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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

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ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECTIO XLII.
SECTIO XLII.

Wie das mittel von einem prediger zu tressen/ we-
der sein gewissen den menschen zu unterwerffen/
noch auch in eigensinn und hartnäckigkeit
zu verfallen.

ES verlangt mich sehr wie es seye mit Herrn N. N. abgegangen/ und ob er
zu der restitution gelanget oder nicht. Kan mein Hochgeehrter He[r]r et-
was bey ihm ausrichten/ so bitte hertzlich/ ihm zu remonstriren/

1. Daß er doch nicht sich selbs alleine trauen/ sondern etwa seine schwachheit
erkennen möge. Jch obligire keinen zu eine sclaverey und menschen-dienst in
gewissens sachen/ ich kan aber auch derjenigen vermessenheit nicht billigen/ wel-
che alle menschliche manuduction nicht annehmen/ auff ihrem vermeinten geist
alleine beruhen und nicht glauben wollen/ daß die geister der Propheten den Pro-
pheten unterthan seyen. Gewißlich aus solcher eigensinnigkeit entstehet so viel un-
glücks/ als aus anderer dienstbarkeit.

2. Daß er/ wo er meinet in einigen dingen recht zu haben/ mit eine modestie
und reverentz seinen superioribus/ welche vor Phariseer zu declariren eine allzu
hochmüthige und einem diener CHRJSTJ unanständige verwessenheit und
richt-sucht wäre/ begegne/ und zeige/ daß er eben so wenig hartnäckig seye/ sich
deroselben autorität zu widersetzen und sie schimpfflich zu tractiren/ als ich ihm nicht
heissen will/ wieder sein gewissen/ welches aber gleichwohl auch brüderlichen unter-
richt nicht verwerffen muß/ einiges zu thun und zu glauben. Ungestümigkeit/
stachlichte gegenfragen und verweigerung richtiger antwort/ macht keine sache gut
sondern verderbet sie. Jch sage nicht/ daß niemahln gegenfragen erlaubet seyen/
aber die frage wird dahin gehen/ ob/ wie/ und von wem/ (da auch wisse mit recht-
schaffener klugheit sie anzubringen) dieselbe geschehen möge. So thuts auch ein
gantzer hauffe sprüche und zusammengefetzter wort der Schrifft nicht/ sondern es muß
gesehen werden/ wie jegliche deroselben gemeinet sind/ und wen sie treffen/ daher die-
felbe sparsamer/ aber mit Christlichen bedacht gebraucht/ achte ich der reverentz/
welche wir der Schrifft schuldig sind/ vielmehr gemäß zu seyn.

3. Daß ein grosser unterscheid seye unter den hauptsachen des GOttes-
diensts selbs/ so in lehre als verrichtungen/ und unter deroselben in eine freyheit ge-
stelten umständen. Zu jenen bleibt sreylich GOttes wort unsere einige norm,
und wehe dem der eine andere erwehlen will/ denn da haben wir/ was von dem
HErren geredet/ nicht zu ändern. Zu der andern art gehören die liturgiae, formu-
lae, ceremoniae
und anders dergleichen. Von dero norm ist zwar freylich GOt

te
Qqq 3
ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECTIO XLII.
SECTIO XLII.

Wie das mittel von einem prediger zu treſſen/ we-
der ſein gewiſſen den menſchen zu unterwerffen/
noch auch in eigenſinn und hartnaͤckigkeit
zu verfallen.

ES verlangt mich ſehr wie es ſeye mit Herrn N. N. abgegangen/ und ob er
zu der reſtitution gelanget oder nicht. Kan mein Hochgeehrter He[r]r et-
was bey ihm ausrichten/ ſo bitte hertzlich/ ihm zu remonſtriren/

1. Daß er doch nicht ſich ſelbs alleine trauen/ ſondern etwa ſeine ſchwachheit
erkennen moͤge. Jch obligire keinen zu eine ſclaverey und menſchen-dienſt in
gewiſſens ſachen/ ich kan aber auch derjenigen vermeſſenheit nicht billigen/ wel-
che alle menſchliche manuduction nicht annehmen/ auff ihrem vermeinten geiſt
alleine beruhen und nicht glauben wollen/ daß die geiſter der Propheten den Pro-
pheten unterthan ſeyen. Gewißlich aus ſolcher eigenſinnigkeit entſtehet ſo viel un-
gluͤcks/ als aus anderer dienſtbarkeit.

