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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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Das fünffte Capitel.
verdiente straff zu einer heilsamen züchtigung mache. Damit ist eine herrli-
che frucht des leydens erhalten/ wo GOTT auch durch unrecht uns angetha-
nes leyden uns dessen kräfftig erinnert/ was er gerechter weise gegen uns zu
thun vermöchte/ eine heylsame reue und buß/ so dann ernstlichen haß gegen
die sünde/ dadurch bey uns zu würcken. Diese betrachtung würcket auch ei-
ne so viel gehorsamere gedult/ daß wir sagen mögen: Jch will des HErrn
zorn tragen/ dann ich habe wider ihn gesündigt. Mich. 7/ 9.
Ja solche
betrachtung machet uns so viel fähiger des göttlichen trosts/ als williger
desselben verzug zu tragen/ und damit zu frieden zu seyn/ daß der HErr uns
denselben entziehe. Jm übrigen was die schwehre versuchungen und seelen-
anfechtungen anlanget/ über welche derselbe so wehmüthig klagt/ so ists eine
schule/ in der der weise himmlische lehrmeister sehr viele derjenigen führet/
die er zur seligkeit verordnet hat/ aber sie durch eine so herbe artzeney von dem
jenigen/ was ihnen an solchem zweck wäre hinderlich gewesen/ gereiniget wer-
den müssen. Und zwahr lässet GOtt nicht nur diejenige offters in solche ver-
suchung fallen/ bey welchen die leibliche unglück das gemüth ohne das nieder-
geschlagen haben/ und je fester etwa das hertz an einigen weltlichen dingen han-
get/ der verlust derselben ihnen zu ertragen so viel schwehrer worden ist/ und
wo das zeitliche elend und leyden als ein täglich zeugnüß göttlichen zorns
angesehen wird/ und endlich die betrachtung dessen uns mehr als das vorige
zeitliche unglück martert und quälet; sondern es lässet GOTT nach seinem
weisen rath offters auch einige mit dergleichen anfechtungen heimgesuchet
werden/ denen es in allem übrigen wol und nach des natürlichen willens eige-
nem belieben ergehet/ aber in solchem stande der anfechtung alle ihre eusserli-
che glückseligkeit sie nicht im wenigsten auffrichten und erfreuen kan/ sondern
wol so beschwehrlich wird/ als andern ihre zeitliche unglückseligkeit seyn
möchte. Ja bey diesen wird gemeiniglich die gewalt solcher anfechtung so
viel stärcker seyn/ weil sie allezeit bloß in geistlichen dingen bestehet/ die einer
seelen am empfindlichsten sind/ als bey den andern/ wo die geistlichen versu-
chungen aus weltlicher traurigkeit den anfang genommen haben/ und daher
auch unvermerckt mit einigen von derselben noch vermischet sind/ welche die
seele zwahr auch martert/ aber so empfindlich nicht peinigen kan/ als wo die
gantze versuchung lauterlich in geistlicher noth bestehet. Jndessen gleich
wie sich GOTT gemeiniglich dieser anfechtung darzu gebraucht/ damit die
hertzen in ihrem glücklichen stand/ welches zu unterlassen so schwehr hergehet/
sich nicht in denselben/ in ihre ehre/ reichthum und dergleichen/ gefährlich ver-
lieben/ und damit verlohrn gehn/ weswegen sie der HErr/ nach seinem wei-
sen rath durch ein solch gewaltsames und schmertzliches mittel von solcher lie-
be abzeucht/ da er ihnen alle solche glückseligkeit bitter/ und damit unange-

nehm

Das fuͤnffte Capitel.
verdiente ſtraff zu einer heilſamen zuͤchtigung mache. Damit iſt eine herrli-
che frucht des leydens erhalten/ wo GOTT auch durch unrecht uns angetha-
nes leyden uns deſſen kraͤfftig erinnert/ was er gerechter weiſe gegen uns zu
thun vermoͤchte/ eine heylſame reue und buß/ ſo dann ernſtlichen haß gegen
die ſuͤnde/ dadurch bey uns zu wuͤrcken. Dieſe betrachtung wuͤrcket auch ei-
ne ſo viel gehorſamere gedult/ daß wir ſagen moͤgen: Jch will des HErrn
zorn tragen/ dann ich habe wider ihn geſuͤndigt. Mich. 7/ 9.
