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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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ARTIC. II. SECTIO XVI.
lich erinnern/ daher des glaubens nicht gewahr werden/ damit gehet dann
dasjenige/ was in dem eusserlichen menschen so zu reden noch das innerste ist/
mehr und mehr in seine verwesung/ aber den geist und dessen grund/ so dann die
güter/ welche mit GOTT in demselben sind/ berühret solcher abgang nicht/
noch mag dessen etwas hineintringen/ was uns schaden kan. Wir sehen et-
was dessen/ wann wir bedencken/ daß GOTT und dessen liecht in einer gläu-
bigen seelen ist/ auch alsdann/ da der mensch schläffet/ da er in ohnmacht liget/
oder sonsten in einer kranckheit sich nicht besinnen kan/ und also alle uns be-
kante und erinnerliche vernünfftige wirckungen der seelen gantz ruhen: Nicht
weniger bleibet jenes innere/ so in dem geist ist/ ungehindert/ ob auch durch ei-
nige zufälle die kräfften des gemüths in dero eusserlichen ausflüssen auffs
hefftigste angegriffen und geschwächet würden. Also ob ich wol von grund
der seelen wünsche/ daß die väterliche güte unsers GOttes dermaleins an dem
dero theuersten person bißher zugeschickten und aufferlegten ein gnüge haben/
und also nachdem das maaß der bestimmten prüffung erfüllet seyn wird/ sie
auch in dem eusserlichen wiederum der bißherigen last befreyen/ damit aber zu
einem neuen zeugnüß seiner so allgewaltigen als gütigen krafft/ ja zu einem
exempel seiner wunder-hülffe/ machen oder doch die last immer erleichtern/
hingegen die kräfften des gemüths allerdings unangetastet erhalten/ und da-
durch die erbauung derer/ die um sie sind/ desto mehr noch ferner befördern
wolle/ welches auch gewiß geschehen solle/ wo der himmlische Vater solches zu
seiner ehre und dero wahrem geistlichen besten nützlich zu seyn erkennen wird:
So können gleichwol dieselbe sich versichern/ im fall die göttliche weißheit/
dero gedancken nicht allezeit mit den unsrigen einstimmen/ sondern solche off-
ters für nützlich achtet/ was wir schaden zu seyn glauben/ es anders beschlossen
haben möchte/ nemlich solche einen mercklichen abgang der gemüths-kräfften/
gedächtnüß und anders dergleichen fühlen zu lassen/ daß damit wahrhafftig
dero werthen seelen und innern schatz nichts abgehen könne/ sondern solcher
verlust vielmehr diejenige allein betreffe/ so sonsten von dero gottseligen
bezeugung in ihrem leiden erbauung und auffmunterung genossen haben/ so
sie aber in solchem stande weniger mehr finden würden. Wir wollen es aber
alles insgesamt lediglich dem lieben Vater überlassen und empfehlen/ der
wirds alles wol/ ja mehr als wol und am besten/ machen/ und uns ob er uns
auch so an sich truckte (wie zu weilen eine mutter aus brünstiger liebe an ihrem
kinde thut) daß uns die augen darob übergingen/ gleichwol seiner liebe getrö-
sten/ die gewiß so groß als er selbsten und folglich unmäßlich und unendlich ist.
Meinen wir also/ daß wir alles verliehren/ oder alles uns verlassen wolle/ so
bleibet er uns selbs gnug/ wenn wir ihn in unsrer seele besitzen/ und dessen wir-

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ARTIC. II. SECTIO XVI.