2. Daß er/ wo er meinet in einigen dingen recht zu haben/ mit eine modeſtie
und reverentz ſeinen ſuperioribus/ welche vor Phariſeer zu declariren eine allzu
hochmuͤthige und einem diener CHRJSTJ unanſtaͤndige verweſſenheit und
richt-ſucht waͤre/ begegne/ und zeige/ daß er eben ſo wenig hartnaͤckig ſeye/ ſich
deroſelben autoritaͤt zu widerſetzen und ſie ſchimpfflich zu tractiꝛen/ als ich ihm nicht
heiſſen will/ wieder ſein gewiſſen/ welches aber gleichwohl auch bruͤderlichen unter-
richt nicht verwerffen muß/ einiges zu thun und zu glauben. Ungeſtuͤmigkeit/
ſtachlichte gegenfragen und verweigerung richtiger antwort/ macht keine ſache gut
ſondern verderbet ſie. Jch ſage nicht/ daß niemahln gegenfragen erlaubet ſeyen/
aber die frage wird dahin gehen/ ob/ wie/ und von wem/ (da auch wiſſe mit recht-
ſchaffener klugheit ſie anzubringen) dieſelbe geſchehen moͤge. So thuts auch ein
gantzer hauffe ſpruͤche und zuſam̃engefetzter wort der Schrifft nicht/ ſondern es muß
geſehen werden/ wie jegliche deroſelben gemeinet ſind/ und wen ſie treffen/ daher die-
felbe ſparſamer/ aber mit Chriſtlichen bedacht gebraucht/ achte ich der reverentz/
welche wir der Schrifft ſchuldig ſind/ vielmehr gemaͤß zu ſeyn.

3. Daß ein groſſer unterſcheid ſeye unter den hauptſachen des GOttes-
dienſts ſelbs/ ſo in lehre als verrichtungen/ und unter deroſelben in eine freyheit ge-
ſtelten umſtaͤnden. Zu jenen bleibt ſreylich GOttes wort unſere einige norm,
und wehe dem der eine andere erwehlen will/ denn da haben wir/ was von dem
HErren geredet/ nicht zu aͤndern. Zu der andern art gehoͤren die liturgiæ, formu-
læ, ceremoniæ
und anders dergleichen. Von dero norm iſt zwar freylich GOt

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Qqq 3
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[493/0511] ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECTIO XLII. SECTIO XLII. Wie das mittel von einem prediger zu treſſen/ we- der ſein gewiſſen den menſchen zu unterwerffen/ noch auch in eigenſinn und hartnaͤckigkeit zu verfallen. ES verlangt mich ſehr wie es ſeye mit Herrn N. N. abgegangen/ und ob er zu der reſtitution gelanget oder nicht. Kan mein Hochgeehrter Herr et- was bey ihm ausrichten/ ſo bitte hertzlich/ ihm zu remonſtriren/ 1. Daß er doch nicht ſich ſelbs alleine trauen/ ſondern etwa ſeine ſchwachheit erkennen moͤge. Jch obligire keinen zu eine ſclaverey und menſchen-dienſt in gewiſſens ſachen/ ich kan aber auch derjenigen vermeſſenheit nicht billigen/ wel- che alle menſchliche manuduction nicht annehmen/ auff ihrem vermeinten geiſt alleine beruhen und nicht glauben wollen/ daß die geiſter der Propheten den Pro- pheten unterthan ſeyen. Gewißlich aus ſolcher eigenſinnigkeit entſtehet ſo viel un- gluͤcks/ als aus anderer dienſtbarkeit. 2. Daß er/ wo er meinet in einigen dingen recht zu haben/ mit eine modeſtie und reverentz ſeinen ſuperioribus/ welche vor Phariſeer zu declariren eine allzu hochmuͤthige und einem diener CHRJSTJ unanſtaͤndige verweſſenheit und richt-ſucht waͤre/ begegne/ und zeige/ daß er eben ſo wenig hartnaͤckig ſeye/ ſich deroſelben autoritaͤt zu widerſetzen und ſie ſchimpfflich zu tractiꝛen/ als ich ihm nicht heiſſen will/ wieder ſein gewiſſen/ welches aber gleichwohl auch bruͤderlichen unter- richt nicht verwerffen muß/ einiges zu thun und zu glauben. Ungeſtuͤmigkeit/ ſtachlichte gegenfragen und verweigerung richtiger antwort/ macht keine ſache gut ſondern verderbet ſie. Jch ſage nicht/ daß niemahln gegenfragen erlaubet ſeyen/ aber die frage wird dahin gehen/ ob/ wie/ und von wem/ (da auch wiſſe mit recht- ſchaffener klugheit ſie anzubringen) dieſelbe geſchehen moͤge. So thuts auch ein gantzer hauffe ſpruͤche und zuſam̃engefetzter wort der Schrifft nicht/ ſondern es muß geſehen werden/ wie jegliche deroſelben gemeinet ſind/ und wen ſie treffen/ daher die- felbe ſparſamer/ aber mit Chriſtlichen bedacht gebraucht/ achte ich der reverentz/ welche wir der Schrifft ſchuldig ſind/ vielmehr gemaͤß zu ſeyn. 3. Daß ein groſſer unterſcheid ſeye unter den hauptſachen des GOttes- dienſts ſelbs/ ſo in lehre als verrichtungen/ und unter deroſelben in eine freyheit ge- ſtelten umſtaͤnden. Zu jenen bleibt ſreylich GOttes wort unſere einige norm, und wehe dem der eine andere erwehlen will/ denn da haben wir/ was von dem HErren geredet/ nicht zu aͤndern. Zu der andern art gehoͤren die liturgiæ, formu- læ, ceremoniæ und anders dergleichen. Von dero norm iſt zwar freylich GOt te Qqq 3

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 493. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/511>, abgerufen am 22.11.2024.