Ja ſolche
betrachtung machet uns ſo viel faͤhiger des goͤttlichen troſts/ als williger
deſſelben verzug zu tragen/ und damit zu frieden zu ſeyn/ daß der HErr uns
denſelben entziehe. Jm uͤbrigen was die ſchwehre verſuchungen und ſeelen-
anfechtungen anlanget/ uͤber welche derſelbe ſo wehmuͤthig klagt/ ſo iſts eine
ſchule/ in der der weiſe himmliſche lehrmeiſter ſehr viele derjenigen fuͤhret/
die er zur ſeligkeit verordnet hat/ aber ſie durch eine ſo herbe artzeney von dem
jenigen/ was ihnen an ſolchem zweck waͤre hinderlich geweſen/ gereiniget wer-
den muͤſſen. Und zwahr laͤſſet GOtt nicht nur diejenige offters in ſolche ver-
ſuchung fallen/ bey welchen die leibliche ungluͤck das gemuͤth ohne das nieder-
geſchlagen haben/ uñ je feſter etwa das hertz an einigen weltlichen dingen han-
get/ der verluſt derſelben ihnen zu ertragen ſo viel ſchwehrer worden iſt/ und
wo das zeitliche elend und leyden als ein taͤglich zeugnuͤß goͤttlichen zorns
angeſehen wird/ und endlich die betrachtung deſſen uns mehr als das vorige
zeitliche ungluͤck martert und quaͤlet; ſondern es laͤſſet GOTT nach ſeinem
weiſen rath offters auch einige mit dergleichen anfechtungen heimgeſuchet
werden/ denen es in allem uͤbrigen wol und nach des natuͤrlichen willens eige-
nem belieben ergehet/ aber in ſolchem ſtande der anfechtung alle ihre euſſerli-
che gluͤckſeligkeit ſie nicht im wenigſten auffrichten und erfreuen kan/ ſondern
wol ſo beſchwehrlich wird/ als andern ihre zeitliche ungluͤckſeligkeit ſeyn
moͤchte. Ja bey dieſen wird gemeiniglich die gewalt ſolcher anfechtung ſo
viel ſtaͤrcker ſeyn/ weil ſie allezeit bloß in geiſtlichen dingen beſtehet/ die einer
ſeelen am empfindlichſten ſind/ als bey den andern/ wo die geiſtlichen verſu-
chungen aus weltlicher traurigkeit den anfang genommen haben/ und daher
auch unvermerckt mit einigen von derſelben noch vermiſchet ſind/ welche die
ſeele zwahr auch martert/ aber ſo empfindlich nicht peinigen kan/ als wo die
gantze verſuchung lauterlich in geiſtlicher noth beſtehet. Jndeſſen gleich
wie ſich GOTT gemeiniglich dieſer anfechtung darzu gebraucht/ damit die
hertzen in ihrem gluͤcklichen ſtand/ welches zu unterlaſſen ſo ſchwehr hergehet/
ſich nicht in denſelben/ in ihre ehre/ reichthum und dergleichen/ gefaͤhrlich ver-
lieben/ und damit verlohrn gehn/ weswegen ſie der HErr/ nach ſeinem wei-
ſen rath durch ein ſolch gewaltſames und ſchmertzliches mittel von ſolcher lie-
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nehm
