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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

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ARTIC. I. DISTINCTIO IV. SECT. IIX.
serer vernunfft follgereyen machen/ damit aber dem werck des HERRen/ welches
fort und fort getrieben/ und doch allezeit der weisen welt ein ärgernüß und stein des
anstossens seyn muß/ hindernüß setzen. Der gottseligste rath wäre wohl gewesen/
den mein werther Herr und bruder andeutet/ das alle die jenige so den nahmen
Christlicher Theologorum haben wollen/ und einige scrupul über etwas gefas-
set/ in bescheidenlicher liebe erinnerung gethan/ und die sache untersuchet/ nach dem
schönen exempel/ welches wir Josuä XXII. 11. 13. 30. 31. in einigem wichtigstem
werck/ da der gantzen Jsraelitischen kirchen ein grosses schiene angelegen seyn/ pra-
cticiret
worden zu seyn lesen.

Nun den HErren sey danck/ welcher selbst rath schaffet/ und alles weißlich
regieret zu unserem besten/ ob zwar durch fast unbekante und uns mißlich scheinen-
de wege. Der angedeutete jahr-methodus, wie man JEsum fest behalten
und nicht lassen solle/ ist mir sehr angenehm. Der HErr lasse ihm kräfftig und
reichlich gesegnet werden. Und so muß es freylich seyn/ wir sollen nichts wissen als
JEsum/ denselben unsern zuhörern zu predigen/ damit er durch glauben mit seinen
schätzen erstlich in die hertzen komme/ und nachmal aus solcher quelle das gute her-
aus fliesse. Geschiehets nicht auf die weise/ so mögen die moralia nicht zum him-
mel bringen/ ja nicht einmahl ein wahres Christliches/ sondern nur morales leben
verursachen/ in dem was nicht aus dem glauben gehet/ GOtt nicht gefallen mag.
Ach daß der HErr uns hierinnen vornemlich das licht seines heiligen Geistes gebe/
zu erkennen/ wie wir den wahren lebendigen glauben den leuten in das hertz bringen
mögen/ dann ist solcher da/ so ist die wurtzel da/ welche alle früchte von selbs tra-
gen wird/ und nur des ferneren begiessens bedarff. Jch tractire auch dieses jahr
die schätze unserer seligkeit/ welche wir in Christo haben/ und lasse sie den grund
seyn aller unserer lebens-pflichten; muß nun warten/ ob und was vor segen der
HErr darzu verleyhen wolle den darum hertzlich anruffe/ und vor mich angeruffen
zu werden verlange. Die kinderlehr anlangend so ist E. Hoch Ehrw. Christlicher
fleiß/ auch den alten die gründe des Christenthums besser bey zu bringen/ löblich
und freylich nötig/ in dem ja die erkäntnüß des glaubens erstesstück ist. Es ist a-
ber war/ daß die sache in übung zu bringen nichts so leichtes seye/ weil man der hin-
dernüssen so viel gegen sich hat.

Jn dessen lasset uns thun/ was wir können/ retten was sich will retten lassen/
wir vermögen doch niemand mit gewalt bey den haarenin den himmel zu ziehen/ son-
dern müssen endlich fahren lassen/ was sich muthwillig verderben will; wie ich
mich erinnere/ daß der seel. D. Dannh. pflegte zu sagen/ die alte sind meistentheils
verhärtet/ und mögen wenig gewonnen werden/ wo wir das unsrige versucht/ so
lasset uns zufrieden seyn/ daß wir die jugend erhalten. Das decret der Obrig-
keit/ so die erwachsene auch zur kinderlehr obligiret, ist sehr gut/ jedoch wolte ichs
nicht so wol anfangs brauchen zur execution völligen/ die alten zu examiniren,

