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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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ARTIC. I. SECTIO XVI.
Rom. 7/ 24. zu wohnen/ damit andre erbauung von ihm hätten. Ja es
kommt bey ihm zu dem grad Rom. 9/ 3. daß er gewündschet verbannet
zu seyn von Christo/ für seine brüder.
Diese nachfolge muthe ich
zwahr niemand zu/ sondern allein fordert die liebe von denjenigen/ die sich
zu der geheimen communion berechtiget zu seyn glauben/ und davon eine
überzeugung zuhaben vorgeben möchten/ daß sie dasjenige/ wovon sie mehre-
re geistliche stärckung hoffen/ aber ihnen remonstriret wird/ daß dadurch
viele andre/ auffs wenigste von denen für schwach gehaltenen seelen schwehr
verletzet/ und in gefährliche versuchung geführet werden würden/ um dieser
zu schohnen/ unterlassen. Da dann wohl dabey zu mercken ist 1. daß nicht
geredet werde von einer unterlassung aller mittel ihrer seligkeit/ oder stär-
ckung ihres glaubens/ sondern allein eines einigen und zwahr nur in gewis-
sen umständen: vornehmlich das/ wo es bey der einigen offentlichen com-
muni
on bliebe/ sie nicht sehen/ daß sie so offt wie bey der andern dazu kom-
men könten. Auff dieses wirds endlich/ wo man die sache gnug überleget/
alles ankommen. Also bleibet solchen seelen 2. die stäte handlung göttli-
chen worts/ so doch die ordenliche speise des glaubens ist/ allerdings frey/
und mögen sie von demselben gedencken und reden tag und nacht/ Ps. 1/ 2.
3. Es bleibet ihnen frey in stätem gebet vor GOtt zu bleiben/ und auch mit
diesem eymer immerfort aus dem abgrund göttlicher güte und den gnaden-
schätzen ihres JEsu/ was den innern menschen stärcket/ zu schöpffen. 4. Nie-
mand darff ihnen wehren/ oder solle es doch nicht thun/ daß nicht jeglicher
allein/ oder mit einem oder andern freunde/ täglich das leiden und todt sei-
nes heylands mit betrachtung/ gebet/ gesang und dancksagung verkündige/
und in dem glauben täglich des leibes und blutes desselben geniesse. 5. Sie
sind auch nicht verbunden/ allein an der virtheljährigen communion zu han-
gen/ sondern es kan ihnen auch ein mehrmaliger offentlicher zugang dazu
nicht verwehret werden: und sind endlich die exempel derjenigen nicht so gar
unerhört/ die ordenlich alle monat/ und noch wol öffter/ zu dem Sacrament
gegangen sind/ dero mir in Straßburg und Franckfurt bekannt worden.
Daher ich nicht sehe/ wie ein Prediger ihnen dasselbe/ nemlich zum offtersten
zu communiciren/ leicht versagen möchte.Ja es sollen sich einige finden/ die
auch jeden sonntag willig jeden zulassen würden/ ob ich wol nicht zweiffle/
daß einige andere dessen möchten bedenckens haben/ so aber vielen davon
durch liebreiche remonstration auch benommen werden möchte. 6. Ob
dann solche seelen bezeugen möchten/ sie verlangten diese seelen-speise noch
offters/ auch in der woche/ und so offt sie einen hunger derselben empfänden/
so gebe ich ihnen zu bedencken/ ob dieser einige umstand der mehrmaligen

wie-
J

ARTIC. I. SECTIO XVI.
Rom. 7/ 24. zu wohnen/ damit andre erbauung von ihm haͤtten. Ja es
kommt bey ihm zu dem grad Rom. 9/ 3. daß er gewuͤndſchet verbannet
zu ſeyn von Chriſto/ fuͤr ſeine bruͤder.
Dieſe nachfolge muthe ich
zwahr niemand zu/ ſondern allein fordert die liebe von denjenigen/ die ſich
zu der geheimen communion berechtiget zu ſeyn glauben/ und davon eine
uͤberzeugung zuhaben vorgeben moͤchten/ daß ſie dasjenige/ wovon ſie mehre-
re geiſtliche ſtaͤrckung hoffen/ aber ihnen remonſtriret wird/ daß dadurch
viele andre/ auffs wenigſte von denen fuͤr ſchwach gehaltenen ſeelen ſchwehr
verletzet/ und in gefaͤhrliche verſuchung gefuͤhret werden wuͤrden/ um dieſer
zu ſchohnen/ unterlaſſen. Da dann wohl dabey zu mercken iſt 1. daß nicht
geredet werde von einer unterlaſſung aller mittel ihrer ſeligkeit/ oder ſtaͤr-
ckung ihres glaubens/ ſondern allein eines einigen und zwahr nur in gewiſ-
ſen umſtaͤnden: vornehmlich das/ wo es bey der einigen offentlichen com-
muni
on bliebe/ ſie nicht ſehen/ daß ſie ſo offt wie bey der andern dazu kom-
men koͤnten. Auff dieſes wirds endlich/ wo man die ſache gnug uͤberleget/
alles ankommen. Alſo bleibet ſolchen ſeelen 2. die ſtaͤte handlung goͤttli-
chen worts/ ſo doch die ordenliche ſpeiſe des glaubens iſt/ allerdings frey/
und moͤgen ſie von demſelben gedencken und reden tag und nacht/ Pſ. 1/ 2.
3. Es bleibet ihnen frey in ſtaͤtem gebet vor GOtt zu bleiben/ und auch mit
dieſem eymer immerfort aus dem abgrund goͤttlicher guͤte und den gnaden-
ſchaͤtzen ihres JEſu/ was den innern menſchen ſtaͤrcket/ zu ſchoͤpffen. 4. Nie-
mand darff ihnen wehren/ oder ſolle es doch nicht thun/ daß nicht jeglicher
allein/ oder mit einem oder andern freunde/ taͤglich das leiden und todt ſei-
nes heylands mit betrachtung/ gebet/ geſang und danckſagung verkuͤndige/
und in dem glauben taͤglich des leibes und blutes deſſelben genieſſe. 5. Sie
ſind auch nicht verbunden/ allein an der virtheljaͤhrigen communion zu han-
gen/ ſondern es kan ihnen auch ein mehrmaliger offentlicher zugang dazu
nicht verwehret werden: und ſind endlich die exempel derjenigen nicht ſo gar
unerhoͤrt/ die ordenlich alle monat/ und noch wol oͤffter/ zu dem Sacrament
gegangen ſind/ dero mir in Straßburg und Franckfurt bekannt worden.
Daher ich nicht ſehe/ wie ein Prediger ihnen daſſelbe/ nemlich zum offterſten
zu communiciren/ leicht verſagen moͤchte.Ja es ſollen ſich einige finden/ die
auch jeden ſonntag willig jeden zulaſſen wuͤrden/ ob ich wol nicht zweiffle/
daß einige andere deſſen moͤchten bedenckens haben/ ſo aber vielen davon
durch liebreiche remonſtration auch benommen werden moͤchte. 6. Ob
dann ſolche ſeelen bezeugen moͤchten/ ſie verlangten dieſe ſeelen-ſpeiſe noch
offters/ auch in der woche/ und ſo offt ſie einen hunger derſelben empfaͤnden/
ſo gebe ich ihnen zu bedencken/ ob dieſer einige umſtand der mehrmaligen

