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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

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Das sechste Capitel.
hat. Was Hr. NN. anlanget/ weiß ich von seinen Straßburgischen actio-
nen nichts/ das sich nicht etwa mit andern exempeln von solchen leuten/ die in
tieffer melancholia gesteckt/ belegen ließ/ und etwa berühmten Theologis eini-
ge dergleichen zustände zuweilen zugestossen sind. So hat er/ alß er von
Straßb. hieher kam/ ehrliches zeugnis gehabt in schreiben/ da zwar seines zu-
standes meldung geschehen/ aber liebes zeugnis seiner pietät ihm gegeben wor-
den. Und wie solten ihn die Argentoratenses eine predigt haben offerirt, alß
ein mittel/ wodurch das von ihm etwa erschollene geschrey möchte können ge-
dämpffet werden/ wo sie ihn pro fanatico gehalten/ ob wohl sein damahliger
zustand und angsthafftigkeit ihm solche zu halten nicht zugelassen hat? Und
wie dem allem/ so ist alle freundschafft zwischen ihm und mir erst nach seiner
Straßburgschen zurückkunfft gemacht worden/ vorher aber er weder in kund-
schafft mit mir gestanden/ wie er mir auch nie vorhin wird zugeschrieben ha-
ben/ noch jemahl in mein Collegium gekommen. Wäre also etwas ver-
dächtiges an ihm gewesen/ so wäre ich nicht dessen ursach und möchte mir nichts
desselben imputiret werden. 8. Daß an dem tag sein solle/ daß viele von mei-
nen nachfolgern/ sich in Holland solten verfügt haben/ ist eine so klare und
offenbare unwarheit/ daß ich mich der kühnheit deß jenigen wundere/ wer sie
mag erdacht haben. Jch weiß unter allen meinen bekanten/ die nur einigerley
massen meine nachfolger (von denen ich gleichwohl auch nicht weiß/ alß der ich
keine secte mache) scheinen möchten/ nicht mehr alß zwey/ deren der eine ein
Kauffman/ seiter er hie wohnet einmahl in Holland seines weinhandels wegen
gereiset/ wie er vorhin mehrmahl von Trarbach aus gethan/ der ander aber
ein Studiosus Theologiae, der nach seinen studiis Academicis lust hatte in die
frembte zu reifen/ und in Holland von dar in Engelland und Franckreich gereiset
ist/ und auf 2. jahr zu seiner reise angewendet hat/ jetzo aber in Teutschland
noch reiset. Von diesem wurde/ weil er aus Darmstatt/ und Hr. D. Men-
zer
nicht wohl auff ihn zusprechen gewesen/ spargiret/ daß er in Holland ge-
reiset/ ein Qvacker zuwerden/ wie mir selbst ein Professor von Giessen derglei-
chen geschrieben hatte. Jch habe ihm aber nicht allein aus seinen brieffen an
mich damahl gar ein anders weisen können/ sondern alß er wiederum herge-
kommen/ hie/ in Darmstatt und in Giessen sich eine gute zeit aufgehalten/ ist
offenbarlich an den tag gekommen/ wie falsch alles gerüchte/ und wie boß-
hafftig der verdacht gewesen. Wie ich ja noch niemahl gehöret/ daß Studiosis
Theologiae
an solche frembde ort zureisen solte verboten sein. Warum dann
eben denjenigen allein/ die mit mir bekant worden sind? Aus diesem allem sie-
het Mhgl. Hr. den ungrund deß jenigen/ was mir entgegen gehalten wird/ und
ob ers wohl vor sich nicht bedarff/ alß von dem vieles andern gemüths un-

