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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

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Das sechste Capitel.
gehandelt worden/ und die acta gelesen/ daß ich mit grund der warheit sagen kan/ wo
nicht seiter durch neue inquisitiones wichtigere dinge hervorgebracht worden (da-
von ich nichts weiß) daß als lang ich in Sachsen gewesen/ gegen den so genanten Pie-
tismum,
daß er eine secte wäre/ oder irrthum hegte/ nichts heraus gebracht/ sondern
die beschuldigungen auff ihrem ungrunde befunden worden. Da wollen aber E.
Churf. Durchl. gnädigst ermessen/ wie unrecht es seye/ das gleichwol so genan-
te geistliche mit gewalt eine secte erdichten/ E. Churf. Durchl. gewissen/ um sich
an unschuldigen leuten zuvergreiffen/ nöthigen wollen/ und das gantze land mit haß
gegen sie erfüllen. Daß aber E. Churf. Durchl. an einigen absonderlichen exem-
peln/ wie unbillig einige ihrer Theologorum hirinnen verfahren offentlich sehen/
bitte ich unterth. diese mit gedult anzuhören.

M. Schade hatte nechst M. Francken die meiste collegia gehalten/ als er
nun nach der inquisition, da alle seine dinge nach müglichkeit untersucht/ aber
nichts wider ihn auffgebracht worden/ keinen sentenz kriegte/ sistirte er sich in
Dreßden dem examini, da man ja ihn am schärffsten examinirte, und ob er irrig
oder nicht wäre/ untersuchen könte/ er wurde aber gegen meine meinung ab- und
Leipzig gewiesen/ als er aber dahin kam/ wolte man ihn auch nicht anhören/ daher
er an den geheimen Rath gegangen/ und sich deswegen/ weil man ihn nicht admit-
tiren
wolte/ beschwehret/ darauf ein befehl an den kirchen-rath und von diesem
an die Theologische Facultät in Leipzig ergangen/ M. Schaden auffs schärffste
zu examiniren, und dar von/ wie sie ihn befunden/ relation abzustatten/ aber es hat
zum despect des Churfürstl. befehls derselbe von damaligen Decano D. Carpzo-
vio
in dem gantzen jahr/ als er noch in Leipzig geblieben/ nicht erlangen können/ ad
mittiret
und gehöret zu werden. Also auch 1690. sandte D. Alberti als Epho-
rus
der Churfürstlichen Stipendiaten im nahmen der gesamten Ephororum
(damit gleichwol die übrige nicht zu frieden gewesen) an den kirchen rath eine for-
mul/ mit welcher alle so aus den Stipendiaten des pietismi schuldig oder suspect
wären/ ihren irrthum erkennen und revociren solten/ darmit man dermaleins
schrifftlich zeigen könte/ daß gleichwol eigenliche irrthüme verhanden gewesen/ und
von einigen erkant hätten werden müssen. Jch zeigte der sachen unbillichkeit/ aber
die majora erhieltens/ das solche formulae approbirt wurden/ und ob wol feine stu-
diosi,
wo man ihnen einigen irrthum zeigen könte/ sich willig erboten/ denselben ab-
zulegen/ halfft doch nichts/ sie solten bekennen davon sie nichts wusten/ oder der
Churf. gnade quitt gehen; wie dann durch dieses mittel unterschiedliche gelehrte
u. feine leute/ so der kirchen vor andern hätten nutzliche dienste leisten können/ abge-
wiesen worden/ und von beforderung in ihrem vaterland ausgeschlossen blieben.

