Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.ARTIC. II. SECTIO XXXII. ihrer viel mehrere gehöret haben. Als bleiben dem Gaulicke seine mißverständeund irrthüme allein vor sich/ und gehen die so genannte Pietisten/ welche gantz an- ders und das gegentheil mündlich und schrifftlich gelehret haben/ nichts an. 4. So ists ohne das nichts ungewöhnliches/ wo etwas gutes mit ernst getrieben wird/ daß der jenige/ so das gute gern verderbet/ auff GOTTES verheng- nüß so bald einige dinge suchet anzustifften/ da durch demselben ein böser nahme und dardurch ein hindernüß geinachet werde/ so aber dem guten nicht zu zuschrei- ben ist; Oder wir müssen dem theuren werckzeug GOttes Luthero auch schuld geben aller irrthüme Carlstads Müntzers/ Storchens und anderer/ welche bey sei- ner reformation auff allerley weise in irrthum verfallen sind/ ja viel unheil ge- stifftet haben/ die er aber vor die seinige alsdann nicht mehr erkant hat. Und zwar hätte man ihm mit so vielmehr schein solcher leute fehler beymessen können/ (wie sie ihm auch würcklich von den Papisten bey gemessen worden sind/ und noch mit un- recht bey gemessen werden/) weil sie offenbahrlich von seiner reformation/ die ein gantz ausserordenliches werck war/ anlaß zu ihrem unfuge genommen haben. Wie wir aber eine solche aufflage vor ungerecht erkennen/ und keine vor Lutheri discipul passiren lassen/ als welche ihre lehr von ihm gefast haben/ also würde es auch unbillich seyn/ wann man/ da keine außerordenliche reformation angestellet wird/ sondern GOtt nur gnade gegeben hat/ daß einige so studiosi als bürger sich ihres Christenthums ernstlicher anzunehmen angefangen haben die irrthüme eines oder des andern/ so sich mit zu denselben gesellete/ und sie von dero meinungen nicht einmahl wüßten den übrigen zu schreiben/ und sie da mit zu einer irrigen secte ma- chen wolte/ so E. Churfürstl. Durchl. nach dero gerechtigkeit nicht zugeben wird. 2. Erhellet ferner daraus/ daß auch in den Collegiis der Studiosorum legiis Kkkkk
ARTIC. II. SECTIO XXXII. ihrer viel mehrere gehoͤret haben. Als bleiben dem Gaulicke ſeine mißverſtaͤndeund irrthuͤme allein vor ſich/ und gehen die ſo genannte Pietiſten/ welche gantz an- ders und das gegentheil muͤndlich und ſchrifftlich gelehret haben/ nichts an. 4. So iſts ohne das nichts ungewoͤhnliches/ wo etwas gutes mit ernſt getrieben wird/ daß der jenige/ ſo das gute gern verderbet/ auff GOTTES verheng- nuͤß ſo bald einige dinge ſuchet anzuſtifften/ da durch demſelben ein boͤſer nahme und dardurch ein hindernuͤß geinachet werde/ ſo aber dem guten nicht zu zuſchrei- ben iſt; Oder wir muͤſſen dem theuren werckzeug GOttes Luthero auch ſchuld geben aller irrthuͤme Carlſtads Muͤntzers/ Storchens und anderer/ welche bey ſei- ner reformation auff allerley weiſe in irrthum verfallen ſind/ ja viel unheil ge- ſtifftet haben/ die er aber vor die ſeinige alsdann nicht mehr erkant hat. Und zwar haͤtte man ihm mit ſo vielmehr ſchein ſolcher leute fehler beymeſſen koͤnnen/ (wie ſie ihm auch wuͤrcklich von den Papiſten bey gemeſſen worden ſind/ und noch mit un- recht bey gemeſſen werden/) weil ſie offenbahrlich von ſeiner reformation/ die ein gantz auſſerordenliches werck war/ anlaß zu ihrem unfuge genommen haben. Wie wir aber eine ſolche aufflage vor ungerecht erkennen/ und keine vor Lutheri diſcipul paſſiren laſſen/ als welche ihre lehr von ihm gefaſt haben/ alſo wuͤrde es auch unbillich ſeyn/ wann man/ da keine außerordenliche reformation angeſtellet wird/ ſondern GOtt nur gnade gegeben hat/ daß einige ſo ſtudioſi als buͤrger ſich ihres Chriſtenthums ernſtlicher anzunehmen angefangen haben die irrthuͤme eines oder des andern/ ſo ſich mit zu denſelben geſellete/ und ſie von dero meinungen nicht einmahl wuͤßten den uͤbrigen zu ſchreiben/ und ſie da mit zu einer irrigen ſecte ma- chen wolte/ ſo E. Chuꝛfuͤrſtl. Duꝛchl. nach dero gerechtigkeit nicht zugeben wird. 2. Erhellet ferner daraus/ daß auch in den Collegiis der Studioſorum legiis Kkkkk
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ARTIC. II. SECTIO XXXII.
