Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.Das sechste Capitel. wir die ungewißheit des besitzes alles des übrigen so augenscheinlich sehen/ und durcherfahrung dessen überzeuget werden. Damit werden wir zu solchen geistlichen und ewigen güteren allezeit so viel geschickter und tüchtiger gemachet werden/ als mehr das hertz von ienen irrdischen gereiniget wird. Und so wird die zeit kommen daß wir erkennen werden/ wie alle solche göttliche gerichte viele barmhertzigkeit in sich gefasset haben und damit temperiret gewesen sind. Und auch daß wir jetzt schon lernen alle solche gerichte/ ob sie uns wol nach dem fleisch wehe thun/ zu preisen und das lob des lob-würdigsten GOTTes unter allen denselben zu verkündigen[.] Sonderlich aber solten wir ja niemand von menschen deßwegen beschuldigen/ noch der ursach dessen/ was wir leiden müssen/ auff andere werffen/ womit wir uns leicht versündigten/ aber sicher thun/ da wir uns allein vor dem HErren demüthi- gen/ seine gnade allein zu suchen. So kompt unser gemüth in eine ruhe/ und wer- den wir immer mehr und mehr der göttlichen gnade versichert. Welches ich ih- nen und uns allen/ denn etwa solcherley noch mag vorstehen/ hertzlich wünsche. Jn- dessen bleibet ihnen und denen jenigen/ die der HERR nach seinen willen in frem- de botmäßigkeit gerathen lassen/ diese regel/ die dorten Jeremias den Jü- den gegeben/ welche von den Babyloniern gefangen geführet worden/ daß sie nun den jenigen unterthan seyen/ in dero hände sie der HErr gegeben hat/ daß sie nun soscher gewalt gutes wünschen/ ihr bestes suchen/ und auch die jenige wohl- thaten/ welche der HERR etwa durch dieselbe in regierung der hertzen widerfah- ren laffen wolte/ von ihr mit danckbahrkeit gegen GOTT annehmen. Dann auch dieses ein stück unserer gedult ist/ daß man sich gegen die jenige nicht streube/ welchen der HERR gewalt über uns gegeben hat/ und sich auch hierinnen ihm in denen jenigen unterwerffe/ die wir uns zwar nicht zu HERREN gewählet hät- ten/ aber er sie nach seinen unwiderstreblichen willen gegeben/ und eben damit sei- nen willen an uns eröffnet hat. Dieses sind/ mein gelibter Herr Schwager meine gedancken über diese bege nüß/ so ich denselben und übrigen Herrn Schwä- gern/ weil mir an jede zu schreiben die zeit nicht wohl zugiebet/ in meiner einfalt und vertrauen communiciren wollen/ hoffende wie sie mit den ihrigen ohne zweiffel al- lerdings über einkommen werden/ also werden sie ihnen nicht mißfallen lassen/ hier- aus zu verstehen/ wie wir einerley gesinnet seyen. Den HERNEN ruffe ich dabey an/ er gebe auch ihnen seines heiligen Geistes licht in der maß/ daß sie auch in diesem werck seinen willen recht erkennen/ und also in allen sich darnach richten: Erzeige aber in der that/ daß er der seinigen nicht vergesse sondern mitten in allen leiden ihrer Väterlich gedencke/ und alle seine wercke/ wie ein seltzames ansehen sie erstlich haben/ endlich herrlich hinausführe zu seiner ehr und der seinigen heil. Den 3. Oct. 1681. SECT.
Das ſechſte Capitel. wir die ungewißheit des beſitzes alles des uͤbrigen ſo augenſcheinlich ſehen/ und durcherfahrung deſſen uͤberzeuget werden. Damit werden wir zu ſolchen geiſtlichen und ewigen guͤteren allezeit ſo viel geſchickter und tuͤchtiger gemachet werden/ als mehr das hertz von ienen irrdiſchen gereiniget wird. Und ſo wird die zeit kommen daß wir erkennen werden/ wie alle ſolche goͤttliche gerichte viele barmhertzigkeit in ſich gefaſſet haben und damit temperiret geweſen ſind. Und auch daß wir jetzt ſchon lernen alle ſolche gerichte/ ob ſie uns wol nach dem fleiſch wehe thun/ zu preiſen und das lob des lob-wuͤrdigſten GOTTes unter allen denſelben zu verkuͤndigen[.] Sonderlich aber ſolten wir ja niemand von menſchen deßwegen beſchuldigen/ noch der urſach deſſen/ was wir leiden muͤſſen/ auff andere werffen/ womit wir uns leicht verſuͤndigten/ aber ſicher thun/ da wir uns allein vor dem HErren demuͤthi- gen/ ſeine gnade allein zu ſuchen. So kompt unſer gemuͤth in eine ruhe/ und wer- den wir immer mehr und mehr der goͤttlichen gnade verſichert. Welches ich ih- nen und uns allen/ denn etwa ſolcherley noch mag vorſtehen/ hertzlich wuͤnſche. Jn- deſſen bleibet ihnen und denen jenigen/ die der HERR nach ſeinen willen in frem- de botmaͤßigkeit gerathen laſſen/ dieſe regel/ die dorten Jeremias den Juͤ- den gegeben/ welche von den Babyloniern gefangen gefuͤhret worden/ daß ſie nun den jenigen unterthan ſeyen/ in dero haͤnde ſie der HErr gegeben hat/ daß ſie nun ſoſcher gewalt gutes wuͤnſchen/ ihr beſtes ſuchen/ und auch die jenige wohl- thaten/ welche der HERR etwa durch dieſelbe in regierung der hertzen widerfah- ren laffen wolte/ von ihr mit danckbahrkeit gegen GOTT annehmen. Dann auch dieſes ein ſtuͤck unſerer gedult iſt/ daß man ſich gegen die jenige nicht ſtreube/ welchen der HERR gewalt uͤber uns gegeben hat/ und ſich auch hierinnen ihm in denen jenigen unterwerffe/ die wir uns zwar nicht zu HERREN gewaͤhlet haͤt- ten/ aber er ſie nach ſeinen unwiderſtreblichen willen gegeben/ und eben damit ſei- nen willen an uns eroͤffnet hat. Dieſes ſind/ mein gelibter Herr Schwager meine gedancken uͤber dieſe bege nuͤß/ ſo ich denſelben und uͤbrigen Herrn Schwaͤ- gern/ weil mir an jede zu ſchreiben die zeit nicht wohl zugiebet/ in meiner einfalt und vertrauen communiciren wollen/ hoffende wie ſie mit den ihrigen ohne zweiffel al- lerdings uͤber einkommen werden/ alſo werden ſie ihnen nicht mißfallen laſſen/ hier- aus zu verſtehen/ wie wir einerley geſinnet ſeyen. Den HERNEN ruffe ich dabey an/ er gebe auch ihnen ſeines heiligen Geiſtes licht in der maß/ daß ſie auch in dieſem werck ſeinen willen recht erkennen/ und alſo in allen ſich darnach richten: Erzeige aber in der that/ daß er der ſeinigen nicht vergeſſe ſondern mitten in allen leiden ihrer Vaͤterlich gedencke/ und alle ſeine wercke/ wie ein ſeltzames anſehen ſie erſtlich haben/ endlich herrlich hinausfuͤhre zu ſeiner ehr und der ſeinigen heil. Den 3. Oct. 1681. SECT.
