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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

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ARTIC. I. DISTINCTIO IV. SECTIO IV.
nachfolge des guten abgezogen. Da wir wol wissen/ wie viel gehör solche leute vor
den andern zuhaben pflegen/ hat ihn auch/ ob wol daß daselbstige Consistorium,
dessen mitglied er auch ist/ seine sache billiget/ bey der entferneten Cancelley dermas-
sen angebracht/ daß er in grosse gefahr stehet. Aber der HERR gibt ihm ruhe in
seiner seele und freudigkeit seinen nahmen auch mit leyden zu verherrlichen. Er
mache es/ wie es ihm wolgefält.

Er hat jetzo deswegen so viel last/ daß ich davor achte/ daß er davor noch nicht ge-
antwortet hat. Jndessen bedarff er/ daß wir alle unsern GOtt hertzlich vor ihn
anruffen/ daß er ihn regieren und krafft geben wolle/ zu thun und zu leyden was
seinen heiligen rath gemäß ist.

Was anlanget meines werthen bruders bitt wegen eines aufsatzes von der
innern versieglung des Geistes in den hertzen der gläubigen/
so würde so
gern hierinnen (wie in allen andern es an meiner bereitwilligkeit nicht erman-
geln solte) mich bereit und gehorsam erzeigen/ so vielmehr weil ohne eigne hertzli-
che erbauung und vergnügung inder materie nicht arbeiten/ und daran geden-
cken würde/ wolte auch/ ob wol meine zeit nicht überfließig ist/ suchen/ wie ich mir
darzu weil machen möchte. Aber ich erkenne der sachen so wichtigkeit als hoheit/
und daß in solcher/ solle anders zu rechter erbauung etwas geschrieben werden/ mei-
stens aus eigener erfahrung gehandelt werden muß. Hingegen ob ich wol mei-
nen gütigsten Vater vor die einige tröpfflein/ so er mir hierinnen gegeben/ dern ich
auch nicht werth bin/ demüthigst danck zu sagen habe/ so erkenne ich doch/ wie we-
nig das jenige seye welches ich hierinnen habe/ und also mache ich mir billich ein ge-
wissen/ daß ich etwas solte wollen ausgeben/ was ich nicht erst von oben her em-
pfangen hätte/ in dem ich gar leicht anstossen/ und an statt der hoffenden und su-
chenden erbauung gute hertzen irre machen/ und ihnen schaden könte. Aber ich
wünschete selbs/ daß ein ander gottseliger mann/ aus mehrerer erfahrung hiervon
schreiben möchte. Solten wir unsern lieben Hrn. N. darzu animiren können/ so wür-
den unsere wünsche durch GOttes gnade erfüllet seyen. Was die frage von der
nothwendigkeit des actus reflexi anlanget/ meine ich/ daß in meinen einfältigen
predigten von der versuchung gottes lästerlicher gedancken die negativa so ge-
zeiget seye/ daß ein angefochtener wol damit zufrieden seyn möchte. Weiter ver-
mag ich nicht zugehen/ wie gern ich auch mein intent zu dem jenigen anwende/
worzu es mir gegeben. Aber über dasselbe zugehen/ ist uns auch nicht erlaubt.
Jch komme itzo auff den andern brieff meines geliebten bruders. So habe nur
die fragen im beylage beantwortet in demjenigen vertrauen/ so zwischen uns seyen
solle der gewissen zuversicht/ das mit gehöriger vorsichtigkeit solche meine offenher-

tzigkeit
Llll 3

ARTIC. I. DISTINCTIO IV. SECTIO IV.
nachfolge des guten abgezogen. Da wir wol wiſſen/ wie viel gehoͤr ſolche leute vor
den andern zuhaben pflegen/ hat ihn auch/ ob wol daß daſelbſtige Conſiſtorium,
deſſen mitglied er auch iſt/ ſeine ſache billiget/ bey der entferneten Cancelley dermaſ-
ſen angebracht/ daß er in groſſe gefahr ſtehet. Aber der HERR gibt ihm ruhe in
ſeiner ſeele und freudigkeit ſeinen nahmen auch mit leyden zu verherrlichen. Er
mache es/ wie es ihm wolgefaͤlt.

Er hat jetzo deswegen ſo viel laſt/ daß ich davor achte/ daß er davor noch nicht ge-
antwortet hat. Jndeſſen bedarff eꝛ/ daß wir alle unſern GOtt hertzlich vor ihn
anruffen/ daß er ihn regieren und krafft geben wolle/ zu thun und zu leyden was
ſeinen heiligen rath gemaͤß iſt.

