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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

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DISTINCTIO II. SECTIO XXXI.
dem ohne das zwar auch die übrige theile der Theologiae höchst nützlich und nöthig sind/ da-
her bey leibe nicht unterlassen werden dörffen/ dieses studium aber ohne billichen wiederspruch
das vornehmste unter allen bleibet/ und den übrigen maaß gibet/ weßwegen auch Doctores
und studiosi den nahmen von der H. Schrifft führen/ und E. Churfl. Durchl. löblichste vor-
fahren in den legibus auch die Theologos auf dieselbe hauptsächlich weisen: und zwar wie die
austrückliche verordnung des theuren Churfürsten Augusti Universität-Ordnung (p. 397.)
mit sich bringen/ daß die professores ihre lectiones also unter ihnen selbs austheilen/ und der-
massen anstellen/ damit ein studiosus derselben auff bestimmte gewisse zeit durch Gottes gna-
de in den schrifften der Propheten und Apostel einen solchen verstand fassen möge/ da er gleich
nicht alle bücher gäntzlich hören erklären/ sich dannoch in alle schicken könne. m. f. w. Wo
auch außtrücklich befohlen wird: damit die zuhörer nicht lange an einem ort der H. Schrifft
mit verdruß und versäumniß auffgehalten werden/ sollen sie nicht lange bey einer materie
verharren/ noch viel weniger dictiren/ sondern ein ieder professor aufs längst in 3. oder 4.
lectionibus ein Capitel absolviren/ und die zeit mit den opinionibus doctorum Ecclesiae, oder
andern unnothwendigen/ vorwitzigen sachen nicht vergeblich zubringen/ sondern allen ihren fleiß
dahin wenden/ daß sie uach anleitung des H. Christlichen glaubens und art der sprachen eines ie-
den orts oder spruchs H. Schrifft eigentlichen verstand auf das einfältigste und kürtzest/ so es im-
mer seyn kan/ ihren discipeln erklären/ und darneben anzeigen/ wie solcher entweder zur bestäti-
gung/ oder zum trost/ vermahnung oder warnung vor sünden und ungerechtigkeit nützlich ge-
braucht werden möge/ vornemlich aber mit allem fleiß achtung geben/ daß die sprüche H. Schrifft
eigentlich erkläret werden/ welche von den Papisten und rottengeistern/ alten und neuen ketzern.
m. f. w. Gewiß ists/ wo dieser methodus (wozu auch die daselbs anbefohlne/ aber nicht richtig biß
her/ wie ich höre/ continuirte jährliche 12. disputationes ordinariae gesetzt werden mögen/ und dero
unterlassung nicht länger mehr nachzusehen wäre) fleißig und stäts nach dem vorgeschriebenen in
acht genommen würde/ solte ein solcher nutze und profectus der studiosorum Theologiae folgen/
vor welchen wir dem höchsten nicht gnug danck zusagen wüsten/ und die kirche einen unbeschreibli-
chen nutzen davon schöpffen würde. Da hingegen leider die offenbahre erfahrung zeiget/ wie bey
denjenigen/ welche zu der beforderung examiniret werden/ nicht nur die meiste wenige fundamen-
ta
der studiorum mit sich bringen/ sondern auch unter denen/ welche sonsten in übrigen partibus
Theologiae
nicht ungeschickt/ auffs wenigste von dem studio exegetico, so ihnen ihr lebenlang das
meiste nutzen solte/ sehr wenig wissen/ und sich dazu wenig angeleitet worden zu seyn/ gemeiniglich
entschuldigen. Daher auch schwerlich eine gleich wichtige ursach sich finden wird/ warum die le-
ctiones publicae
und collegia privata M. Antonii und M. Francken/ so dann auch M. Schaden und
anderer so bald einen fast ungemeinen zulauff der studiosorum bekommen/ und der eiffer derselben
stäts beharret/ als weil sie/ wie nützlich und höchsinöthig vor allen andern studiis dieses ihnen seye/
bey sich selbs erkant und empfunden/ da sie nichts in spem futurae oblivionis lerneten/ sondern was
sie hörten lauter dergleichen dinge zu seyn fanden/ davon sie und andere nutzen haben würden.
Daher allerdings kein zweiffel ist/ wo die professores ordinarii sich dermassen nach dem begriff und
nutzen ihrer auditorum schicken und herab lassen/ und dieselbe in dasjenige/ was das hauptwerck
ist/ am fleißigsten führen werden/ daß auch diese desto mehr vertrauen und liebe gegen sie haben
werden.

