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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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Das dritte Capitel.
andern Gottliebenden und der kirchen ruhe suchenden brüdern einzuleuchten/
das vertrauen trage. Den HErrn HErrn aber/ dessen gnade allein die her-
tzen gewiß machen kan/ demüthigst anruffe/ daß Er uns alle seines willens
versichern/ denselbigen zu thun/ krafft und trieb geben/ hingegen alles ärger-
nüß gnädiglich abwenden wolle.

SECTIO XVIII.
Ob um der hautz-andacht willen der offentliche
Gottesdienst zu versäumen. Von der vierdten bitte/ und auch
schluß des Vater unsers. Ob Ananias und Sapphira
Apost. Gesch. 5. verdammet worden?

JCh komme auff die vorgetragene scrupul und fragen 1. Ob wegen der
täglichen predigten/ die mit denen haußgenossen nützliche lesung
zu unterlassen/ oder vielmehr jene hindan zu setzen seyen?

Hierauff antworte ich/ daß wir alle verbunden seyen/ die offenliche ver-
sammlungen und predigten gern zu besuchen/ (wohin der angeführte ort
Hebr. 10/ 25. weiset) damit wir uns keinerley weise von der gemeinde tren-
nen. Solche besuchung aber/ ist sonderlich nothwendig auff den lieben sonn-
tag/ und ob wol dessen nicht einiger/ dennoch vornehmster zweck/ daß der Got-
tesdienst solchen tag von der gantzen versammlung verrichtet werde. Da-
mit ist zwahr nicht auffgehoben/ daß man auch die woche gleich wie zu hause/
also auch in der kirchen mit göttlichem wort umgehe/ und also diejenige/
deren übriger zustand und beruff ihnen solche musse lässet/ sich mehrmal
dabey einfinden/ so wol um eigener erbauung/ als auch anderer guten exem-
pels willen. Jndessen ists nicht dahin gemeinet/ gleich ob jeder Christ/ der
GOTT hertzlich dienen will/ täglich sich dahin befleissen müste/ daß er keine
predigt versäume/ als wozu GOTT unser gewissen nirgend verbunden hat.
Vielmehr werden deßwegen an grossen orten täglich predigten gehalten/
nicht als wolte man jedermann zu solchen täglichen predigten verbinden/
sondern daß sich die leute jeder nach seiner gelegenheit eintheilen/ dieser den
einen/ der andere einen andern tag/ die kirche zu besuchen. Ob nun wol
insgemein der offenliche Gottesdienst dem absonderlichen billich vorgezo-
gen zu werden verdienet/ so kan doch manchmal eine nützliche geistliche übung
zu hause mir und andern meinigen so erbaulich seyn/ daß ich dieselbe einer
predigt um solche zeit gehalten/ mit gutem gewissen vorziehen darff. Da
also/ wie ich nicht zweiffle/ derselbe die übung des lesens mit seinem hauß
von guter frucht findet/ können gantz wol einige tage in der woche ausgesetzet

wer-

Das dritte Capitel.
andern Gottliebenden und der kirchen ruhe ſuchenden bruͤdern einzuleuchten/
das vertrauen trage. Den HErrn HErrn aber/ deſſen gnade allein die her-
tzen gewiß machen kan/ demuͤthigſt anruffe/ daß Er uns alle ſeines willens
verſichern/ denſelbigen zu thun/ krafft und trieb geben/ hingegen alles aͤrger-
nuͤß gnaͤdiglich abwenden wolle.

SECTIO XVIII.
Ob um der hautz-andacht willen der offentliche
Gottesdienſt zu verſaͤumen. Von der vierdten bitte/ und auch
ſchluß des Vater unſers. Ob Ananias und Sapphira
Apoſt. Geſch. 5. verdammet worden?

JCh komme auff die vorgetragene ſcrupul und fragen 1. Ob wegen der
taͤglichen predigten/ die mit denen haußgenoſſen nuͤtzliche leſung
zu unterlaſſen/ oder vielmehr jene hindan zu ſetzen ſeyen?