ihrer viel mehrere gehoͤret haben. Als bleiben dem Gaulicke ſeine mißverſtaͤnde
und irrthuͤme allein vor ſich/ und gehen die ſo genannte Pietiſten/ welche gantz an-
ders und das gegentheil muͤndlich und ſchrifftlich gelehret haben/ nichts an. 4.
So iſts ohne das nichts ungewoͤhnliches/ wo etwas gutes mit ernſt getrieben wird/
daß der jenige/ ſo das gute gern verderbet/ auff GOTTES verheng-
nuͤß ſo bald einige dinge ſuchet anzuſtifften/ da durch demſelben ein boͤſer nahme
und dardurch ein hindernuͤß geinachet werde/ ſo aber dem guten nicht zu zuſchrei-
ben iſt; Oder wir muͤſſen dem theuren werckzeug GOttes Luthero auch ſchuld
geben aller irrthuͤme Carlſtads Muͤntzers/ Storchens und anderer/ welche bey ſei-
ner reformation auff allerley weiſe in irrthum verfallen ſind/ ja viel unheil ge-
ſtifftet haben/ die er aber vor die ſeinige alsdann nicht mehr erkant hat. Und zwar
haͤtte man ihm mit ſo vielmehr ſchein ſolcher leute fehler beymeſſen koͤnnen/ (wie ſie
ihm auch wuͤrcklich von den Papiſten bey gemeſſen worden ſind/ und noch mit un-
recht bey gemeſſen werden/) weil ſie offenbahrlich von ſeiner reformation/ die ein
gantz auſſerordenliches werck war/ anlaß zu ihrem unfuge genommen haben.
Wie wir aber eine ſolche aufflage vor ungerecht erkennen/ und keine vor Lutheri
diſcipul paſſiren laſſen/ als welche ihre lehr von ihm gefaſt haben/ alſo wuͤrde es
auch unbillich ſeyn/ wann man/ da keine außerordenliche reformation angeſtellet
wird/ ſondern GOtt nur gnade gegeben hat/ daß einige ſo ſtudioſi als buͤrger ſich
ihres Chriſtenthums ernſtlicher anzunehmen angefangen haben die irrthuͤme eines
oder des andern/ ſo ſich mit zu denſelben geſellete/ und ſie von dero meinungen nicht
einmahl wuͤßten den uͤbrigen zu ſchreiben/ und ſie da mit zu einer irrigen ſecte ma-
chen wolte/ ſo E. Chuꝛfuͤrſtl. Duꝛchl. nach dero gerechtigkeit nicht zugeben wird.
2. Erhellet ferner daraus/ daß auch in den Collegiis der Studioſorum
nichts eigenlich ſtraͤffliches vorgegangen ſeye: dann die gantze hiſtorie aus den a-
ctis wird dahinaus lauffen: daß 1. privat collegia uͤber die Bibel zur beſſeren
verſtaͤndnuͤß der ſchrifft/ vorbereitung zum kraͤfftigen predigamt/ und eigener auff-
munterung zur gottſeligkeit von Studioſis angefangen und mit gutem ihrem nutzen
eine gute zeit continuiret worden. Wie nun in ſolcheꝛ ſache zweck und metho-
dus an ſich ſelbs unſtraͤfflich ſind/ alſo hat auch/ ſonderlich in Leipzig (welcher Uni-
verſitaͤt freyheit in unterſchiedlichen ſtuͤcken vor andern ihn nicht wenigen ruhm ge-
bracht/ und im flor erhalten hat) niemand iemal bißher den Studioſis das
recht zu dergleichen uͤbungen in zweiffel gezogen. 2. Nach deme dieſe Collegia
eine weil mit der beſuchenden groſſen erbauung gehalten worden/ hat ſich die zahl
der Studioſorum in denſelben immer vergroͤſſert/ in dem ie einer den andern die
nutzbarkeit geruͤhmet haben wird/ und aber jeder/ welcher gern proficiren will/ mit
freuden jegliche gelegenheit ergreifft/ wovon er dergleichen hoffet. Hierinnen iſt
abermal nichts wieder einige leges oder herkommen geſuͤndiget worden/ als wann
nirgend die zahl der Collegarum oder auditorum determiniret iſt/ in den Col-
legiis
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