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Das ſechſte Capitel.
wir die ungewißheit des beſitzes alles des uͤbrigen ſo augenſcheinlich ſehen/ und durch
erfahrung deſſen uͤberzeuget werden. Damit werden wir zu ſolchen geiſtlichen
und ewigen guͤteren allezeit ſo viel geſchickter und tuͤchtiger gemachet werden/ als
mehr das hertz von ienen irrdiſchen gereiniget wird. Und ſo wird die zeit kommen
daß wir erkennen werden/ wie alle ſolche goͤttliche gerichte viele barmhertzigkeit in
ſich gefaſſet haben und damit temperiret geweſen ſind. Und auch daß wir jetzt
ſchon lernen alle ſolche gerichte/ ob ſie uns wol nach dem fleiſch wehe thun/ zu preiſen
und das lob des lob-wuͤrdigſten GOTTes unter allen denſelben zu verkuͤndigen.
Sonderlich aber ſolten wir ja niemand von menſchen deßwegen beſchuldigen/ noch
der urſach deſſen/ was wir leiden muͤſſen/ auff andere werffen/ womit wir uns
leicht verſuͤndigten/ aber ſicher thun/ da wir uns allein vor dem HErren demuͤthi-
gen/ ſeine gnade allein zu ſuchen. So kompt unſer gemuͤth in eine ruhe/ und wer-
den wir immer mehr und mehr der goͤttlichen gnade verſichert. Welches ich ih-
nen und uns allen/ denn etwa ſolcherley noch mag vorſtehen/ hertzlich wuͤnſche. Jn-
deſſen bleibet ihnen und denen jenigen/ die der HERR nach ſeinen willen in frem-
de botmaͤßigkeit gerathen laſſen/ dieſe regel/ die dorten Jeremias den Juͤ-
den gegeben/ welche von den Babyloniern gefangen gefuͤhret worden/ daß
ſie nun den jenigen unterthan ſeyen/ in dero haͤnde ſie der HErr gegeben hat/ daß
ſie nun ſoſcher gewalt gutes wuͤnſchen/ ihr beſtes ſuchen/ und auch die jenige wohl-
thaten/ welche der HERR etwa durch dieſelbe in regierung der hertzen widerfah-
ren laffen wolte/ von ihr mit danckbahrkeit gegen GOTT annehmen. Dann
auch dieſes ein ſtuͤck unſerer gedult iſt/ daß man ſich gegen die jenige nicht ſtreube/
welchen der HERR gewalt uͤber uns gegeben hat/ und ſich auch hierinnen ihm in
denen jenigen unterwerffe/ die wir uns zwar nicht zu HERREN gewaͤhlet haͤt-
ten/ aber er ſie nach ſeinen unwiderſtreblichen willen gegeben/ und eben damit ſei-
nen willen an uns eroͤffnet hat. Dieſes ſind/ mein gelibter Herr Schwager
meine gedancken uͤber dieſe bege nuͤß/ ſo ich denſelben und uͤbrigen Herrn Schwaͤ-
gern/ weil mir an jede zu ſchreiben die zeit nicht wohl zugiebet/ in meiner einfalt und
vertrauen communiciren wollen/ hoffende wie ſie mit den ihrigen ohne zweiffel al-
lerdings uͤber einkommen werden/ alſo werden ſie ihnen nicht mißfallen laſſen/ hier-
aus zu verſtehen/ wie wir einerley geſinnet ſeyen. Den HERNEN ruffe ich
dabey an/ er gebe auch ihnen ſeines heiligen Geiſtes licht in der maß/ daß ſie auch in
dieſem werck ſeinen willen recht erkennen/ und alſo in allen ſich darnach richten:
Erzeige aber in der that/ daß er der ſeinigen nicht vergeſſe ſondern mitten in allen
leiden ihrer Vaͤterlich gedencke/ und alle ſeine wercke/ wie ein ſeltzames anſehen ſie
erſtlich haben/ endlich herrlich hinausfuͤhre zu ſeiner ehr und der ſeinigen heil. Den
3. Oct. 1681.
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Zitationshilfe: | Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 492. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/510>, abgerufen am 22.07.2024. |