zweif-

Das ſechſte Capitel.
hat. Was Hr. NN. anlanget/ weiß ich von ſeinen Straßburgiſchen actio-
nen nichts/ das ſich nicht etwa mit andern exempeln von ſolchen leuten/ die in
tieffer melancholia geſteckt/ belegen ließ/ und etwa beruͤhmten Theologis eini-
ge dergleichen zuſtaͤnde zuweilen zugeſtoſſen ſind. So hat er/ alß er von
Straßb. hieher kam/ ehrliches zeugnis gehabt in ſchreiben/ da zwar ſeines zu-
ſtandes meldung geſchehen/ aber liebes zeugnis ſeiner pietaͤt ihm gegeben wor-
den. Und wie ſolten ihn die Argentoratenſes eine predigt haben offerirt, alß
ein mittel/ wodurch das von ihm etwa erſchollene geſchrey moͤchte koͤnnen ge-
daͤmpffet werden/ wo ſie ihn pro fanatico gehalten/ ob wohl ſein damahliger
zuſtand und angſthafftigkeit ihm ſolche zu halten nicht zugelaſſen hat? Und
wie dem allem/ ſo iſt alle freundſchafft zwiſchen ihm und mir erſt nach ſeiner
Straßburgſchen zuruͤckkunfft gemacht worden/ vorher aber er weder in kund-
ſchafft mit mir geſtanden/ wie er mir auch nie vorhin wird zugeſchrieben ha-
ben/ noch jemahl in mein Collegium gekommen. Waͤre alſo etwas ver-
daͤchtiges an ihm geweſen/ ſo waͤre ich nicht deſſen urſach und moͤchte mir nichts
deſſelben imputiret werden. 8. Daß an dem tag ſein ſolle/ daß viele von mei-
nen nachfolgern/ ſich in Holland ſolten verfuͤgt haben/ iſt eine ſo klare und
offenbare unwarheit/ daß ich mich der kuͤhnheit deß jenigen wundere/ wer ſie
mag erdacht haben. Jch weiß unter allen meinen bekanten/ die nur einigerley
maſſen meine nachfolger (von denen ich gleichwohl auch nicht weiß/ alß der ich
keine ſecte mache) ſcheinen moͤchten/ nicht mehr alß zwey/ deren der eine ein
Kauffman/ ſeiter er hie wohnet einmahl in Holland ſeines weinhandels wegen
gereiſet/ wie er vorhin mehrmahl von Trarbach aus gethan/ der ander aber
ein Studioſus Theologiæ, der nach ſeinen ſtudiis Academicis luſt hatte in die
frembte zu reifen/ und in Holland von dar in Engelland und Franckreich gereiſet
iſt/ und auf 2. jahr zu ſeiner reiſe angewendet hat/ jetzo aber in Teutſchland
noch reiſet. Von dieſem wurde/ weil er aus Darmſtatt/ und Hr. D. Men-
zer
nicht wohl auff ihn zuſprechen geweſen/ ſpargiret/ daß er in Holland ge-
reiſet/ ein Qvacker zuwerden/ wie mir ſelbſt ein Profeſſor von Gieſſen derglei-
chen geſchrieben hatte. Jch habe ihm aber nicht allein aus ſeinen brieffen an
mich damahl gar ein anders weiſen koͤnnen/ ſondern alß er wiederum herge-
kommen/ hie/ in Darmſtatt und in Gieſſen ſich eine gute zeit aufgehalten/ iſt
offenbarlich an den tag gekommen/ wie falſch alles geruͤchte/ und wie boß-
hafftig der verdacht geweſen. Wie ich ja noch niemahl gehoͤret/ daß Studioſis
Theologiæ
an ſolche frembde ort zureiſen ſolte verboten ſein. Warum dann
eben denjenigen allein/ die mit mir bekant worden ſind? Aus dieſem allem ſie-
het Mhgl. Hr. den ungrund deß jenigen/ was mir entgegen gehalten wird/ und
ob ers wohl vor ſich nicht bedarff/ alß von dem vieles andern gemuͤths un-

