Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.Das sechste Capitel. geben mögen/ welcher ihm davor danckbahrer worden wäre/ item wir haben voruns keinen vortheil davon/ sondern nur eine so viel schwerere verantwortung/ wo wir mit solchem fremden gut nicht treulich umgehen; daraus wird folgen/ das wir nicht nur allein andere/ welchen GOTT etwa dergleichen nicht gegeben/ nicht ver- achten werden/ sondern wir werden auch alle mahl genau untersuchen/ so wol ob wir in unserer wissenschafft der von GOTT gewürckten wahrheit andere unserer ver- nunfft falsche einbildungen unter gemischet hätten oder der vernunfft verstatteten sich in göttlichen geheimnüssen ausser dem gehorsam Christi zu vertieffen/ als auch ob jedesmahl der gebrauch unserer gaben und erudition zu eigener ehr oder war- hafftig zu der ehre des HErren und des nechsten nutzen angesehen seye/ damit wir uns von unseren betrüglichen fleisch nicht überschnellen lassen. Einen solchen mann achte ich GOTT so gefällig als den einfältigen/ der Do-
Das ſechſte Capitel. geben moͤgen/ welcher ihm davor danckbahrer worden waͤre/ item wir haben voruns keinen voꝛtheil davon/ ſondern nur eine ſo viel ſchwerere verantwortung/ wo wir mit ſolchem fremden gut nicht treulich umgehen; daraus wird folgen/ das wir nicht nur allein andere/ welchen GOTT etwa dergleichen nicht gegeben/ nicht ver- achten werden/ ſondern wir werden auch alle mahl genau unterſuchen/ ſo wol ob wir in unſerer wiſſenſchafft der von GOTT gewuͤrckten wahrheit andere unſerer ver- nunfft falſche einbildungen unter gemiſchet haͤtten oder der vernunfft verſtatteten ſich in goͤttlichen geheimnuͤſſen auſſer dem gehorſam Chriſti zu vertieffen/ als auch ob jedesmahl der gebrauch unſerer gaben und erudition zu eigener ehr oder war- hafftig zu der ehre des HErren und des nechſten nutzen angeſehen ſeye/ damit wir uns von unſeren betruͤglichen fleiſch nicht uͤberſchnellen laſſen. Einen ſolchen mann achte ich GOTT ſo gefaͤllig als den einfaͤltigen/ der Do-
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Das ſechſte Capitel.
geben moͤgen/ welcher ihm davor danckbahrer worden waͤre/ item wir haben vor
uns keinen voꝛtheil davon/ ſondern nur eine ſo viel ſchwerere verantwortung/ wo
wir mit ſolchem fremden gut nicht treulich umgehen; daraus wird folgen/ das wir
nicht nur allein andere/ welchen GOTT etwa dergleichen nicht gegeben/ nicht ver-
achten werden/ ſondern wir werden auch alle mahl genau unterſuchen/ ſo wol ob wir
in unſerer wiſſenſchafft der von GOTT gewuͤrckten wahrheit andere unſerer ver-
nunfft falſche einbildungen unter gemiſchet haͤtten oder der vernunfft verſtatteten
ſich in goͤttlichen geheimnuͤſſen auſſer dem gehorſam Chriſti zu vertieffen/ als auch
ob jedesmahl der gebrauch unſerer gaben und erudition zu eigener ehr oder war-
hafftig zu der ehre des HErren und des nechſten nutzen angeſehen ſeye/ damit wir
uns von unſeren betruͤglichen fleiſch nicht uͤberſchnellen laſſen.
Einen ſolchen mann achte ich GOTT ſo gefaͤllig als den einfaͤltigen/ der
nichts jemahl ſtudiret haͤtte/ und bedarff nicht/ daß er alsdann den gebrauch ſei-
ner ſtudien ablegte/ die nun gereiniget ſind/ und er noch immer weiter an ſolcher
reinigung arbeitet. Jch erklaͤhre mich deßwegen ſo viel deutlicher/ weil ſo offt
von verleugnung des Academiſchen weſens geredet wird/ wie ich beypflichten moͤ-
ge oder nicht/ nemlich was deſſen anklebende unordnung und mißbrauch anlangt/
nicht aber das gute an ſich ſelbſt. Wie dann nicht eine einige wahre wiſſenſchafft/
ſo aus der ſchrifft als natuͤrlichen liecht genommen/ gefunden wird/ die nicht wie-
derum ihren nutzen in rechtem gebrauch zu der ehre des HErꝛen haben koͤnte. Was
die widerwertigkeit u. leiden anlangt/ iſts freylich wahr/ und fuͤhlen wirs alle in eige-
ner erfahrung/ wie viel daſſelbige thue zu unſers fleiſches creutzigung und eigenen
willens daͤmpffung. So leugne auch nicht/ daß mir offtermahl ein einfaͤltiger und
ſo genanter Laicus mit einiger erinnerung oder gutem exempel vieles genutzet habe/
und ich deßwegen GOtt nicht vorſchreibe/ was er vor werckzeug zu meiner beſſe-
rung gebrauchen ſolle/ ſondern ihm dancke/ durch wen ers auch thue/ vor ſeine gna-
de/ wo ich das werck von ihm zu ſeyn erkennen kan. So weiß ich auch wohl/ daß
weder mir noch andern eine meiſterſchafft uͤber andere gebuͤhre/ ſondern ich laſſe bil-
lich dem HErren ſein recht uͤber ſeine eigene knechte. Wiewol damit nicht auff-
gehoben wird/ wo ich an einigen unrechtes und boͤſes erkenne/ aus liebe gegen ſie und
andere/ ſie deſſen zuerinneren/ ſolches boͤſe zu ſtraffen oder andere davor zu warnen/
ſolches aber nicht nach eigener meynung/ ſonderen nach goͤttlichem uͤberzeugenden
wort. Das von denen ſchein-frommen/ weiſeſten und gelehrteſten offt das groͤſ-
ſeſte uͤbel herkomme/ iſt auch wahr/ geſchiehet aber alles nicht aus ſchuld der ge-
lehrtheit an ſich ſelbſt/ ſondern dero mißbrauch. So iſt die geiſtliche hoffart frey-
lich ein der gefaͤhrlichſten ſuͤnden/ und weil ſie gemeiniglich alsdann anſetzet/ wo
wir nunmehr meinen der uͤbrigen ſuͤnden meiſte gewalt bey uns gebrochen zu ſeyn/
ſo haben wir viel genauer auf deroſelben regungen acht zu geben. Wo wir unſern
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