Hierauff antworte ich/ daß wir alle verbunden ſeyen/ die offenliche ver-
ſammlungen und predigten gern zu beſuchen/ (wohin der angefuͤhrte ort
Hebr. 10/ 25. weiſet) damit wir uns keinerley weiſe von der gemeinde tren-
nen. Solche beſuchung aber/ iſt ſonderlich nothwendig auff den lieben ſonn-
tag/ und ob wol deſſen nicht einiger/ dennoch vornehmſter zweck/ daß der Got-
tesdienſt ſolchen tag von der gantzen verſammlung verrichtet werde. Da-
mit iſt zwahr nicht auffgehoben/ daß man auch die woche gleich wie zu hauſe/
alſo auch in der kirchen mit goͤttlichem wort umgehe/ und alſo diejenige/
deren uͤbriger zuſtand und beruff ihnen ſolche muſſe laͤſſet/ ſich mehrmal
dabey einfinden/ ſo wol um eigener erbauung/ als auch anderer guten exem-
pels willen. Jndeſſen iſts nicht dahin gemeinet/ gleich ob jeder Chriſt/ der
GOTT hertzlich dienen will/ taͤglich ſich dahin befleiſſen muͤſte/ daß er keine
predigt verſaͤume/ als wozu GOTT unſer gewiſſen nirgend verbunden hat.
Vielmehr werden deßwegen an groſſen orten taͤglich predigten gehalten/
nicht als wolte man jedermann zu ſolchen taͤglichen predigten verbinden/
ſondern daß ſich die leute jeder nach ſeiner gelegenheit eintheilen/ dieſer den
einen/ der andere einen andern tag/ die kirche zu beſuchen. Ob nun wol
insgemein der offenliche Gottesdienſt dem abſonderlichen billich vorgezo-
gen zu werden verdienet/ ſo kan doch manchmal eine nuͤtzliche geiſtliche uͤbung
zu hauſe mir und andern meinigen ſo erbaulich ſeyn/ daß ich dieſelbe einer
predigt um ſolche zeit gehalten/ mit gutem gewiſſen vorziehen darff. Da
alſo/ wie ich nicht zweiffle/ derſelbe die uͤbung des leſens mit ſeinem hauß
von guter frucht findet/ koͤnnen gantz wol einige tage in der woche ausgeſetzet

wer-
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[78/0086] Das dritte Capitel. andern Gottliebenden und der kirchen ruhe ſuchenden bruͤdern einzuleuchten/ das vertrauen trage. Den HErrn HErrn aber/ deſſen gnade allein die her- tzen gewiß machen kan/ demuͤthigſt anruffe/ daß Er uns alle ſeines willens verſichern/ denſelbigen zu thun/ krafft und trieb geben/ hingegen alles aͤrger- nuͤß gnaͤdiglich abwenden wolle. SECTIO XVIII. Ob um der hautz-andacht willen der offentliche Gottesdienſt zu verſaͤumen. Von der vierdten bitte/ und auch ſchluß des Vater unſers. Ob Ananias und Sapphira Apoſt. Geſch. 5. verdammet worden? JCh komme auff die vorgetragene ſcrupul und fragen 1. Ob wegen der taͤglichen predigten/ die mit denen haußgenoſſen nuͤtzliche leſung zu unterlaſſen/ oder vielmehr jene hindan zu ſetzen ſeyen? Hierauff antworte ich/ daß wir alle verbunden ſeyen/ die offenliche ver- ſammlungen und predigten gern zu beſuchen/ (wohin der angefuͤhrte ort Hebr. 10/ 25. weiſet) damit wir uns keinerley weiſe von der gemeinde tren- nen. Solche beſuchung aber/ iſt ſonderlich nothwendig auff den lieben ſonn- tag/ und ob wol deſſen nicht einiger/ dennoch vornehmſter zweck/ daß der Got- tesdienſt ſolchen tag von der gantzen verſammlung verrichtet werde. Da- mit iſt zwahr nicht auffgehoben/ daß man auch die woche gleich wie zu hauſe/ alſo auch in der kirchen mit goͤttlichem wort umgehe/ und alſo diejenige/ deren uͤbriger zuſtand und beruff ihnen ſolche muſſe laͤſſet/ ſich mehrmal dabey einfinden/ ſo wol um eigener erbauung/ als auch anderer guten exem- pels willen. Jndeſſen iſts nicht dahin gemeinet/ gleich ob jeder Chriſt/ der GOTT hertzlich dienen will/ taͤglich ſich dahin befleiſſen muͤſte/ daß er keine predigt verſaͤume/ als wozu GOTT unſer gewiſſen nirgend verbunden hat. Vielmehr werden deßwegen an groſſen orten taͤglich predigten gehalten/ nicht als wolte man jedermann zu ſolchen taͤglichen predigten verbinden/ ſondern daß ſich die leute jeder nach ſeiner gelegenheit eintheilen/ dieſer den einen/ der andere einen andern tag/ die kirche zu beſuchen. Ob nun wol insgemein der offenliche Gottesdienſt dem abſonderlichen billich vorgezo- gen zu werden verdienet/ ſo kan doch manchmal eine nuͤtzliche geiſtliche uͤbung zu hauſe mir und andern meinigen ſo erbaulich ſeyn/ daß ich dieſelbe einer predigt um ſolche zeit gehalten/ mit gutem gewiſſen vorziehen darff. Da alſo/ wie ich nicht zweiffle/ derſelbe die uͤbung des leſens mit ſeinem hauß von guter frucht findet/ koͤnnen gantz wol einige tage in der woche ausgeſetzet wer-

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/86>, abgerufen am 21.11.2024.