zweif-
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[354/0372] Das ſechſte Capitel. hat. Was Hr. NN. anlanget/ weiß ich von ſeinen Straßburgiſchen actio- nen nichts/ das ſich nicht etwa mit andern exempeln von ſolchen leuten/ die in tieffer melancholia geſteckt/ belegen ließ/ und etwa beruͤhmten Theologis eini- ge dergleichen zuſtaͤnde zuweilen zugeſtoſſen ſind. So hat er/ alß er von Straßb. hieher kam/ ehrliches zeugnis gehabt in ſchreiben/ da zwar ſeines zu- ſtandes meldung geſchehen/ aber liebes zeugnis ſeiner pietaͤt ihm gegeben wor- den. Und wie ſolten ihn die Argentoratenſes eine predigt haben offerirt, alß ein mittel/ wodurch das von ihm etwa erſchollene geſchrey moͤchte koͤnnen ge- daͤmpffet werden/ wo ſie ihn pro fanatico gehalten/ ob wohl ſein damahliger zuſtand und angſthafftigkeit ihm ſolche zu halten nicht zugelaſſen hat? Und wie dem allem/ ſo iſt alle freundſchafft zwiſchen ihm und mir erſt nach ſeiner Straßburgſchen zuruͤckkunfft gemacht worden/ vorher aber er weder in kund- ſchafft mit mir geſtanden/ wie er mir auch nie vorhin wird zugeſchrieben ha- ben/ noch jemahl in mein Collegium gekommen. Waͤre alſo etwas ver- daͤchtiges an ihm geweſen/ ſo waͤre ich nicht deſſen urſach und moͤchte mir nichts deſſelben imputiret werden. 8. Daß an dem tag ſein ſolle/ daß viele von mei- nen nachfolgern/ ſich in Holland ſolten verfuͤgt haben/ iſt eine ſo klare und offenbare unwarheit/ daß ich mich der kuͤhnheit deß jenigen wundere/ wer ſie mag erdacht haben. Jch weiß unter allen meinen bekanten/ die nur einigerley maſſen meine nachfolger (von denen ich gleichwohl auch nicht weiß/ alß der ich keine ſecte mache) ſcheinen moͤchten/ nicht mehr alß zwey/ deren der eine ein Kauffman/ ſeiter er hie wohnet einmahl in Holland ſeines weinhandels wegen gereiſet/ wie er vorhin mehrmahl von Trarbach aus gethan/ der ander aber ein Studioſus Theologiæ, der nach ſeinen ſtudiis Academicis luſt hatte in die frembte zu reifen/ und in Holland von dar in Engelland und Franckreich gereiſet iſt/ und auf 2. jahr zu ſeiner reiſe angewendet hat/ jetzo aber in Teutſchland noch reiſet. Von dieſem wurde/ weil er aus Darmſtatt/ und Hr. D. Men- zer nicht wohl auff ihn zuſprechen geweſen/ ſpargiret/ daß er in Holland ge- reiſet/ ein Qvacker zuwerden/ wie mir ſelbſt ein Profeſſor von Gieſſen derglei- chen geſchrieben hatte. Jch habe ihm aber nicht allein aus ſeinen brieffen an mich damahl gar ein anders weiſen koͤnnen/ ſondern alß er wiederum herge- kommen/ hie/ in Darmſtatt und in Gieſſen ſich eine gute zeit aufgehalten/ iſt offenbarlich an den tag gekommen/ wie falſch alles geruͤchte/ und wie boß- hafftig der verdacht geweſen. Wie ich ja noch niemahl gehoͤret/ daß Studioſis Theologiæ an ſolche frembde ort zureiſen ſolte verboten ſein. Warum dann eben denjenigen allein/ die mit mir bekant worden ſind? Aus dieſem allem ſie- het Mhgl. Hr. den ungrund deß jenigen/ was mir entgegen gehalten wird/ und ob ers wohl vor ſich nicht bedarff/ alß von dem vieles andern gemuͤths un- zweif-

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/372>, abgerufen am 22.11.2024.