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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

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ARTIC. I. DISTINCT. III. SECT. XX.
noch auf diese stunde in dem hertzen wehe thut/ dergleichen zu lesen. Jch
dancke aber dem HErrn/ der mich mit seiner gnade/ wie in andern/ also
auch in diesem stück/ unverdient regieret hat/ daß solches einfältige scri-
ptum
guter meynung ediret habe/ dessen nachdruck mir gnugsam zeugnüß
ist/ daß der HERR damit gewesen seye/ und lasse mich auch nicht dahin
bringen/ mich dessen reuen zu lassen/ ob mir wohl viele verdrüßlichkeiten
dadurch entstanden sind/ und ich mit allerhand ungegründeten verdachten
daher beladen worden bin. Auch bin so viel mehr versichert/ daß nichts dar-
innen der göttlichen ehre oder der kirchen wohlenfarth praejudicirliches muß
enthalten seyn/ nachdem solches einfältige scriptum zwar so vielen bißher
ein dorn in den augen gewesen/ aber noch nicht ein einiger sich publice un-
terstanden hat/ etwas dagegen heraus zu geben: welches wo es mit einigem
schein geschehen könte/ gewißlich bey solcher feindseligkeit einiger gemüther
nicht würde unterblieben seyn. Dann was den Rordhaufischen Caplan
Herr Dilfelden anlanget/ hoffe ich nicht/ daß sein unbesonnener angriff
meine sache bös/ sondern vielmehr gut gemacht habe. Jm übrigen kan
ich nicht anders/ als meines grgstl. hochg. Herrn gute intention loben/
welcher den regier-stand anzuschreyen sich vorgenommen: Wünsche auch
hertzlich/ dessen arbeit ansichtig zu werden/ so viel mehr aber/ daß es auch
an des tages licht komme/ damit die erwünschte frucht möchte draus erfol-
gen. Es stehet zwar nicht zu leugnen/ daß bey unserm ordine ein grosses
stück des verderbens liege/ und also/ da eine reformation vorgehen solte/
dieselbe von uns den anfang nehmen müste: aber nicht weniger schuld liegt
an der obrigkeit/ und dero amts entweder mißbrauch/ oder nachläßigkeit.
Gewiß ists/ daß GOtt der obrigkeit eben so wohl die handhabung der er-
sten als andern tafel/ und also die beförderung seiner ehre/ anbefohlen habe.
Gleichwohl siehet man gar wenige/ die sich der sache nur etwas annehmen/
ohne allein daß sie ihr jus episcopale als ein regale behaupten/ vielmehr/
damit ihrer herrlichkeit nichts abgehe/ als daß es ihnen um den zweck gött-
licher ehre zu thun wäre/ ja damit sie etwa davon einigen nutzen ziehen/
und wohl gar der kirchen wehe thun mögen/ wie gewißlich solcher mißbrauch
gemeiner als gut ist. Da muß solches jus episcopale, so als ein beneficium
der kirchen zum besten solte seyn/ dasjenige instrument werden/ damit alles
gute gehindert wird/ ja die kirche öffters mit solchen leuten versehen werde/
nicht so wohl/ wie es derselben vorträglich/ als wie es den mächtigen an
höfen wohlgefällig ist: es muß die hindernüß alles guten werden/ denn wo der
weltliche arm dieses nicht will/ diejenige/ welche noch in dem geistlichen
und haus-stand gern etwas gutes thun möchten/ solches nicht thun dörffen.
Daß ich offters einige kirchen/ welche unter anderer religion herrschafft

sind/
Fff 2

ARTIC. I. DISTINCT. III. SECT. XX.
noch auf dieſe ſtunde in dem hertzen wehe thut/ dergleichen zu leſen. Jch
dancke aber dem HErrn/ der mich mit ſeiner gnade/ wie in andern/ alſo
auch in dieſem ſtuͤck/ unverdient regieret hat/ daß ſolches einfaͤltige ſcri-
ptum
guter meynung ediret habe/ deſſen nachdruck mir gnugſam zeugnuͤß
iſt/ daß der HERR damit geweſen ſeye/ und laſſe mich auch nicht dahin
bringen/ mich deſſen reuen zu laſſen/ ob mir wohl viele verdruͤßlichkeiten
dadurch entſtanden ſind/ und ich mit allerhand ungegruͤndeten verdachten
daher beladen worden bin. Auch bin ſo viel mehr verſichert/ daß nichts dar-
innen der goͤttlichen ehre oder der kirchen wohlenfarth præjudicirliches muß
enthalten ſeyn/ nachdem ſolches einfaͤltige ſcriptum zwar ſo vielen bißher
ein dorn in den augen geweſen/ aber noch nicht ein einiger ſich publice un-
terſtanden hat/ etwas dagegen heraus zu geben: welches wo es mit einigem
ſchein geſchehen koͤnte/ gewißlich bey ſolcher feindſeligkeit einiger gemuͤther
nicht wuͤrde unterblieben ſeyn. Dann was den Rordhaufiſchen Caplan
Herr Dilfelden anlanget/ hoffe ich nicht/ daß ſein unbeſonnener angriff
meine ſache boͤs/ ſondern vielmehr gut gemacht habe. Jm uͤbrigen kan
ich nicht anders/ als meines grgſtl. hochg. Herrn gute intention loben/
welcher den regier-ſtand anzuſchreyen ſich vorgenommen: Wuͤnſche auch
hertzlich/ deſſen arbeit anſichtig zu werden/ ſo viel mehr aber/ daß es auch
an des tages licht komme/ damit die erwuͤnſchte frucht moͤchte draus erfol-
gen. Es ſtehet zwar nicht zu leugnen/ daß bey unſerm ordine ein groſſes
ſtuͤck des verderbens liege/ und alſo/ da eine reformation vorgehen ſolte/
dieſelbe von uns den anfang nehmen muͤſte: aber nicht weniger ſchuld liegt
an der obrigkeit/ und dero amts entweder mißbrauch/ oder nachlaͤßigkeit.
Gewiß iſts/ daß GOtt der obrigkeit eben ſo wohl die handhabung der er-
ſten als andern tafel/ und alſo die befoͤrderung ſeiner ehre/ anbefohlen habe.
Gleichwohl ſiehet man gar wenige/ die ſich der ſache nur etwas annehmen/
ohne allein daß ſie ihr jus epiſcopale als ein regale behaupten/ vielmehr/
damit ihrer herrlichkeit nichts abgehe/ als daß es ihnen um den zweck goͤtt-
licher ehre zu thun waͤre/ ja damit ſie etwa davon einigen nutzen ziehen/
und wohl gar der kirchen wehe thun moͤgen/ wie gewißlich ſolcher mißbrauch
gemeiner als gut iſt. Da muß ſolches jus epiſcopale, ſo als ein beneficium
der kirchen zum beſten ſolte ſeyn/ dasjenige inſtrument werden/ damit alles
gute gehindert wird/ ja die kirche oͤffters mit ſolchen leuten verſehen werde/
nicht ſo wohl/ wie es derſelben vortraͤglich/ als wie es den maͤchtigen an
hoͤfen wohlgefaͤllig iſt: es muß die hindernuͤß alles guten werden/ denn wo der
weltliche arm dieſes nicht will/ diejenige/ welche noch in dem geiſtlichen
und haus-ſtand gern etwas gutes thun moͤchten/ ſolches nicht thun doͤrffen.
Daß ich offters einige kirchen/ welche unter anderer religion herrſchafft