Es würde aber auch nöthig seyn/ daß Professores Theologiae sich angelegen seyn lassen/ ih-
re lectiones also einzurichten/ daß die auditores auch allezeit einigen gustum und sensum pietatis
drauß schöpffen möchten. Jch bin nicht in abrede/ daß ich fast erschrocken bin/ und kaum meinen
augen gegla[u]bet habe/ als ich in dem nahmen der Theologischen Facultät Act. Vol. f. 39. b.
"diese wort gelesen: Die prediger/ zu denen wir die studenten in die kirche weisen/ sollen sie fromm/
"wir zu denen sie in die lectiones und collegia kommen/ sollen sie gelehrt machen. Jch will auch
nicht hoffen/ daß dieses/ wie die wort so crude da stehen/ dieser männer/ welche im übrigen billich
liebe/ und in ehren halte/ meinung solle seyn/ sondern gern eine interpretation, wie sie gefunden

wer-

DISTINCTIO II. SECTIO XXXI.
dem ohne das zwar auch die uͤbrige theile der Theologiæ hoͤchſt nuͤtzlich und noͤthig ſind/ da-
her bey leibe nicht unterlaſſen werden doͤrffen/ dieſes ſtudium aber ohne billichen wiederſpruch
das vornehmſte unter allen bleibet/ und den uͤbrigen maaß gibet/ weßwegen auch Doctores
und ſtudioſi den nahmen von der H. Schrifft fuͤhren/ und E. Churfl. Durchl. loͤblichſte vor-
fahren in den legibus auch die Theologos auf dieſelbe hauptſaͤchlich weiſen: und zwar wie die
austruͤckliche verordnung des theuren Churfuͤrſten Auguſti Univerſitaͤt-Ordnung (p. 397.)
mit ſich bringen/ daß die profeſſores ihre lectiones alſo unter ihnen ſelbs austheilen/ und der-
maſſen anſtellen/ damit ein ſtudioſus derſelben auff beſtimmte gewiſſe zeit durch Gottes gna-
de in den ſchrifften der Propheten und Apoſtel einen ſolchen verſtand faſſen moͤge/ da er gleich
nicht alle buͤcher gaͤntzlich hoͤren erklaͤren/ ſich dannoch in alle ſchicken koͤnne. m. f. w. Wo
auch außtruͤcklich befohlen wird: damit die zuhoͤrer nicht lange an einem ort der H. Schrifft
mit verdruß und verſaͤumniß auffgehalten werden/ ſollen ſie nicht lange bey einer materie
verharren/ noch viel weniger dictiren/ ſondern ein ieder profeſſor aufs laͤngſt in 3. oder 4.
lectionibus ein Capitel abſolviren/ und die zeit mit den opinionibus doctorum Eccleſiæ, oder
andern unnothwendigen/ vorwitzigen ſachen nicht vergeblich zubringen/ ſondern allen ihren fleiß
dahin wenden/ daß ſie uach anleitung des H. Chriſtlichen glaubens und art der ſprachen eines ie-
den orts oder ſpruchs H. Schrifft eigentlichen verſtand auf das einfaͤltigſte und kuͤrtzeſt/ ſo es im-
mer ſeyn kan/ ihren diſcipeln erklaͤren/ und darneben anzeigen/ wie ſolcher entweder zur beſtaͤti-
gung/ oder zum troſt/ vermahnung oder warnung vor ſuͤnden und ungerechtigkeit nuͤtzlich ge-
braucht werden moͤge/ vornemlich aber mit allem fleiß achtung geben/ daß die ſpruͤche H. Schrifft
eigentlich erklaͤret werden/ welche von den Papiſten und rottengeiſtern/ alten und neuen ketzern.
m. f. w. Gewiß iſts/ wo dieſer methodus (wozu auch die daſelbs anbefohlne/ aber nicht richtig biß
her/ wie ich hoͤre/ continuirte jaͤhrliche 12. diſputationes ordinariæ geſetzt werden moͤgen/ und dero
unterlaſſung nicht laͤnger mehr nachzuſehen waͤre) fleißig und ſtaͤts nach dem vorgeſchriebenen in
acht genommen wuͤrde/ ſolte ein ſolcher nutze und profectus der ſtudioſorum Theologiæ folgen/
vor welchen wir dem hoͤchſten nicht gnug danck zuſagen wuͤſten/ und die kirche einen unbeſchreibli-
chen nutzen davon ſchoͤpffen wuͤrde. Da hingegen leider die offenbahre erfahrung zeiget/ wie bey
denjenigen/ welche zu der beforderung examiniret werden/ nicht nur die meiſte wenige fundamen-
ta
der ſtudiorum mit ſich bringen/ ſondern auch unter denen/ welche ſonſten in uͤbrigen partibus
Theologiæ
nicht ungeſchickt/ auffs wenigſte von dem ſtudio exegetico, ſo ihnen ihr lebenlang das
meiſte nutzen ſolte/ ſehr wenig wiſſen/ und ſich dazu wenig angeleitet worden zu ſeyn/ gemeiniglich
entſchuldigen. Daher auch ſchwerlich eine gleich wichtige urſach ſich finden wird/ warum die le-
ctiones publicæ
und collegia privata M. Antonii und M. Francken/ ſo dann auch M. Schaden und
anderer ſo bald einen faſt ungemeinen zulauff der ſtudioſorum bekommen/ und der eiffer derſelben
ſtaͤts beharret/ als weil ſie/ wie nuͤtzlich und hoͤchſinoͤthig vor allen andern ſtudiis dieſes ihnen ſeye/
bey ſich ſelbs erkant und empfunden/ da ſie nichts in ſpem futuræ oblivionis lerneten/ ſondern was
ſie hoͤrten lauter dergleichen dinge zu ſeyn fanden/ davon ſie und andere nutzen haben wuͤrden.
Daher allerdings kein zweiffel iſt/ wo die profeſſores ordinarii ſich dermaſſen nach dem begriff und
nutzen ihrer auditorum ſchicken und herab laſſen/ und dieſelbe in dasjenige/ was das hauptwerck
iſt/ am fleißigſten fuͤhren werden/ daß auch dieſe deſto mehr vertrauen und liebe gegen ſie haben
werden.

