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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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Das fünffte Capitel.
langen mag/ so ich nicht widerspreche/ und deßwegen selbst immer erinnere/
solches werck heiliglich zu verrichten: in dessen ob auch niemand mit recht-
schaffener andacht darbey beten solte/ so hat die tauffe die krafft in sich selbst
aus der ordnung und einsetzung GOttes/ und erlanget das getauffte kind
die ihm versprochene gnade und seeligkeit. 2. Solte es seyn/ daß sie/ wie
sie sorget/ vormalen unterschiedlich das heilige abendmahl aus mangel un-
terrichts ohne prüffung empfangen hätte/ so seye sie beynebens gewiß/ daß
der HERR auch gedult trage mit seiner einfältigen kinder unwissenheit/
und hoffe ich auch/ sie werde biß daher den mehrern unterricht zu desto fleis-
siger prüfung sich haben dienen lassen. 3. Daß sie ihren GOtt nie recht ge-
liebet/ geförchtet und ihm vertrauet habe/ verstehet sie nach dem gesetz oder nach
dem Evangelio. Verstehet sie es nach jenem und dessen strenge/ so hat sie
freylich die vollkommenheit so wenig des ersten als anderer gebote in ihrem
leben erreichet/ und muß sich vor GOtt schuldig geben: Sie weiß aber auch
aus dem Evangelio/ daß der HErr JEsus das gesetz für sie gehalten/ und
solche vollkommene haltung seinen glaubigen zu eigen geschencket/ sie auch
von dem gesetz freygemacht habe. Redet sie aber davon nach dem urtheil des
Evangelii/ nach welchem der himmlische Vater mit seiner kinder unvollkom-
menem aber redlichem gehorsam/ um CHristi willen gedult tragen/ und
ihm solche gefällig seynlassen will/ so meine ich an deroselben selbst zeugnüß
gesehen zu haben/ daß obschon nicht eine vollkommene/ dannoch redliche/ lie-
be ihres GOttes bey ihr gefunden habe. Und solte sie noch jetzt finden/ wie
sie saget/ daß auch dieselbe mit einiger heucheley und scheinheiligkeit verun-
reinigt gewest wäre/ so erkenne sie göttliche wolthat/ der sie durch diesen stand
zu derselben erkäntnüß um der besserung willen gebracht habe/ demüthige sich
vor ihrem GOtt deßwegen hertzlich/ und liebeihn inskünfftig nach dem maaß
der gnaden/ als ihr wird gegeben werden. 4. Was anlangt die ewige ver-
sehung und wahl GOttes/ versteige sie sich ja nicht in derselben materie und
hohen geheimnüß/ und gedencke wie ich allzeit auff die einfalt in dessen vor-
trag getrieben habe. Will sie ihre wahl sehen/ so sehe sie in die wunden ih-
res JEsu/ daraus sein blut für ihre sünde geflossen ist/ darmit sind alle in
das buch des lebens geschrieben/ welche dasselbe mit glauben annehmen.
Daß aber der wahrhafftige glaube/ obwol verborgen ligend/ bey ihr seye/
habe ihr bereits [vo]rgethan. So hat GOtt das gute/ was sie gehabt/ nicht
von ihr genommen/ sondern er hats in ein solches feuer geleget/ in dem nichts
als was von unreinigkeit anklebet/ verbrennen soll/ und nachdem sie beken-
net/ das wollen noch zu haben/ so weiß sie ja/ daß auch das wollen GOttes
würckung/ und also ein zeugnüß des beywohnenden geistes GOttes seye.