ſind/
Fff 2
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[411/0429] ARTIC. I. DISTINCT. III. SECT. XX. noch auf dieſe ſtunde in dem hertzen wehe thut/ dergleichen zu leſen. Jch dancke aber dem HErrn/ der mich mit ſeiner gnade/ wie in andern/ alſo auch in dieſem ſtuͤck/ unverdient regieret hat/ daß ſolches einfaͤltige ſcri- ptum guter meynung ediret habe/ deſſen nachdruck mir gnugſam zeugnuͤß iſt/ daß der HERR damit geweſen ſeye/ und laſſe mich auch nicht dahin bringen/ mich deſſen reuen zu laſſen/ ob mir wohl viele verdruͤßlichkeiten dadurch entſtanden ſind/ und ich mit allerhand ungegruͤndeten verdachten daher beladen worden bin. Auch bin ſo viel mehr verſichert/ daß nichts dar- innen der goͤttlichen ehre oder der kirchen wohlenfarth præjudicirliches muß enthalten ſeyn/ nachdem ſolches einfaͤltige ſcriptum zwar ſo vielen bißher ein dorn in den augen geweſen/ aber noch nicht ein einiger ſich publice un- terſtanden hat/ etwas dagegen heraus zu geben: welches wo es mit einigem ſchein geſchehen koͤnte/ gewißlich bey ſolcher feindſeligkeit einiger gemuͤther nicht wuͤrde unterblieben ſeyn. Dann was den Rordhaufiſchen Caplan Herr Dilfelden anlanget/ hoffe ich nicht/ daß ſein unbeſonnener angriff meine ſache boͤs/ ſondern vielmehr gut gemacht habe. Jm uͤbrigen kan ich nicht anders/ als meines grgſtl. hochg. Herrn gute intention loben/ welcher den regier-ſtand anzuſchreyen ſich vorgenommen: Wuͤnſche auch hertzlich/ deſſen arbeit anſichtig zu werden/ ſo viel mehr aber/ daß es auch an des tages licht komme/ damit die erwuͤnſchte frucht moͤchte draus erfol- gen. Es ſtehet zwar nicht zu leugnen/ daß bey unſerm ordine ein groſſes ſtuͤck des verderbens liege/ und alſo/ da eine reformation vorgehen ſolte/ dieſelbe von uns den anfang nehmen muͤſte: aber nicht weniger ſchuld liegt an der obrigkeit/ und dero amts entweder mißbrauch/ oder nachlaͤßigkeit. Gewiß iſts/ daß GOtt der obrigkeit eben ſo wohl die handhabung der er- ſten als andern tafel/ und alſo die befoͤrderung ſeiner ehre/ anbefohlen habe. Gleichwohl ſiehet man gar wenige/ die ſich der ſache nur etwas annehmen/ ohne allein daß ſie ihr jus epiſcopale als ein regale behaupten/ vielmehr/ damit ihrer herrlichkeit nichts abgehe/ als daß es ihnen um den zweck goͤtt- licher ehre zu thun waͤre/ ja damit ſie etwa davon einigen nutzen ziehen/ und wohl gar der kirchen wehe thun moͤgen/ wie gewißlich ſolcher mißbrauch gemeiner als gut iſt. Da muß ſolches jus epiſcopale, ſo als ein beneficium der kirchen zum beſten ſolte ſeyn/ dasjenige inſtrument werden/ damit alles gute gehindert wird/ ja die kirche oͤffters mit ſolchen leuten verſehen werde/ nicht ſo wohl/ wie es derſelben vortraͤglich/ als wie es den maͤchtigen an hoͤfen wohlgefaͤllig iſt: es muß die hindernuͤß alles guten werden/ denn wo der weltliche arm dieſes nicht will/ diejenige/ welche noch in dem geiſtlichen und haus-ſtand gern etwas gutes thun moͤchten/ ſolches nicht thun doͤrffen. Daß ich offters einige kirchen/ welche unter anderer religion herrſchafft ſind/ Fff 2

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 411. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/429>, abgerufen am 22.11.2024.