Es wuͤrde aber auch noͤthig ſeyn/ daß Profeſſores Theologiæ ſich angelegen ſeyn laſſen/ ih-
re lectiones alſo einzurichten/ daß die auditores auch allezeit einigen guſtum und ſenſum pietatis
drauß ſchoͤpffen moͤchten. Jch bin nicht in abrede/ daß ich faſt erſchrocken bin/ und kaum meinen
augen gegla[u]bet habe/ als ich in dem nahmen der Theologiſchen Facultaͤt Act. Vol. ☾ f. 39. b.
„dieſe wort geleſen: Die prediger/ zu denen wir die ſtudenten in die kirche weiſen/ ſollen ſie fromm/
„wir zu denen ſie in die lectiones und collegia kommen/ ſollen ſie gelehrt machen. Jch will auch
nicht hoffen/ daß dieſes/ wie die wort ſo crude da ſtehen/ dieſer maͤnner/ welche im uͤbrigen billich
liebe/ und in ehren halte/ meinung ſolle ſeyn/ ſondern gern eine interpretation, wie ſie gefunden

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[799/0817] DISTINCTIO II. SECTIO XXXI. dem ohne das zwar auch die uͤbrige theile der Theologiæ hoͤchſt nuͤtzlich und noͤthig ſind/ da- her bey leibe nicht unterlaſſen werden doͤrffen/ dieſes ſtudium aber ohne billichen wiederſpruch das vornehmſte unter allen bleibet/ und den uͤbrigen maaß gibet/ weßwegen auch Doctores und ſtudioſi den nahmen von der H. Schrifft fuͤhren/ und E. Churfl. Durchl. loͤblichſte vor- fahren in den legibus auch die Theologos auf dieſelbe hauptſaͤchlich weiſen: und zwar wie die austruͤckliche verordnung des theuren Churfuͤrſten Auguſti Univerſitaͤt-Ordnung (p. 397.) mit ſich bringen/ daß die profeſſores ihre lectiones alſo unter ihnen ſelbs austheilen/ und der- maſſen anſtellen/ damit ein ſtudioſus derſelben auff beſtimmte gewiſſe zeit durch Gottes gna- de in den ſchrifften der Propheten und Apoſtel einen ſolchen verſtand faſſen moͤge/ da er gleich nicht alle buͤcher gaͤntzlich hoͤren erklaͤren/ ſich dannoch in alle ſchicken koͤnne. m. f. w. Wo auch außtruͤcklich befohlen wird: damit die zuhoͤrer nicht lange an einem ort der H. Schrifft mit verdruß und verſaͤumniß auffgehalten werden/ ſollen ſie nicht lange bey einer materie verharren/ noch viel weniger dictiren/ ſondern ein ieder profeſſor aufs laͤngſt in 3. oder 4. lectionibus ein Capitel abſolviren/ und die zeit mit den opinionibus doctorum Eccleſiæ, oder andern unnothwendigen/ vorwitzigen ſachen nicht vergeblich zubringen/ ſondern allen ihren fleiß dahin wenden/ daß ſie uach anleitung des H. Chriſtlichen glaubens und art der ſprachen eines ie- den orts oder ſpruchs H. Schrifft eigentlichen verſtand auf das einfaͤltigſte und kuͤrtzeſt/ ſo es im- mer ſeyn kan/ ihren diſcipeln erklaͤren/ und darneben anzeigen/ wie ſolcher entweder zur beſtaͤti- gung/ oder zum troſt/ vermahnung oder warnung vor ſuͤnden und ungerechtigkeit nuͤtzlich ge- braucht werden moͤge/ vornemlich aber mit allem fleiß achtung geben/ daß die ſpruͤche H. Schrifft eigentlich erklaͤret werden/ welche von den Papiſten und