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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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Das siebende Capitel.
kennen müssen, daraus sie gehalten sind, alles ihr vermögen immer zu der
ehre ihres höchsten Ober-herrn anzuwenden, so folget von selbsten, daß sie
auch diese gelegenheit nicht versäumen müssen, so viel an ihnen ist dazu zuthun,
daß immer einige seiner brüder nach dem fleisch, die ihn itzt noch nicht erken-
nen, und deshalben hassen, gewonnen, und zu ihrem König David bekeh-
ret werden. Es erfordert solches die christliche liebe, welche so wol bey
Regenten als andern christen die regel des gantzen lebens, alles thuns und
lassens seyn solle: Wie aber diese nicht nur eine sorge für das leibliche wohl-
seyn des nechsten erfordert, sondern vornemlich sein geistliches heyl uns
empfihlet, so ist der liebe gemäß, und wird nothwendig erfordert, daß man
keine mügliche gelegenheit versäume, etwas zu dessen seligkeit zu thun.
Sonderlich aber erfordert es auch die eigene Obrigkeitliche pflicht an sich
selbs. Wir wissen, es seyn die Obrigkeiten von GOTT dazu eigenlich
eingesetzt, daß sie wären werckzeuge seiner gnaden, dadurch er den unter-
thanen gutes thue, damit ihnen wohl seye, wie dann nicht die unterthanen
um der Obrigkeit willen, und dero staat erhalten zu helffen, in der welt seynd,
sondern die Regenten die wohlfahrt der unterthanen den wahren zweck ih-
res standes zu seyn glauben sollen. Wo wir aber dabey reden von christli-
cher Obrigkeit, welche glauben und bedencken, daß ihre unterthanen un-
sterbliche seelen haben, deßwegen dermaleins nach diesem leben ewig ent-
weder selig oder verdamt werden müssen, so schliesset sich derselben pflicht
gegen die unterthanen nicht darein ein, daß sie deroselben eusserliches und
zeitliches wohlseyn durch ihre regierung, schutz und vorsorge befördern, son-
dern sie müssen auch darauf bedacht seyn, wie derselben seelen mögen erhal-
ten werden. Wie dann christliche Obrigkeiten aus solcher pflicht gegen ih-
re christliche unterthanen sich angelegen seyn lassen müssen, wie sie in der er-
käntnüß dessen, dazu sie sich bekennen, mögen gestärcket, und erhalten, so
dann durch das wort und heilige Sacramenten ihr heil gewircket, auch was
denselben vonirrthumen oder ärgernüß entgegen ist, nach möglichkeit gehin-
dert werden. Also ist eine Obrigkeit auch schuldig, da sie unterthanen hat,
welche CHristum nicht erkennen, ihnen zu aller gelegenheit zu verhelffen, da-
mit sie mögen zu der heilsamen erkäntnüß gelangen, und sollen also auch sol-
che unglaubige für das jenige, was sie der Obrigkeit leisten und geben müs-
sen, nicht nur andern schutzes und zeitlichen friedens, sondern daran ihnen
warhafftig (ob sie es wol nicht glauben) das meiste gelegen ist, auch dero
vorsorge für ihre seligkeit geniessen. Unterlässet also ein Regent dieses stück,
so versündiget er sich schwerlich an seinem Heyland, und schmählert seine
ehre so viel als er daran versäumet, was er zu dero beförderung thun solte,
er verletzet die, auch diesen nechsten (davon wir die Juden nicht ausschlies-
sen
Das ſiebende Capitel.
kennen muͤſſen, daraus ſie gehalten ſind, alles ihr vermoͤgen immer zu der
ehre ihres hoͤchſten Ober-herrn anzuwenden, ſo folget von ſelbſten, daß ſie
auch dieſe gelegenheit nicht verſaͤumen muͤſſen, ſo viel an ihnen iſt dazu zuthun,
daß immer einige ſeiner bruͤder nach dem fleiſch, die ihn itzt noch nicht erken-
nen, und deshalben haſſen, gewonnen, und zu ihrem Koͤnig David bekeh-
ret werden. Es erfordert ſolches die chriſtliche liebe, welche ſo wol bey
Regenten als andern chriſten die regel des gantzen lebens, alles thuns und
laſſens ſeyn ſolle: Wie aber dieſe nicht nur eine ſorge fuͤr das leibliche wohl-
ſeyn des nechſten erfordert, ſondern vornemlich ſein geiſtliches heyl uns
empfihlet, ſo iſt der liebe gemaͤß, und wird nothwendig erfordert, daß man
keine muͤgliche gelegenheit verſaͤume, etwas zu deſſen ſeligkeit zu thun.
