemlich daß gezeiget werde, was GOTT vor einen
Meßiam in dem alten Teſtament verſprochen habe, wie nemlich derſelbe
leiden, ſterben und ſich zu einem verſoͤhnopffer geben habe muͤſſen, wie auch
GOTT durch denſelben einen andern bund, nicht mehr wie der vorige ge-
weſen, mit den menſchen machen, auch die geſamte voͤlcker der erden zu deſſen
gemeinſchafft beruffen wollen. Dann wo nicht erſtlich dieſer major ge-
gen die Juden feſt geſetzet iſt, ſondern ihre gewoͤhnliche einbildungen von
dem Meßia als einem bloß weltlichen Koͤnig ſtehen bleiben, ſo iſt alles an-
dere vergebens, was wir in minori von unſerm JEſu ihnen weiſen wol-
ten. Das andere aber, daß der Meßias ſchon gekommen ſeyn muͤſſe, treibet
ſie nachmals vollends an, daß ſie entweder ſagen muͤſſen, daß Gott in ſeinen
verheiſſungen falſch erfunden werde, ſo ſie ohne GOttes laͤſterung nicht ſa-
gen koͤnnen, oder daß ein anderer Meßias bereits gekommen ſeye, welchen
ſie zeigen muͤßten, aber ſolches zu thun nicht vermoͤgen, oder daß unſer JE-
ſus derſelbe ſeye, welches allein uͤberbleibet.
10. Hiezu haͤtte der jenige Prediger, welchem ſolches werck anver-
trauet wird, ſich der buͤcher, welche von dieſer materie geſchrieben ſind,
zu gebrauchen, und ſich ſonderlich gefaßt zu halten auf die gewoͤhnliche ein-
wuͤrffe, welche ſie gegen uns zu bringen pflegen, damit man denſelben ſelbs
voran begegnen, oder wo ſie von ihnen ſelbs vorgebracht werden, gruͤndlich
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