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[65/0073] ARTIC. I. SECTIO XVI. Rom. 7/ 24. zu wohnen/ damit andre erbauung von ihm haͤtten. Ja es kommt bey ihm zu dem grad Rom. 9/ 3. daß er gewuͤndſchet verbannet zu ſeyn von Chriſto/ fuͤr ſeine bruͤder. Dieſe nachfolge muthe ich zwahr niemand zu/ ſondern allein fordert die liebe von denjenigen/ die ſich zu der geheimen communion berechtiget zu ſeyn glauben/ und davon eine uͤberzeugung zuhaben vorgeben moͤchten/ daß ſie dasjenige/ wovon ſie mehre- re geiſtliche ſtaͤrckung hoffen/ aber ihnen remonſtriret wird/ daß dadurch viele andre/ auffs wenigſte von denen fuͤr ſchwach gehaltenen ſeelen ſchwehr verletzet/ und in gefaͤhrliche verſuchung gefuͤhret werden wuͤrden/ um dieſer zu ſchohnen/ unterlaſſen. Da dann wohl dabey zu mercken iſt 1. daß nicht geredet werde von einer unterlaſſung aller mittel ihrer ſeligkeit/ oder ſtaͤr- ckung ihres glaubens/ ſondern allein eines einigen und zwahr nur in gewiſ- ſen umſtaͤnden: vornehmlich das/ wo es bey der einigen offentlichen com- munion bliebe/ ſie nicht ſehen/ daß ſie ſo offt wie bey der andern dazu kom- men koͤnten. Auff dieſes wirds endlich/ wo man die ſache gnug uͤberleget/ alles ankommen. Alſo bleibet ſolchen ſeelen 2. die ſtaͤte handlung goͤttli- chen worts/ ſo doch die ordenliche ſpeiſe des glaubens iſt/ allerdings frey/ und moͤgen ſie von demſelben gedencken und reden tag und nacht/ Pſ. 1/ 2. 3. Es bleibet ihnen frey in ſtaͤtem gebet vor GOtt zu bleiben/ und auch mit dieſem eymer immerfort aus dem abgrund goͤttlicher guͤte und den gnaden- ſchaͤtzen ihres JEſu/ was den innern menſchen ſtaͤrcket/ zu ſchoͤpffen. 4. Nie- mand darff ihnen wehren/ oder ſolle es doch nicht thun/ daß nicht jeglicher allein/ oder mit einem oder andern freunde/ taͤglich das leiden und todt ſei- nes heylands mit betrachtung/ gebet/ geſang und danckſagung verkuͤndige/ und in dem glauben taͤglich des leibes und blutes deſſelben genieſſe. 5. Sie ſind auch nicht verbunden/ allein an der virtheljaͤhrigen communion zu han- gen/ ſondern es kan ihnen auch ein mehrmaliger offentlicher zugang dazu nicht verwehret werden: und ſind endlich die exempel derjenigen nicht ſo gar unerhoͤrt/ die ordenlich alle monat/ und noch wol oͤffter/ zu dem Sacrament gegangen ſind/ dero mir in Straßburg und Franckfurt bekannt worden. Daher ich nicht ſehe/ wie ein Prediger ihnen daſſelbe/ nemlich zum offterſten zu communiciren/ leicht verſagen moͤchte.Ja es ſollen ſich einige finden/ die auch jeden ſonntag willig jeden zulaſſen wuͤrden/ ob ich wol nicht zweiffle/ daß einige andere deſſen moͤchten bedenckens haben/ ſo aber vielen davon durch liebreiche remonſtration auch benommen werden moͤchte. 6. Ob dann ſolche ſeelen bezeugen moͤchten/ ſie verlangten dieſe ſeelen-ſpeiſe noch offters/ auch in der woche/ und ſo offt ſie einen hunger derſelben empfaͤnden/ ſo gebe ich ihnen zu bedencken/ ob dieſer einige umſtand der mehrmaligen wie- J

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/73>, abgerufen am 22.11.2024.