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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

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DISTINCTIO II. SECTIO XXXI.
gebote GOttes halten könne/ als wie jenen thesin/ daß die vollkommene haltung
und ersüllung des gesetzes in diesem leben noch unmüglich seye/ mit gutem grund
gegen die Papisten behalten müssen. Jenes ist offenbar/ weil der H. Geist selbs
von den gläubigen das halten der göttlichen gebote asseriret, und unsre Symbo-
lische bücher/ sonderlich die Apologie D. A. C. gantz deutlich und offters die re-
dens art/ von haltung göttlicher gebote gebrauchet/ ja so gar auch das wort
erfüllen (von dem ich sonsten lieber mich enthalte) zu brauchen nicht bedenckens
hat. Daher wer mit den libris symbolicis nechst der schrifft redet/ deswegen kei-
ner verdächtigen lehr beschuldiget werden kan/ wie ich auch meine lehr in diesem
punct gegen einige/ so im finstern dagegen zumurren geschienen/ einige mahl
gründlich und mit gnugsamen zeugnüssen unser besten Theologen also befestigt
habe/ daß ich versichert bin/ daß kein rechtschaffner Theologus den geringsten
mangel daran finden kan.

Wo nun dieses wegfället/ so fället aller auch nur scheinbarer verdacht irriger
lehr und also einer secte hinweg: ja wo man etwa nur an eine sonderbare gesell-
schafft oder gleichsam orden (etwa aus nachahmung der Päpstischen orden) ge-
dencken/ und dergleichen von diesen leuten vermuhten wolte/ müsten aufs wenigste
einige gewisse leges oder anordnungen gezeiget werden/ womit sie sich unter ein-
ander verbunden und etlicher massen von andern abgesondert hätten: ob nun wol
allerley/ so gar etliche lächerliche und absurde dinge/ sonderlich erstlich von beson-
derer kleidung/ und dergleichen/ die sie unter sich eingeführet/ ausgesprenget wor-
den/ so hat sich gleichwol nicht das geringste von solchen erweißlich gemacht/ und
versichere ich mich/ aus allem was ich von den leuten und dero so reden als umgang
habe/ finden kan/ haben sie so wenig in dem leben andere regeln als in der lehr an-
dere dogmata ihnen selbst gesetzet/ sondern was auch jene anlangt/ achten sie sich
allein verbunden an die gebot und regeln/ an welche unser Heyland alle seine Chri-
sten selbst verbunden hat/ und welche kein mensch aufzulösen sich die macht nehmen
darff/ verlangen deswegen auch nichts anders/ als wie sie sich nach vermögen gern
derselben befleissen wollen/ daß alle die Christen heissen/ ihren größten fleiß seyn lies-
sen/ dieselbe recht wie sie vorgeschrieben sind/ und nicht wie die welt ihr so vielerley
dispensation selbst darinnen machen will/ zu practiciren. Also sind sie auch in
diesem stücke keinerley welse/ als ein aus eigner wahl von andern abgesondertes
corpus oder gesellschafft anzusehen.

Wenn auch die Theologische Facultät von Leipzig Act. Vol. f. 58. die XXX.
Conversations
und lebens regeln von M. Francken ausgegeben/ ansehen als ein
specimen Symboli Pietistici, wie sie auch deswegen dieselbe nicht zu drucken ge-
statten wollen/ und sich drüber beschwehren Act. Vol. Sun f. 82. So würde auch
solches ein zeugnüß seyn/ daß die Pietisten keine andere lehr von dem gottseligen le-
ben führen/ als bißher von allen gottseligen Theologis unsrer religion geführet
worden ist/ und also keine secte machen: Jndem ja iegliche religion in ihre sym-