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[844/0852] Das fuͤnffte Capitel. verdiente ſtraff zu einer heilſamen zuͤchtigung mache. Damit iſt eine herrli- che frucht des leydens erhalten/ wo GOTT auch durch unrecht uns angetha- nes leyden uns deſſen kraͤfftig erinnert/ was er gerechter weiſe gegen uns zu thun vermoͤchte/ eine heylſame reue und buß/ ſo dann ernſtlichen haß gegen die ſuͤnde/ dadurch bey uns zu wuͤrcken. Dieſe betrachtung wuͤrcket auch ei- ne ſo viel gehorſamere gedult/ daß wir ſagen moͤgen: Jch will des HErrn zorn tragen/ dann ich habe wider ihn geſuͤndigt. Mich. 7/ 9. Ja ſolche betrachtung machet uns ſo viel faͤhiger des goͤttlichen troſts/ als williger deſſelben verzug zu tragen/ und damit zu frieden zu ſeyn/ daß der HErr uns denſelben entziehe. Jm uͤbrigen was die ſchwehre verſuchungen und ſeelen- anfechtungen anlanget/ uͤber welche derſelbe ſo wehmuͤthig klagt/ ſo iſts eine ſchule/ in der der weiſe himmliſche lehrmeiſter ſehr viele derjenigen fuͤhret/ die er zur ſeligkeit verordnet hat/ aber ſie durch eine ſo herbe artzeney von dem jenigen/ was ihnen an ſolchem zweck waͤre hinderlich geweſen/ gereiniget wer- den muͤſſen. Und zwahr laͤſſet GOtt nicht nur diejenige offters in ſolche ver- ſuchung fallen/ bey welchen die leibliche ungluͤck das gemuͤth ohne das nieder- geſchlagen haben/ uñ je feſter etwa das hertz an einigen weltlichen dingen han- get/ der verluſt derſelben ihnen zu ertragen ſo viel ſchwehrer worden iſt/ und wo das zeitliche elend und leyden als ein taͤglich zeugnuͤß goͤttlichen zorns angeſehen wird/ und endlich die betrachtung deſſen uns mehr als das vorige zeitliche ungluͤck martert und quaͤlet; ſondern es laͤſſet GOTT nach ſeinem weiſen rath offters auch einige mit dergleichen anfechtungen heimgeſuchet werden/ denen es in allem uͤbrigen wol und nach des natuͤrlichen willens eige- nem belieben ergehet/ aber in ſolchem ſtande der anfechtung alle ihre euſſerli- che gluͤckſeligkeit ſie nicht im wenigſten auffrichten und erfreuen kan/ ſondern wol ſo beſchwehrlich wird/ als andern ihre zeitliche ungluͤckſeligkeit ſeyn moͤchte. Ja bey dieſen wird gemeiniglich die gewalt ſolcher anfechtung ſo viel ſtaͤrcker ſeyn/ weil ſie allezeit bloß in geiſtlichen dingen beſtehet/ die einer ſeelen am empfindlichſten ſind/ als bey den andern/ wo die geiſtlichen verſu- chungen aus weltlicher traurigkeit den anfang genommen haben/ und daher auch unvermerckt mit einigen von derſelben noch vermiſchet ſind/ welche die ſeele zwahr auch martert/ aber ſo empfindlich nicht peinigen kan/ als wo die gantze verſuchung lauterlich in geiſtlicher noth beſtehet. Jndeſſen gleich wie ſich GOTT gemeiniglich dieſer anfechtung darzu gebraucht/ damit die hertzen in ihrem gluͤcklichen ſtand/ welches zu unterlaſſen ſo ſchwehr hergehet/ ſich nicht in denſelben/ in ihre ehre/ reichthum und dergleichen/ gefaͤhrlich ver- lieben/ und damit verlohrn gehn/ weswegen ſie der HErr/ nach ſeinem wei- ſen rath durch ein ſolch gewaltſames und ſchmertzliches mittel von ſolcher lie- be abzeucht/ da er ihnen alle ſolche gluͤckſeligkeit bitter/ und damit unange- nehm

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 844. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/852>, abgerufen am 23.11.2024.