Was anlanget meines werthen bruders bitt wegen eines aufſatzes von der
innern verſieglung des Geiſtes in den hertzen der glaͤubigen/
ſo wuͤrde ſo
gern hierinnen (wie in allen andern es an meiner bereitwilligkeit nicht erman-
geln ſolte) mich bereit und gehorſam erzeigen/ ſo vielmehr weil ohne eigne hertzli-
che erbauung und vergnuͤgung inder materie nicht arbeiten/ und daran geden-
cken wuͤrde/ wolte auch/ ob wol meine zeit nicht uͤberfließig iſt/ ſuchen/ wie ich mir
darzu weil machen moͤchte. Aber ich erkenne der ſachen ſo wichtigkeit als hoheit/
und daß in ſolcher/ ſolle anders zu rechteꝛ erbauung etwas geſchrieben werden/ mei-
ſtens aus eigener erfahrung gehandelt werden muß. Hingegen ob ich wol mei-
nen guͤtigſten Vater vor die einige troͤpfflein/ ſo er mir hierinnen gegeben/ dern ich
auch nicht werth bin/ demuͤthigſt danck zu ſagen habe/ ſo erkenne ich doch/ wie we-
nig das jenige ſeye welches ich hierinnen habe/ und alſo mache ich mir billich ein ge-
wiſſen/ daß ich etwas ſolte wollen ausgeben/ was ich nicht erſt von oben her em-
pfangen haͤtte/ in dem ich gar leicht anſtoſſen/ und an ſtatt der hoffenden und ſu-
chenden erbauung gute hertzen irre machen/ und ihnen ſchaden koͤnte. Aber ich
wuͤnſchete ſelbs/ daß ein ander gottſeliger mann/ aus mehrerer erfahrung hiervon
ſchreiben moͤchte. Solten wir unſern lieben Hrn. N. darzu animiren koͤñen/ ſo wuͤr-
den unſere wuͤnſche durch GOttes gnade erfuͤllet ſeyen. Was die frage von der
nothwendigkeit des actus reflexi anlanget/ meine ich/ daß in meinen einfaͤltigen
predigten von der verſuchung gottes laͤſterlicher gedancken die negativa ſo ge-
zeiget ſeye/ daß ein angefochtener wol damit zufrieden ſeyn moͤchte. Weiter ver-
mag ich nicht zugehen/ wie gern ich auch mein intent zu dem jenigen anwende/
worzu es mir gegeben. Aber uͤber daſſelbe zugehen/ iſt uns auch nicht erlaubt.
Jch komme itzo auff den andern brieff meines geliebten bruders. So habe nur
die fragen im beylage beantwortet in demjenigen vertrauen/ ſo zwiſchen uns ſeyen
ſolle der gewiſſen zuverſicht/ das mit gehoͤriger vorſichtigkeit ſolche meine offenher-

tzigkeit
Llll 3
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[637/0655] ARTIC. I. DISTINCTIO IV. SECTIO IV. nachfolge des guten abgezogen. Da wir wol wiſſen/ wie viel gehoͤr ſolche leute vor den andern zuhaben pflegen/ hat ihn auch/ ob wol daß daſelbſtige Conſiſtorium, deſſen mitglied er auch iſt/ ſeine ſache billiget/ bey der entferneten Cancelley dermaſ- ſen angebracht/ daß er in groſſe gefahr ſtehet. Aber der HERR gibt ihm ruhe in ſeiner ſeele und freudigkeit ſeinen nahmen auch mit leyden zu verherrlichen. Er mache es/ wie es ihm wolgefaͤlt. Er hat jetzo deswegen ſo viel laſt/ daß ich davor achte/ daß er davor noch nicht ge- antwortet hat. Jndeſſen bedarff eꝛ/ daß wir alle unſern GOtt hertzlich vor ihn anruffen/ daß er ihn regieren und krafft geben wolle/ zu thun und zu leyden was ſeinen heiligen rath gemaͤß iſt. Was anlanget meines werthen bruders bitt wegen eines aufſatzes von der innern verſieglung des Geiſtes in den hertzen der glaͤubigen/ ſo wuͤrde ſo gern hierinnen (wie in allen andern es an meiner bereitwilligkeit nicht erman- geln ſolte) mich bereit und gehorſam erzeigen/ ſo vielmehr weil ohne eigne hertzli- che erbauung und vergnuͤgung inder materie nicht arbeiten/ und daran geden- cken wuͤrde/ wolte auch/ ob wol meine zeit nicht uͤberfließig iſt/ ſuchen/ wie ich mir darzu weil machen moͤchte. Aber ich erkenne der ſachen ſo wichtigkeit als hoheit/ und daß in ſolcher/ ſolle anders zu rechteꝛ erbauung etwas geſchrieben werden/ mei- ſtens aus eigener erfahrung gehandelt werden muß. Hingegen ob ich wol mei- nen guͤtigſten Vater vor die einige troͤpfflein/ ſo er mir hierinnen gegeben/ dern ich auch nicht werth bin/ demuͤthigſt danck zu ſagen habe/ ſo erkenne ich doch/ wie we- nig das jenige ſeye welches ich hierinnen habe/ und alſo mache ich mir billich ein ge- wiſſen/ daß ich etwas ſolte wollen ausgeben/ was ich nicht erſt von oben her em- pfangen haͤtte/ in dem ich gar leicht anſtoſſen/ und an ſtatt der hoffenden und ſu- chenden erbauung gute hertzen irre machen/ und ihnen ſchaden koͤnte. Aber ich wuͤnſchete ſelbs/ daß ein ander gottſeliger mann/ aus mehrerer erfahrung hiervon ſchreiben moͤchte. Solten wir unſern lieben Hrn. N. darzu animiren koͤñen/ ſo wuͤr- den unſere wuͤnſche durch GOttes gnade erfuͤllet ſeyen. Was die frage von der nothwendigkeit des actus reflexi anlanget/ meine ich/ daß in meinen einfaͤltigen predigten von der verſuchung gottes laͤſterlicher gedancken die negativa ſo ge- zeiget ſeye/ daß ein angefochtener wol damit zufrieden ſeyn moͤchte. Weiter ver- mag ich nicht zugehen/ wie gern ich auch mein intent zu dem jenigen anwende/ worzu es mir gegeben. Aber uͤber daſſelbe zugehen/ iſt uns auch nicht erlaubt. Jch komme itzo auff den andern brieff meines geliebten bruders. So habe nur die fragen im beylage beantwortet in demjenigen vertrauen/ ſo zwiſchen uns ſeyen ſolle der gewiſſen zuverſicht/ das mit gehoͤriger vorſichtigkeit ſolche meine offenher- tzigkeit Llll 3

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 637. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/655>, abgerufen am 23.11.2024.