Hieraus und aus mehrern andern/ so alles dargethan werden kan/ vermö-
gen E. Churf. Durchl unschwehr zu sehen/ wie nicht allein die so. genante Pietisten

un-

Das ſechſte Capitel.
gehandelt worden/ und die acta geleſen/ daß ich mit grund der warheit ſagen kan/ wo
nicht ſeiter durch neue inquiſitiones wichtigere dinge hervorgebracht worden (da-
von ich nichts weiß) daß als lang ich in Sachſen geweſen/ gegen den ſo genantẽ Pie-
tismum,
daß er eine ſecte waͤre/ oder irrthum hegte/ nichts heraus gebracht/ ſondern
die beſchuldigungen auff ihrem ungrunde befunden worden. Da wollen aber E.
Churf. Durchl. gnaͤdigſt ermeſſen/ wie unrecht es ſeye/ das gleichwol ſo genan-
te geiſtliche mit gewalt eine ſecte erdichten/ E. Churf. Durchl. gewiſſen/ um ſich
an unſchuldigen leuten zuvergreiffen/ noͤthigen wollen/ und das gantze land mit haß
gegen ſie erfuͤllen. Daß aber E. Churf. Durchl. an einigen abſonderlichen exem-
peln/ wie unbillig einige ihrer Theologorum hirinnen verfahren offentlich ſehen/
bitte ich unterth. dieſe mit gedult anzuhoͤren.

M. Schade hatte nechſt M. Francken die meiſte collegia gehalten/ als er
nun nach der inquiſition, da alle ſeine dinge nach muͤglichkeit unterſucht/ aber
nichts wider ihn auffgebracht worden/ keinen ſentenz kriegte/ ſiſtirte er ſich in
Dreßden dem examini, da man ja ihn am ſchaͤrffſten examinirte, und ob er irrig
oder nicht waͤre/ unterſuchen koͤnte/ er wuꝛde aber gegen meine meinung ab- und
Leipzig gewieſen/ als er aber dahin kam/ wolte man ihn auch nicht anhoͤren/ daher
er an den geheimen Rath gegangen/ und ſich deswegen/ weil man ihn nicht admit-
tiren
wolte/ beſchwehret/ darauf ein befehl an den kirchen-rath und von dieſem
an die Theologiſche Facultaͤt in Leipzig ergangen/ M. Schaden auffs ſchaͤrffſte
zu examiniren, und dar von/ wie ſie ihn befunden/ relation abzuſtatten/ aber es hat
zum deſpect des Churfuͤrſtl. befehls derſelbe von damaligen Decano D. Carpzo-
vio
in dem gantzen jahr/ als er noch in Leipzig geblieben/ nicht erlangen koͤnnen/ ad
mittiret
und gehoͤret zu werden. Alſo auch 1690. ſandte D. Alberti als Epho-
rus
der Churfuͤrſtlichen Stipendiaten im nahmen der geſamten Ephororum
(damit gleichwol die uͤbrige nicht zu frieden geweſen) an den kirchen rath eine for-
mul/ mit welcher alle ſo aus den Stipendiaten des pietismi ſchuldig oder ſuſpect
waͤren/ ihren irrthum erkennen und revociren ſolten/ darmit man dermaleins
ſchrifftlich zeigen koͤnte/ daß gleichwol eigenliche irrthuͤme verhanden geweſen/ und
von einigen erkant haͤtten werden muͤſſen. Jch zeigte der ſachen unbillichkeit/ aber
die majora erhieltens/ das ſolche formulæ approbirt wurden/ und ob wol feine ſtu-
dioſi,
wo man ihnen einigen irrthum zeigen koͤnte/ ſich willig erboten/ denſelben ab-
zulegen/ halfft doch nichts/ ſie ſolten bekennen davon ſie nichts wuſten/ oder der
Churf. gnade quitt gehen; wie dann durch dieſes mittel unteꝛſchiedliche gelehrte
u. feine leute/ ſo der kirchen vor andern haͤtten nutzliche dienſte leiſten koͤnnen/ abge-
wieſen worden/ und von beforderung in ihrem vaterland ausgeſchloſſen blieben.