als
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ARTIC. I. DISTINCTIO IV. SECT. IIX.
ſerer vernunfft follgereyen machen/ damit aber dem werck des HERRen/ welches
fort und fort getrieben/ und doch allezeit der weiſen welt ein aͤrgernuͤß und ſtein des
anſtoſſens ſeyn muß/ hindernuͤß ſetzen. Der gottſeligſte rath waͤre wohl geweſen/
den mein werther Herr und bruder andeutet/ das alle die jenige ſo den nahmen
Chriſtlicher Theologorum haben wollen/ und einige ſcrupul uͤbeꝛ etwas gefaſ-
ſet/ in beſcheidenlicher liebe erinnerung gethan/ und die ſache unterſuchet/ nach dem
ſchoͤnen exempel/ welches wir Joſuaͤ XXII. 11. 13. 30. 31. in einigem wichtigſtem
werck/ da der gantzen Jſraelitiſchen kirchen ein groſſes ſchiene angelegen ſeyn/ pra-
cticiret
worden zu ſeyn leſen.

Nun den HErren ſey danck/ welcher ſelbſt rath ſchaffet/ und alles weißlich
regieret zu unſerem beſten/ ob zwar durch faſt unbekante und uns mißlich ſcheinen-
de wege. Der angedeutete jahr-methodus, wie man JEſum feſt behalten
und nicht laſſen ſolle/ iſt mir ſehr angenehm. Der HErr laſſe ihm kraͤfftig und
reichlich geſegnet werden. Und ſo muß es freylich ſeyn/ wir ſollen nichts wiſſen als
JEſum/ denſelben unſern zuhoͤrern zu predigen/ damit er durch glauben mit ſeinen
ſchaͤtzen erſtlich in die hertzen komme/ und nachmal aus ſolcher quelle das gute her-
aus flieſſe. Geſchiehets nicht auf die weiſe/ ſo moͤgen die moralia nicht zum him-
mel bringen/ ja nicht einmahl ein wahres Chriſtliches/ ſondern nur morales leben
verurſachen/ in dem was nicht aus dem glauben gehet/ GOtt nicht gefallen mag.
Ach daß der HErr uns hierinnen vornemlich das licht ſeines heiligen Geiſtes gebe/
zu erkennen/ wie wir den wahren lebendigen glauben den leuten in das hertz bringen
moͤgen/ dann iſt ſolcher da/ ſo iſt die wurtzel da/ welche alle fruͤchte von ſelbs tra-
gen wird/ und nur des ferneren begieſſens bedaꝛff. Jch tractire auch dieſes jahr
die ſchaͤtze unſerer ſeligkeit/ welche wir in Chriſto haben/ und laſſe ſie den grund
ſeyn aller unſerer lebens-pflichten; muß nun warten/ ob und was vor ſegen der
HErr darzu verleyhen wolle den darum hertzlich anruffe/ und vor mich angeruffen
zu werden verlange. Die kinderlehr anlangend ſo iſt E. Hoch Ehrw. Chriſtlicher
fleiß/ auch den alten die gruͤnde des Chriſtenthums beſſer bey zu bringen/ loͤblich
und freylich noͤtig/ in dem ja die erkaͤntnuͤß des glaubens erſtesſtuͤck iſt. Es iſt a-
ber war/ daß die ſache in uͤbung zu bringen nichts ſo leichtes ſeye/ weil man der hin-
dernuͤſſen ſo viel gegen ſich hat.

Jn deſſen laſſet uns thun/ was wir koͤnnen/ retten was ſich will retten laſſen/
wir vermoͤgen doch niemand mit gewalt bey den haaꝛenin den himmel zu ziehen/ ſon-
dern muͤſſen endlich fahren laſſen/ was ſich muthwillig verderben will; wie ich
mich erinnere/ daß der ſeel. D. Dannh. pflegte zu ſagen/ die alte ſind meiſtentheils
verhaͤrtet/ und moͤgen wenig gewonnen werden/ wo wir das unſrige verſucht/ ſo
laſſet uns zufrieden ſeyn/ daß wir die jugend erhalten. Das decret der Obrig-
keit/ ſo die erwachſene auch zur kinderlehr obligiret, iſt ſehr gut/ jedoch wolte ichs
nicht ſo wol anfangs brauchen zur execution voͤlligen/ die alten zu examiniren,