5. Hat sie GOtt für die gnade/ die derselbe ihr/ wie durch andere seine die-

ner

Das fuͤnffte Capitel.
langen mag/ ſo ich nicht widerſpreche/ und deßwegen ſelbſt immer erinnere/
ſolches werck heiliglich zu verrichten: in deſſen ob auch niemand mit recht-
ſchaffener andacht darbey beten ſolte/ ſo hat die tauffe die krafft in ſich ſelbſt
aus der ordnung und einſetzung GOttes/ und erlanget das getauffte kind
die ihm verſprochene gnade und ſeeligkeit. 2. Solte es ſeyn/ daß ſie/ wie
ſie ſorget/ vormalen unterſchiedlich das heilige abendmahl aus mangel un-
terrichts ohne pruͤffung empfangen haͤtte/ ſo ſeye ſie beynebens gewiß/ daß
der HERR auch gedult trage mit ſeiner einfaͤltigen kinder unwiſſenheit/
und hoffe ich auch/ ſie werde biß daher den mehrern unterricht zu deſto fleiſ-
ſiger pruͤfung ſich haben dienen laſſen. 3. Daß ſie ihren GOtt nie recht ge-
liebet/ gefoͤrchtet uñ ihm vertrauet habe/ veꝛſtehet ſie nach dem geſetz oder nach
dem Evangelio. Verſtehet ſie es nach jenem und deſſen ſtrenge/ ſo hat ſie
freylich die vollkommenheit ſo wenig des erſten als anderer gebote in ihrem
leben erreichet/ und muß ſich vor GOtt ſchuldig geben: Sie weiß aber auch
aus dem Evangelio/ daß der HErr JEſus das geſetz fuͤr ſie gehalten/ und
ſolche vollkommene haltung ſeinen glaubigen zu eigen geſchencket/ ſie auch
von dem geſetz freygemacht habe. Redet ſie aber davon nach dem urtheil des
Evangelii/ nach welchem der himmliſche Vater mit ſeiner kinder unvollkom-
menem aber redlichem gehorſam/ um CHriſti willen gedult tragen/ und
ihm ſolche gefaͤllig ſeynlaſſen will/ ſo meine ich an deroſelben ſelbſt zeugnuͤß
geſehen zu haben/ daß obſchon nicht eine vollkommene/ dannoch redliche/ lie-
be ihres GOttes bey ihr gefunden habe. Und ſolte ſie noch jetzt finden/ wie
ſie ſaget/ daß auch dieſelbe mit einiger heucheley und ſcheinheiligkeit verun-
reinigt geweſt waͤre/ ſo erkenne ſie goͤttliche wolthat/ der ſie durch dieſen ſtand
zu derſelben erkaͤntnuͤß um der beſſerung willen gebracht habe/ demuͤthige ſich
vor ihrem GOtt deßwegen hertzlich/ und liebeihn inskuͤnfftig nach dem maaß
der gnaden/ als ihr wird gegeben werden. 4. Was anlangt die ewige ver-
ſehung und wahl GOttes/ verſteige ſie ſich ja nicht in derſelben materie und
hohen geheimnuͤß/ und gedencke wie ich allzeit auff die einfalt in deſſen vor-
trag getrieben habe. Will ſie ihre wahl ſehen/ ſo ſehe ſie in die wunden ih-
res JEſu/ daraus ſein blut fuͤr ihre ſuͤnde gefloſſen iſt/ darmit ſind alle in
das buch des lebens geſchrieben/ welche daſſelbe mit glauben annehmen.