Hieraus und aus mehrern andern/ ſo alles dargethan werden kan/ vermoͤ-
gen E. Churf. Durchl unſchwehr zu ſehen/ wie nicht allein die ſo. genante Pietiſten

un-
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[938/0956] Das ſechſte Capitel. gehandelt worden/ und die acta geleſen/ daß ich mit grund der warheit ſagen kan/ wo nicht ſeiter durch neue inquiſitiones wichtigere dinge hervorgebracht worden (da- von ich nichts weiß) daß als lang ich in Sachſen geweſen/ gegen den ſo genantẽ Pie- tismum, daß er eine ſecte waͤre/ oder irrthum hegte/ nichts heraus gebracht/ ſondern die beſchuldigungen auff ihrem ungrunde befunden worden. Da wollen aber E. Churf. Durchl. gnaͤdigſt ermeſſen/ wie unrecht es ſeye/ das gleichwol ſo genan- te geiſtliche mit gewalt eine ſecte erdichten/ E. Churf. Durchl. gewiſſen/ um ſich an unſchuldigen leuten zuvergreiffen/ noͤthigen wollen/ und das gantze land mit haß gegen ſie erfuͤllen. Daß aber E. Churf. Durchl. an einigen abſonderlichen exem- peln/ wie unbillig einige ihrer Theologorum hirinnen verfahren offentlich ſehen/ bitte ich unterth. dieſe mit gedult anzuhoͤren. M. Schade hatte nechſt M. Francken die meiſte collegia gehalten/ als er nun nach der inquiſition, da alle ſeine dinge nach muͤglichkeit unterſucht/ aber nichts wider ihn auffgebracht worden/ keinen ſentenz kriegte/ ſiſtirte er ſich in Dreßden dem examini, da man ja ihn am ſchaͤrffſten examinirte, und ob er irrig oder nicht waͤre/ unterſuchen koͤnte/ er wuꝛde aber gegen meine meinung ab- und Leipzig gewieſen/ als er aber dahin kam/ wolte man ihn auch nicht anhoͤren/ daher er an den geheimen Rath gegangen/ und ſich deswegen/ weil man ihn nicht admit- tiren wolte/ beſchwehret/ darauf ein befehl an den kirchen-rath und von dieſem an die Theologiſche Facultaͤt in Leipzig ergangen/ M. Schaden auffs ſchaͤrffſte zu examiniren, und dar von/ wie ſie ihn befunden/ relation abzuſtatten/ aber es hat zum deſpect des Churfuͤrſtl. befehls derſelbe von damaligen Decano D. Carpzo- vio in dem gantzen jahr/ als er noch in Leipzig geblieben/ nicht erlangen koͤnnen/ ad mittiret und gehoͤret zu werden. Alſo auch 1690. ſandte D. Alberti als Epho- rus der Churfuͤrſtlichen Stipendiaten im nahmen der geſamten Ephororum (damit gleichwol die uͤbrige nicht zu frieden geweſen) an den kirchen rath eine for- mul/ mit welcher alle ſo aus den Stipendiaten des pietismi ſchuldig oder ſuſpect waͤren/ ihren irrthum erkennen und revociren ſolten/ darmit man dermaleins ſchrifftlich zeigen koͤnte/ daß gleichwol eigenliche irrthuͤme verhanden geweſen/ und von einigen erkant haͤtten werden muͤſſen. Jch zeigte der ſachen unbillichkeit/ aber die majora erhieltens/ das ſolche formulæ approbirt wurden/ und ob wol feine ſtu- dioſi, wo man ihnen einigen irrthum zeigen koͤnte/ ſich willig erboten/ denſelben ab- zulegen/ halfft doch nichts/ ſie ſolten bekennen davon ſie nichts wuſten/ oder der Churf. gnade quitt gehen; wie dann durch dieſes mittel unteꝛſchiedliche gelehrte u. feine leute/ ſo der kirchen vor andern haͤtten nutzliche dienſte leiſten koͤnnen/ abge- wieſen worden/ und von beforderung in ihrem vaterland ausgeſchloſſen blieben. Hieraus und aus mehrern andern/ ſo alles dargethan werden kan/ vermoͤ- gen E. Churf. Durchl unſchwehr zu ſehen/ wie nicht allein die ſo. genante Pietiſten un-

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 938. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/956>, abgerufen am 23.11.2024.