rottengeiſtern/ alten und neuen ketzern. m. f. w. Gewiß iſts/ wo dieſer methodus (wozu auch die daſelbs anbefohlne/ aber nicht richtig biß her/ wie ich hoͤre/ continuirte jaͤhrliche 12. diſputationes ordinariæ geſetzt werden moͤgen/ und dero unterlaſſung nicht laͤnger mehr nachzuſehen waͤre) fleißig und ſtaͤts nach dem vorgeſchriebenen in acht genommen wuͤrde/ ſolte ein ſolcher nutze und profectus der ſtudioſorum Theologiæ folgen/ vor welchen wir dem hoͤchſten nicht gnug danck zuſagen wuͤſten/ und die kirche einen unbeſchreibli- chen nutzen davon ſchoͤpffen wuͤrde. Da hingegen leider die offenbahre erfahrung zeiget/ wie bey denjenigen/ welche zu der beforderung examiniret werden/ nicht nur die meiſte wenige fundamen- ta der ſtudiorum mit ſich bringen/ ſondern auch unter denen/ welche ſonſten in uͤbrigen partibus Theologiæ nicht ungeſchickt/ auffs wenigſte von dem ſtudio exegetico, ſo ihnen ihr lebenlang das meiſte nutzen ſolte/ ſehr wenig wiſſen/ und ſich dazu wenig angeleitet worden zu ſeyn/ gemeiniglich entſchuldigen. Daher auch ſchwerlich eine gleich wichtige urſach ſich finden wird/ warum die le- ctiones publicæ und collegia privata M. Antonii und M. Francken/ ſo dann auch M. Schaden und anderer ſo bald einen faſt ungemeinen zulauff der ſtudioſorum bekommen/ und der eiffer derſelben ſtaͤts beharret/ als weil ſie/ wie nuͤtzlich und hoͤchſinoͤthig vor allen andern ſtudiis dieſes ihnen ſeye/ bey ſich ſelbs erkant und empfunden/ da ſie nichts in ſpem futuræ oblivionis lerneten/ ſondern was ſie hoͤrten lauter dergleichen dinge zu ſeyn fanden/ davon ſie und andere nutzen haben wuͤrden. Daher allerdings kein zweiffel iſt/ wo die profeſſores ordinarii ſich dermaſſen nach dem begriff und nutzen ihrer auditorum ſchicken und herab laſſen/ und dieſelbe in dasjenige/ was das hauptwerck iſt/ am fleißigſten fuͤhren werden/ daß auch dieſe deſto mehr vertrauen und liebe gegen ſie haben werden. Es wuͤrde aber auch noͤthig ſeyn/ daß Profeſſores Theologiæ ſich angelegen ſeyn laſſen/ ih- re lectiones alſo einzurichten/ daß die auditores auch allezeit einigen guſtum und ſenſum pietatis drauß ſchoͤpffen moͤchten. Jch bin nicht in abrede/ daß ich faſt erſchrocken bin/ und kaum meinen augen geglaubet habe/ als ich in dem nahmen der Theologiſchen Facultaͤt Act. Vol. ☾ f. 39. b. „dieſe wort geleſen: Die prediger/ zu denen wir die ſtudenten in die kirche weiſen/ ſollen ſie fromm/ „wir zu denen ſie in die lectiones und collegia kommen/ ſollen ſie gelehrt machen. Jch will auch nicht hoffen/ daß dieſes/ wie die wort ſo crude da ſtehen/ dieſer maͤnner/ welche im uͤbrigen billich liebe/ und in ehren halte/ meinung ſolle ſeyn/ ſondern gern eine interpretation, wie ſie gefunden wer-

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 799. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/817>, abgerufen am 22.11.2024.