Daß aber der wahrhafftige glaube/ obwol verborgen ligend/ bey ihr ſeye/
habe ihr bereits [vo]rgethan. So hat GOtt das gute/ was ſie gehabt/ nicht
von ihr genommen/ ſondern er hats in ein ſolches feuer geleget/ in dem nichts
als was von unreinigkeit anklebet/ verbrennen ſoll/ und nachdem ſie beken-
net/ das wollen noch zu haben/ ſo weiß ſie ja/ daß auch das wollen GOttes
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[828/0836] Das fuͤnffte Capitel. langen mag/ ſo ich nicht widerſpreche/ und deßwegen ſelbſt immer erinnere/ ſolches werck heiliglich zu verrichten: in deſſen ob auch niemand mit recht- ſchaffener andacht darbey beten ſolte/ ſo hat die tauffe die krafft in ſich ſelbſt aus der ordnung und einſetzung GOttes/ und erlanget das getauffte kind die ihm verſprochene gnade und ſeeligkeit. 2. Solte es ſeyn/ daß ſie/ wie ſie ſorget/ vormalen unterſchiedlich das heilige abendmahl aus mangel un- terrichts ohne pruͤffung empfangen haͤtte/ ſo ſeye ſie beynebens gewiß/ daß der HERR auch gedult trage mit ſeiner einfaͤltigen kinder unwiſſenheit/ und hoffe ich auch/ ſie werde biß daher den mehrern unterricht zu deſto fleiſ- ſiger pruͤfung ſich haben dienen laſſen. 3. Daß ſie ihren GOtt nie recht ge- liebet/ gefoͤrchtet uñ ihm vertrauet habe/ veꝛſtehet ſie nach dem geſetz oder nach dem Evangelio. Verſtehet ſie es nach jenem und deſſen ſtrenge/ ſo hat ſie freylich die vollkommenheit ſo wenig des erſten als anderer gebote in ihrem leben erreichet/ und muß ſich vor GOtt ſchuldig geben: Sie weiß aber auch aus dem Evangelio/ daß der HErr JEſus das geſetz fuͤr ſie gehalten/ und ſolche vollkommene haltung ſeinen glaubigen zu eigen geſchencket/ ſie auch von dem geſetz freygemacht habe. Redet ſie aber davon nach dem urtheil des Evangelii/ nach welchem der himmliſche Vater mit ſeiner kinder unvollkom- menem aber redlichem gehorſam/ um CHriſti willen gedult tragen/ und ihm ſolche gefaͤllig ſeynlaſſen will/ ſo meine ich an deroſelben ſelbſt zeugnuͤß geſehen zu haben/ daß obſchon nicht eine vollkommene/ dannoch redliche/ lie- be ihres GOttes bey ihr gefunden habe. Und ſolte ſie noch jetzt finden/ wie ſie ſaget/ daß auch dieſelbe mit einiger heucheley und ſcheinheiligkeit verun- reinigt geweſt waͤre/ ſo erkenne ſie goͤttliche wolthat/ der ſie durch dieſen ſtand zu derſelben erkaͤntnuͤß um der beſſerung willen gebracht habe/ demuͤthige ſich vor ihrem GOtt deßwegen hertzlich/ und liebeihn inskuͤnfftig nach dem maaß der gnaden/ als ihr wird gegeben werden. 4. Was anlangt die ewige ver- ſehung und wahl GOttes/ verſteige ſie ſich ja nicht in derſelben materie und hohen geheimnuͤß/ und gedencke wie ich allzeit auff die einfalt in deſſen vor- trag getrieben habe. Will ſie ihre wahl ſehen/ ſo ſehe ſie in die wunden ih- res JEſu/ daraus ſein blut fuͤr ihre ſuͤnde gefloſſen iſt/ darmit ſind alle in das buch des lebens geſchrieben/ welche daſſelbe mit glauben annehmen. Daß aber der wahrhafftige glaube/ obwol verborgen ligend/ bey ihr ſeye/ habe ihr bereits vorgethan. So hat GOtt das gute/ was ſie gehabt/ nicht von ihr genommen/ ſondern er hats in ein ſolches feuer geleget/ in dem nichts als was von unreinigkeit anklebet/ verbrennen ſoll/ und nachdem ſie beken- net/ das wollen noch zu haben/ ſo weiß ſie ja/ daß auch das wollen GOttes wuͤrckung/ und alſo ein zeugnuͤß des beywohnenden geiſtes GOttes ſeye. 5. Hat ſie GOtt fuͤr die gnade/ die derſelbe ihr/ wie durch andere ſeine die- ner

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 828. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/836>, abgerufen am 23.11.2024.