bola
Fffff 3

DISTINCTIO II. SECTIO XXXI.
gebote GOttes halten koͤnne/ als wie jenen theſin/ daß die vollkommene haltung
und erſuͤllung des geſetzes in dieſem leben noch unmuͤglich ſeye/ mit gutem grund
gegen die Papiſten behalten muͤſſen. Jenes iſt offenbar/ weil der H. Geiſt ſelbs
von den glaͤubigen das halten der goͤttlichen gebote aſſeriret, und unſre Symbo-
liſche buͤcher/ ſonderlich die Apologie D. A. C. gantz deutlich und offters die re-
dens art/ von haltung goͤttlicher gebote gebrauchet/ ja ſo gar auch das wort
erfuͤllen (von dem ich ſonſten lieber mich enthalte) zu brauchen nicht bedenckens
hat. Daher wer mit den libris ſymbolicis nechſt der ſchrifft redet/ deswegen kei-
ner verdaͤchtigen lehr beſchuldiget werden kan/ wie ich auch meine lehr in dieſem
punct gegen einige/ ſo im finſtern dagegen zumurren geſchienen/ einige mahl
gruͤndlich und mit gnugſamen zeugnuͤſſen unſer beſten Theologen alſo befeſtigt
habe/ daß ich verſichert bin/ daß kein rechtſchaffner Theologus den geringſten
mangel daran finden kan.

Wo nun dieſes wegfaͤllet/ ſo faͤllet aller auch nur ſcheinbarer verdacht irriger
lehr und alſo einer ſecte hinweg: ja wo man etwa nur an eine ſonderbare geſell-
ſchafft oder gleichſam orden (etwa aus nachahmung der Paͤpſtiſchen orden) ge-
dencken/ und dergleichen von dieſen leuten vermuhten wolte/ muͤſten aufs wenigſte
einige gewiſſe leges oder anordnungen gezeiget werden/ womit ſie ſich unter ein-
ander verbunden und etlicher maſſen von andern abgeſondert haͤtten: ob nun wol
allerley/ ſo gar etliche laͤcherliche und abſurde dinge/ ſonderlich erſtlich von beſon-
derer kleidung/ und dergleichen/ die ſie unter ſich eingefuͤhret/ ausgeſprenget woꝛ-
den/ ſo hat ſich gleichwol nicht das geringſte von ſolchen erweißlich gemacht/ und
verſichere ich mich/ aus allem was ich von den leuten und dero ſo reden als umgang
habe/ finden kan/ haben ſie ſo wenig in dem leben andere regeln als in der lehr an-
dere dogmata ihnen ſelbſt geſetzet/ ſondern was auch jene anlangt/ achten ſie ſich
allein verbunden an die gebot und regeln/ an welche unſer Heyland alle ſeine Chri-
ſten ſelbſt verbunden hat/ und welche kein menſch aufzuloͤſen ſich die macht nehmen
darff/ verlangen deswegen auch nichts anders/ als wie ſie ſich nach vermoͤgen gern
derſelben befleiſſen wollen/ daß alle die Chriſten heiſſen/ ihren gꝛoͤßten fleiß ſeyn lieſ-
ſen/ dieſelbe recht wie ſie vorgeſchrieben ſind/ und nicht wie die welt ihr ſo vielerley
diſpenſation ſelbſt darinnen machen will/ zu practiciren. Alſo ſind ſie auch in
dieſem ſtuͤcke keinerley welſe/ als ein aus eigner wahl von andern abgeſondertes
corpus oder geſellſchafft anzuſehen.

Wenn auch die Theologiſche Facultaͤt von Leipzig Act. Vol. ☾ f. 58. die XXX.
Converſations
und lebens regeln von M. Francken ausgegeben/ anſehen als ein
ſpecimen Symboli Pietiſtici, wie ſie auch deswegen dieſelbe nicht zu drucken ge-
ſtatten wollen/ und ſich druͤber beſchwehren Act. Vol. ☉ f. 82. So wuͤrde auch
ſolches ein zeugnuͤß ſeyn/ daß die Pietiſten keine andere lehr von dem gottſeligen le-
ben fuͤhren/ als bißher von allen gottſeligen Theologis unſrer religion gefuͤhret
worden iſt/ und alſo keine ſecte machen: Jndem ja iegliche religion in ihre ſym-