lich erinnern/ daher des glaubens nicht gewahr werden/ damit gehet dann
dasjenige/ was in dem euſſerlichen menſchen ſo zu reden noch das innerſte iſt/
mehr und mehr in ſeine verweſung/ aber den geiſt und deſſen grund/ ſo dann die
guͤter/ welche mit GOTT in demſelben ſind/ beruͤhret ſolcher abgang nicht/
noch mag deſſen etwas hineintringen/ was uns ſchaden kan. Wir ſehen et-
was deſſen/ wann wir bedencken/ daß GOTT und deſſen liecht in einer glaͤu-
bigen ſeelen iſt/ auch alsdann/ da der menſch ſchlaͤffet/ da er in ohnmacht liget/
oder ſonſten in einer kranckheit ſich nicht beſinnen kan/ und alſo alle uns be-
kante und erinnerliche vernuͤnfftige wirckungen der ſeelen gantz ruhen: Nicht
weniger bleibet jenes innere/ ſo in dem geiſt iſt/ ungehindert/ ob auch durch ei-
nige zufaͤlle die kraͤfften des gemuͤths in dero euſſerlichen ausfluͤſſen auffs
hefftigſte angegriffen und geſchwaͤchet wuͤrden. Alſo ob ich wol von grund
der ſeelen wuͤnſche/ daß die vaͤterliche guͤte unſers GOttes dermaleins an dem
dero theuerſten perſon bißher zugeſchickten und aufferlegten ein gnuͤge haben/
und alſo nachdem das maaß der beſtimmten pruͤffung erfuͤllet ſeyn wird/ ſie
auch in dem euſſerlichen wiederum der bißherigen laſt befreyen/ damit aber zu
einem neuen zeugnuͤß ſeiner ſo allgewaltigen als guͤtigen krafft/ ja zu einem
exempel ſeiner wunder-huͤlffe/ machen oder doch die laſt immer erleichtern/
hingegen die kraͤfften des gemuͤths allerdings unangetaſtet erhalten/ und da-
durch die erbauung derer/ die um ſie ſind/ deſto mehr noch ferner befoͤrdern
wolle/ welches auch gewiß geſchehen ſolle/ wo der himmliſche Vater ſolches zu
ſeiner ehre und dero wahrem geiſtlichen beſten nuͤtzlich zu ſeyn erkennen wird:
So koͤnnen gleichwol dieſelbe ſich verſichern/ im fall die goͤttliche weißheit/
dero gedancken nicht allezeit mit den unſrigen einſtimmen/ ſondern ſolche off-
ters fuͤr nuͤtzlich achtet/ was wir ſchaden zu ſeyn glauben/ es anders beſchloſſen
haben moͤchte/ nemlich ſolche einen mercklichen abgang der gemuͤths-kraͤfften/
gedaͤchtnuͤß und anders dergleichen fuͤhlen zu laſſen/ daß damit wahrhafftig
dero werthen ſeelen und innern ſchatz nichts abgehen koͤnne/ ſondern ſolcher
verluſt vielmehr diejenige allein betreffe/ ſo ſonſten von dero gottſeligen
bezeugung in ihrem leiden erbauung und auffmunterung genoſſen haben/ ſo
ſie aber in ſolchem ſtande weniger mehr finden wuͤrden. Wir wollen es aber
alles insgeſamt lediglich dem lieben Vater uͤberlaſſen und empfehlen/ der
wirds alles wol/ ja mehr als wol und am beſten/ machen/ und uns ob er uns
auch ſo an ſich truckte (wie zu weilen eine mutter aus bruͤnſtiger liebe an ihrem
kinde thut) daß uns die augen darob uͤbergingen/ gleichwol ſeiner liebe getroͤ-
ſten/ die gewiß ſo groß als er ſelbſten und folglich unmaͤßlich und unendlich iſt.
