Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.Das sechste Capitel. Dann sagen wir das solche wirckung noch fort währe/ so muß es ja dann Das einige wort p. 48. in deinem thierlichen stand/ hätte ich gewün- Ein einiger vers/ Er ist ja meiner seelen quell etc. möchte einigen widrig ge- glau-
Das ſechſte Capitel. Dann ſagen wir das ſolche wiꝛckung noch fort waͤhre/ ſo muß es ja dann Das einige woꝛt p. 48. in deinem thierlichen ſtand/ haͤtte ich gewuͤn- Ein einiger verſ/ Er iſt ja meiner ſeelen quell ꝛc. moͤchte einigen widrig ge- glau-
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Das ſechſte Capitel.
Dann ſagen wir das ſolche wiꝛckung noch fort waͤhre/ ſo muß es ja dann
wiederum der heilige Geiſt ſeyen/ der ſolches in den hertzen wiederholet/ und dar-
durch wircket/ das ja nicht aͤuſſerlich ſondern in der verborgenen hertzens kirchen
geſchiehet. Will jemand einen Enthuſiasmum daraus machen/ ſo gedencke er
daß ja aus druͤcklich das wort hie genennet werde/ und das die predigt nicht ſage/
das der heilige Geiſt in den hertzen einige neue offenbarung/ oder etwas anders/
ſondern das gehoͤrte wort/ wiederhohle. Daß iſt ja kein Enthuſiasmus. Al-
ſo da p. 65. die abgeſchiedenheit von der welt genennet wird/ moͤchte zwar
einer ſcrupuliren, ob ſolches wort die da ſelbs gemeinte ſache ausdruͤcke/ im ge-
ringſten aber kan auf daſſelbe einiger verdacht nicht geſchoͤpffet worden. Daher ich
auf mein gewiſſen gefragt/ nicht anders antworten kan/ als daß ich nicht das we-
nigſte/ weder in ſachen noch phraſibus in der predigt angetꝛoffen/ ſo der allge-
meinen erkanten und bekanten orthodoxiæ der ſchrifft oder Libris Symbolicis
entgegen/ oder mir mit einem zimlichen ſchein auf ein verdacht zu ziehen waͤ-
re.
Das einige woꝛt p. 48. in deinem thierlichen ſtand/ haͤtte ich gewuͤn-
ſchet/ daß es ausgeblieb en waͤre. Jch zweiffele zwar nicht/ das mein geliebter
freund darinnen nichts anders ſuche/ als damit zu benennen den ſtand der unwi-
der gebornen/ wie der animalis homo dem durch den Geiſt wiedergeboꝛnen
entgegen geſetzet wird: aber ſolche phraſin, animalis homo, wolte ich nicht
gern vertiren thieriſcher menſch/ wie es einige moͤgen beliebt haben/ als wel-
ches nicht von animal ſondern anima herkommt ψυχικὸς ἄνϑρωπος. So meine
ich auch nicht/ daß ſolches wort die ſache recht ausdrucke: Dann unſere groͤſte
verderbnuͤß ſtecket nicht ſo wol in den kraͤfften der ſeele/ die wir mit den unver-
nuͤnfftigen thieren gemein haben/ und etwa deswegen moͤchten thieriſch
genennet werden/ ſondern vielmehr in den jenigen kraͤfften/ darinnen wir von
ihnen unterſchieden weꝛden. Jndeſſen ſo macht dieſe incommoda phraſis kei-
ne heterodoxiam oder einigen deroſelben verdacht. Gleichermaſſen von des
ſeligen Herrn NN. bey geſetzten verſen zu reden/ ſehe ich nicht/ wie dieſelbe be-
ſchuldiget werden koͤnnen/ welche ja vielmehr neben dem lob der ſchoͤnen poeſie
jeden der ſie mit andacht lieſet zeigen werden/ daß ſie aus einer mit wahrer goͤttli-
cher erkaͤntnuͤß erfuͤllter ſeele gefloſſen/ und voller geiſtes ſtecken.
Ein einiger verſ/ Er iſt ja meiner ſeelen quell ꝛc. moͤchte einigen widrig ge-
ſinneten gelegenheit zu laͤſteren geben/ und wuͤrde wo der ſelige Autor/ ſo in ſeiner
Chriſtlichen einfalt vor fromme hertzen geſchrieben/ vorſehen koͤnnen/ unter was vor
richter ſeine andachten kommen wuͤrden/ ſolches haben moͤgen verhuͤtet/ und die ſa-
che behutſamer ausgeſprochen werden: ſo ich ſelbſt gewuͤnſchet haͤtte. Jndeſſen
glau-
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Zitationshilfe: | Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 644. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/662>, abgerufen am 26.06.2024. |