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[781/0799] DISTINCTIO II. SECTIO XXXI. gebote GOttes halten koͤnne/ als wie jenen theſin/ daß die vollkommene haltung und erſuͤllung des geſetzes in dieſem leben noch unmuͤglich ſeye/ mit gutem grund gegen die Papiſten behalten muͤſſen. Jenes iſt offenbar/ weil der H. Geiſt ſelbs von den glaͤubigen das halten der goͤttlichen gebote aſſeriret, und unſre Symbo- liſche buͤcher/ ſonderlich die Apologie D. A. C. gantz deutlich und offters die re- dens art/ von haltung goͤttlicher gebote gebrauchet/ ja ſo gar auch das wort erfuͤllen (von dem ich ſonſten lieber mich enthalte) zu brauchen nicht bedenckens hat. Daher wer mit den libris ſymbolicis nechſt der ſchrifft redet/ deswegen kei- ner verdaͤchtigen lehr beſchuldiget werden kan/ wie ich auch meine lehr in dieſem punct gegen einige/ ſo im finſtern dagegen zumurren geſchienen/ einige mahl gruͤndlich und mit gnugſamen zeugnuͤſſen unſer beſten Theologen alſo befeſtigt habe/ daß ich verſichert bin/ daß kein rechtſchaffner Theologus den geringſten mangel daran finden kan. Wo nun dieſes wegfaͤllet/ ſo faͤllet aller auch nur ſcheinbarer verdacht irriger lehr und alſo einer ſecte hinweg: ja wo man etwa nur an eine ſonderbare geſell- ſchafft oder gleichſam orden (etwa aus nachahmung der Paͤpſtiſchen orden) ge- dencken/ und dergleichen von dieſen leuten vermuhten wolte/ muͤſten aufs wenigſte einige gewiſſe leges oder anordnungen gezeiget werden/ womit ſie ſich unter ein- ander verbunden und etlicher maſſen von andern abgeſondert haͤtten: ob nun wol allerley/ ſo gar etliche laͤcherliche und abſurde dinge/ ſonderlich erſtlich von beſon- derer kleidung/ und dergleichen/ die ſie unter ſich eingefuͤhret/ ausgeſprenget woꝛ- den/ ſo hat ſich gleichwol nicht das geringſte von ſolchen erweißlich gemacht/ und verſichere ich mich/ aus allem was ich von den leuten und dero ſo reden als umgang habe/ finden kan/ haben ſie ſo wenig in dem leben andere regeln als in der lehr an- dere dogmata ihnen ſelbſt geſetzet/ ſondern was auch jene anlangt/ achten ſie ſich allein verbunden an die gebot und regeln/ an welche unſer Heyland alle ſeine Chri- ſten ſelbſt verbunden hat/ und welche kein menſch aufzuloͤſen ſich die macht nehmen darff/ verlangen deswegen auch nichts anders/ als wie ſie ſich nach vermoͤgen gern derſelben befleiſſen wollen/ daß alle die Chriſten heiſſen/ ihren gꝛoͤßten fleiß ſeyn lieſ- ſen/ dieſelbe recht wie ſie vorgeſchrieben ſind/ und nicht wie die welt ihr ſo vielerley diſpenſation ſelbſt darinnen machen will/ zu practiciren. Alſo ſind ſie auch in dieſem ſtuͤcke keinerley welſe/ als ein aus eigner wahl von andern abgeſondertes corpus oder geſellſchafft anzuſehen. Wenn auch die Theologiſche Facultaͤt von Leipzig Act. Vol. ☾ f. 58. die XXX. Converſations und lebens regeln von M. Francken ausgegeben/ anſehen als ein ſpecimen Symboli Pietiſtici, wie ſie auch deswegen dieſelbe nicht zu drucken ge- ſtatten wollen/ und ſich druͤber beſchwehren Act. Vol. ☉ f. 82. So wuͤrde auch ſolches ein zeugnuͤß ſeyn/ daß die Pietiſten keine andere lehr von dem gottſeligen le- ben fuͤhren/ als bißher von allen gottſeligen Theologis unſrer religion gefuͤhret worden iſt/ und alſo keine ſecte machen: Jndem ja iegliche religion in ihre ſym- bola Fffff 3

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 781. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/799>, abgerufen am 23.11.2024.