Sonderlich aber erfordert es auch die eigene Obrigkeitliche pflicht an ſich
ſelbs. Wir wiſſen, es ſeyn die Obrigkeiten von GOTT dazu eigenlich
eingeſetzt, daß ſie waͤren werckzeuge ſeiner gnaden, dadurch er den unter-
thanen gutes thue, damit ihnen wohl ſeye, wie dann nicht die unterthanen
um der Obrigkeit willen, und dero ſtaat erhalten zu helffen, in der welt ſeynd,
ſondern die Regenten die wohlfahrt der unterthanen den wahren zweck ih-
res ſtandes zu ſeyn glauben ſollen. Wo wir aber dabey reden von chriſtli-
cher Obrigkeit, welche glauben und bedencken, daß ihre unterthanen un-
ſterbliche ſeelen haben, deßwegen dermaleins nach dieſem leben ewig ent-
weder ſelig oder verdamt werden muͤſſen, ſo ſchlieſſet ſich derſelben pflicht
gegen die unterthanen nicht darein ein, daß ſie deroſelben euſſerliches und
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dern ſie muͤſſen auch darauf bedacht ſeyn, wie derſelben ſeelen moͤgen erhal-
ten werden. Wie dann chriſtliche Obrigkeiten aus ſolcher pflicht gegen ih-
re chriſtliche unterthanen ſich angelegen ſeyn laſſen muͤſſen, wie ſie in der er-
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dann durch das wort und heilige Sacramenten ihr heil gewircket, auch was
denſelben vonirrthumen oder aͤrgernuͤß entgegen iſt, nach moͤglichkeit gehin-
dert werden. Alſo iſt eine Obrigkeit auch ſchuldig, da ſie unterthanen hat,
welche CHriſtum nicht erkennen, ihnen zu aller gelegenheit zu verhelffen, da-
mit ſie moͤgen zu der heilſamen erkaͤntnuͤß gelangen, und ſollen alſo auch ſol-
che unglaubige fuͤr das jenige, was ſie der Obrigkeit leiſten und geben muͤſ-
ſen, nicht nur andern ſchutzes und zeitlichen friedens, ſondern daran ihnen
warhafftig (ob ſie es wol nicht glauben) das meiſte gelegen iſt, auch dero
vorſorge fuͤr ihre ſeligkeit genieſſen. Unterlaͤſſet alſo ein Regent dieſes ſtuͤck,
ſo verſuͤndiget er ſich ſchwerlich an ſeinem Heyland, und ſchmaͤhlert ſeine
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[88/0100] Das ſiebende Capitel. kennen muͤſſen, daraus ſie gehalten ſind, alles ihr vermoͤgen immer zu der ehre ihres hoͤchſten Ober-herrn anzuwenden, ſo folget von ſelbſten, daß ſie auch dieſe gelegenheit nicht verſaͤumen muͤſſen, ſo viel an ihnen iſt dazu zuthun, daß immer einige ſeiner bruͤder nach dem fleiſch, die ihn itzt noch nicht erken- nen, und deshalben haſſen, gewonnen, und zu ihrem Koͤnig David bekeh- ret werden. Es erfordert ſolches die chriſtliche liebe, welche ſo wol bey Regenten als andern chriſten die regel des gantzen lebens, alles thuns und laſſens ſeyn ſolle: Wie aber dieſe nicht nur eine ſorge fuͤr das leibliche wohl- ſeyn des nechſten erfordert, ſondern vornemlich ſein geiſtliches heyl uns empfihlet, ſo iſt der liebe gemaͤß, und wird nothwendig erfordert, daß man keine muͤgliche gelegenheit verſaͤume, etwas zu deſſen ſeligkeit zu thun. Sonderlich aber erfordert es auch die eigene Obrigkeitliche pflicht an ſich ſelbs. Wir wiſſen, es ſeyn die Obrigkeiten von GOTT dazu eigenlich eingeſetzt, daß ſie waͤren werckzeuge ſeiner gnaden, dadurch er den unter- thanen gutes thue, damit ihnen wohl ſeye, wie dann nicht die unterthanen um der Obrigkeit willen, und dero ſtaat erhalten zu helffen, in der welt ſeynd, ſondern die Regenten die wohlfahrt der unterthanen den wahren zweck ih- res ſtandes zu ſeyn glauben ſollen. Wo wir aber dabey reden von chriſtli- cher Obrigkeit, welche glauben und bedencken, daß ihre unterthanen un- ſterbliche ſeelen haben, deßwegen dermaleins nach dieſem leben ewig ent- weder ſelig oder verdamt werden muͤſſen, ſo ſchlieſſet ſich derſelben pflicht gegen die unterthanen nicht darein ein, daß ſie deroſelben euſſerliches und zeitliches wohlſeyn durch ihre regierung, ſchutz und vorſorge befoͤrdern, ſon- dern ſie muͤſſen auch darauf bedacht ſeyn, wie derſelben ſeelen moͤgen erhal- ten werden. Wie dann chriſtliche Obrigkeiten aus ſolcher pflicht gegen ih- re chriſtliche unterthanen ſich angelegen ſeyn laſſen muͤſſen, wie ſie in der er- kaͤntnuͤß deſſen, dazu ſie ſich bekennen, moͤgen geſtaͤrcket, und erhalten, ſo dann durch das wort und heilige Sacramenten ihr heil gewircket, auch was denſelben vonirrthumen oder aͤrgernuͤß entgegen iſt, nach moͤglichkeit gehin- dert werden. Alſo iſt eine Obrigkeit auch ſchuldig, da ſie unterthanen hat, welche CHriſtum nicht erkennen, ihnen zu aller gelegenheit zu verhelffen, da- mit ſie moͤgen zu der heilſamen erkaͤntnuͤß gelangen, und ſollen alſo auch ſol- che unglaubige fuͤr das jenige, was ſie der Obrigkeit leiſten und geben muͤſ- ſen, nicht nur andern ſchutzes und zeitlichen friedens, ſondern daran ihnen warhafftig (ob ſie es wol nicht glauben) das meiſte gelegen iſt, auch dero vorſorge fuͤr ihre ſeligkeit genieſſen. Unterlaͤſſet alſo ein Regent dieſes ſtuͤck, ſo verſuͤndiget er ſich ſchwerlich an ſeinem Heyland, und ſchmaͤhlert ſeine ehre ſo viel als er daran verſaͤumet, was er zu dero befoͤrderung thun ſolte, er verletzet die, auch dieſen nechſten (davon wir die Juden nicht ausſchlieſ- ſen

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/100>, abgerufen am 21.11.2024.