Meinen wir alſo/ daß wir alles verliehren/ oder alles uns verlaſſen wolle/ ſo
bleibet er uns ſelbs gnug/ wenn wir ihn in unſrer ſeele beſitzen/ und deſſen wir-

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[771/0779] ARTIC. II. SECTIO XVI. lich erinnern/ daher des glaubens nicht gewahr werden/ damit gehet dann dasjenige/ was in dem euſſerlichen menſchen ſo zu reden noch das innerſte iſt/ mehr und mehr in ſeine verweſung/ aber den geiſt und deſſen grund/ ſo dann die guͤter/ welche mit GOTT in demſelben ſind/ beruͤhret ſolcher abgang nicht/ noch mag deſſen etwas hineintringen/ was uns ſchaden kan. Wir ſehen et- was deſſen/ wann wir bedencken/ daß GOTT und deſſen liecht in einer glaͤu- bigen ſeelen iſt/ auch alsdann/ da der menſch ſchlaͤffet/ da er in ohnmacht liget/ oder ſonſten in einer kranckheit ſich nicht beſinnen kan/ und alſo alle uns be- kante und erinnerliche vernuͤnfftige wirckungen der ſeelen gantz ruhen: Nicht weniger bleibet jenes innere/ ſo in dem geiſt iſt/ ungehindert/ ob auch durch ei- nige zufaͤlle die kraͤfften des gemuͤths in dero euſſerlichen ausfluͤſſen auffs hefftigſte angegriffen und geſchwaͤchet wuͤrden. Alſo ob ich wol von grund der ſeelen wuͤnſche/ daß die vaͤterliche guͤte unſers GOttes dermaleins an dem dero theuerſten perſon bißher zugeſchickten und aufferlegten ein gnuͤge haben/ und alſo nachdem das maaß der beſtimmten pruͤffung erfuͤllet ſeyn wird/ ſie auch in dem euſſerlichen wiederum der bißherigen laſt befreyen/ damit aber zu einem neuen zeugnuͤß ſeiner ſo allgewaltigen als guͤtigen krafft/ ja zu einem exempel ſeiner wunder-huͤlffe/ machen oder doch die laſt immer erleichtern/ hingegen die kraͤfften des gemuͤths allerdings unangetaſtet erhalten/ und da- durch die erbauung derer/ die um ſie ſind/ deſto mehr noch ferner befoͤrdern wolle/ welches auch gewiß geſchehen ſolle/ wo der himmliſche Vater ſolches zu ſeiner ehre und dero wahrem geiſtlichen beſten nuͤtzlich zu ſeyn erkennen wird: So koͤnnen gleichwol dieſelbe ſich verſichern/ im fall die goͤttliche weißheit/ dero gedancken nicht allezeit mit den unſrigen einſtimmen/ ſondern ſolche off- ters fuͤr nuͤtzlich achtet/ was wir ſchaden zu ſeyn glauben/ es anders beſchloſſen haben moͤchte/ nemlich ſolche einen mercklichen abgang der gemuͤths-kraͤfften/ gedaͤchtnuͤß und anders dergleichen fuͤhlen zu laſſen/ daß damit wahrhafftig dero werthen ſeelen und innern ſchatz nichts abgehen koͤnne/ ſondern ſolcher verluſt vielmehr diejenige allein betreffe/ ſo ſonſten von dero gottſeligen bezeugung in ihrem leiden erbauung und auffmunterung genoſſen haben/ ſo ſie aber in ſolchem ſtande weniger mehr finden wuͤrden. Wir wollen es aber alles insgeſamt lediglich dem lieben Vater uͤberlaſſen und empfehlen/ der wirds alles wol/ ja mehr als wol und am beſten/ machen/ und uns ob er uns auch ſo an ſich truckte (wie zu weilen eine mutter aus bruͤnſtiger liebe an ihrem kinde thut) daß uns die augen darob uͤbergingen/ gleichwol ſeiner liebe getroͤ- ſten/ die gewiß ſo groß als er ſelbſten und folglich unmaͤßlich und unendlich iſt. Meinen wir alſo/ daß wir alles verliehren/ oder alles uns verlaſſen wolle/ ſo bleibet er uns ſelbs gnug/ wenn wir ihn in unſrer ſeele beſitzen/ und deſſen wir- ckun- E e e e e 2

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 771. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/779>, abgerufen am 23.11.2024.