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[553/0571] ARTIC. I. DISTINCTIO IV. SECT. IIX. ſerer vernunfft follgereyen machen/ damit aber dem werck des HERRen/ welches fort und fort getrieben/ und doch allezeit der weiſen welt ein aͤrgernuͤß und ſtein des anſtoſſens ſeyn muß/ hindernuͤß ſetzen. Der gottſeligſte rath waͤre wohl geweſen/ den mein werther Herr und bruder andeutet/ das alle die jenige ſo den nahmen Chriſtlicher Theologorum haben wollen/ und einige ſcrupul uͤbeꝛ etwas gefaſ- ſet/ in beſcheidenlicher liebe erinnerung gethan/ und die ſache unterſuchet/ nach dem ſchoͤnen exempel/ welches wir Joſuaͤ XXII. 11. 13. 30. 31. in einigem wichtigſtem werck/ da der gantzen Jſraelitiſchen kirchen ein groſſes ſchiene angelegen ſeyn/ pra- cticiret worden zu ſeyn leſen. Nun den HErren ſey danck/ welcher ſelbſt rath ſchaffet/ und alles weißlich regieret zu unſerem beſten/ ob zwar durch faſt unbekante und uns mißlich ſcheinen- de wege. Der angedeutete jahr-methodus, wie man JEſum feſt behalten und nicht laſſen ſolle/ iſt mir ſehr angenehm. Der HErr laſſe ihm kraͤfftig und reichlich geſegnet werden. Und ſo muß es freylich ſeyn/ wir ſollen nichts wiſſen als JEſum/ denſelben unſern zuhoͤrern zu predigen/ damit er durch glauben mit ſeinen ſchaͤtzen erſtlich in die hertzen komme/ und nachmal aus ſolcher quelle das gute her- aus flieſſe. Geſchiehets nicht auf die weiſe/ ſo moͤgen die moralia nicht zum him- mel bringen/ ja nicht einmahl ein wahres Chriſtliches/ ſondern nur morales leben verurſachen/ in dem was nicht aus dem glauben gehet/ GOtt nicht gefallen mag. Ach daß der HErr uns hierinnen vornemlich das licht ſeines heiligen Geiſtes gebe/ zu erkennen/ wie wir den wahren lebendigen glauben den leuten in das hertz bringen moͤgen/ dann iſt ſolcher da/ ſo iſt die wurtzel da/ welche alle fruͤchte von ſelbs tra- gen wird/ und nur des ferneren begieſſens bedaꝛff. Jch tractire auch dieſes jahr die ſchaͤtze unſerer ſeligkeit/ welche wir in Chriſto haben/ und laſſe ſie den grund ſeyn aller unſerer lebens-pflichten; muß nun warten/ ob und was vor ſegen der HErr darzu verleyhen wolle den darum hertzlich anruffe/ und vor mich angeruffen zu werden verlange. Die kinderlehr anlangend ſo iſt E. Hoch Ehrw. Chriſtlicher fleiß/ auch den alten die gruͤnde des Chriſtenthums beſſer bey zu bringen/ loͤblich und freylich noͤtig/ in dem ja die erkaͤntnuͤß des glaubens erſtesſtuͤck iſt. Es iſt a- ber war/ daß die ſache in uͤbung zu bringen nichts ſo leichtes ſeye/ weil man der hin- dernuͤſſen ſo viel gegen ſich hat. Jn deſſen laſſet uns thun/ was wir koͤnnen/ retten was ſich will retten laſſen/ wir vermoͤgen doch niemand mit gewalt bey den haaꝛenin den himmel zu ziehen/ ſon- dern muͤſſen endlich fahren laſſen/ was ſich muthwillig verderben will; wie ich mich erinnere/ daß der ſeel. D. Dannh. pflegte zu ſagen/ die alte ſind meiſtentheils verhaͤrtet/ und moͤgen wenig gewonnen werden/ wo wir das unſrige verſucht/ ſo laſſet uns zufrieden ſeyn/ daß wir die jugend erhalten. Das decret der Obrig- keit/ ſo die erwachſene auch zur kinderlehr obligiret, iſt ſehr gut/ jedoch wolte ichs nicht ſo wol anfangs brauchen zur execution voͤlligen/ die alten zu examiniren, als Aaaa

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 553. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/571>, abgerufen am 25.11.2024.